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SCHACH-SPHINX/04505: Berliner Schalk (SB)


Der Berliner Fabrikant Karl Walbrodt war ein kleinwüchsiger Mensch, widmete sich dem Schachspiel jedoch mit großem Ehrgeiz und Elan. Seine Turniererfolge konnten sich sehen lassen. So kam er in Berlin 1897 auf den zweiten Platz hinter dem genialen Gambitexperten Rudolf Charousek. Anders als Charousek, der mit kapriziösem Angriffsspiel seine Partien zu gewinnen pflegte, hatte Walbrodt ein weniger aufwendiges Erfolgsrezept. Er sagte sich, "Die Leute bringen sich janz von alleene um", und verlegte sich daher aufs Lavieren, bis sein Gegner den entscheidenden Fehler beging. Die Strategie ging nicht immer auf. Zuweilen zögerte Walbrodt zu lange und verpaßte so gute Gelegenheiten, um die Initiative an sich zu reißen, etwas, das Charousek nie widerfuhr. Trotzdem hatte der ungarische Meister, der der Schachwelt leider nur drei Jahre erhalten blieb - ein früher Tod riß ihn aus Caissas Armen - gegen Walbrodt kein leichtes Standbein, eben weil sich der Berliner mit seiner Langmütigkeit kaum Blößen gab. Im heutigen Rätsel der Sphinx, entnommen aus dem Berliner Turnier, gelang es Walbrodt sogar, den gefürchteten Angriffsrecken durch seine typische Hinhaltetaktik zu überrumpeln. Charousek hatte zuletzt 1...Lc5xf2 gespielt. Walbrodt tat dem Ungarn natürlich nicht den Gefallen, sich nach 2.Tf1xf2?? Td7-d1+ 3.Tf2-f1 Td1xf1# mattsetzen zu lassen, sondern sicherte sich mit seiner ihm eigenen Gelassenheit den Sieg, Wanderer.

SCHACH-SPHINX/04505: Berliner Schalk
Walbrodt - Charousek
Berlin 1897

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Petrosjan erkannte, daß er auf Dauer dem weißen Angriff nicht widerstehen könnte, und so bot er ein verlockendes Qualitätsopfer mit 1...Te7-e6! an. Die Idee war raffiniert und bewahrte das Kräftegleichgewicht, denn nach 2.a3-a4 Sc6-e7! 3.Lg4xe6 f7xe6 4.Df4-f1 Se7-d5 besaß er einen mächtigen Springer auf d5. Was Reshevsky auch unternahm, die schwarze Verteidigungsstellung hielt stand: 5.Te3-f3 Lg6-d3 - weißfeldrige Blockade - 6.Tf3xd3 c4xd3 7.Df1xd3 b5-b4 8.c3xb4 a5xb4 9.a4-a5 Td8-a8 10.Te1-a1 De8-c6 11.Lb2-c1 Dc6-c7 12.a5-a6 Dc7-b6 13.Lc1-d2 b4-b3 14.Dd3-c4 h7-h6 15.h2-h3 b3-b2 16.Ta1-b1 Kg8-h8 17.Ld2- e1 und Remis.


Erstveröffentlichung am 16. Dezember 2000

16. September 2012