SCHACH-SPHINX/04607: Des Staubkorns Schändlichkeit (SB)

Daß zuweilen auch Groß- und Altmeister zugeben, ihre Ideen Schachbüchern entnommen zu haben, macht sie uns menschlich verwandt. Als Laie kommt man schnell in die Versuchung, aus ihnen Götter der Unfehlbarkeit zu machen, als ob ihnen uns Erdlingen verwehrte Einblicke in Caissas kosmisches Räderwerk erlaubt seien. Wo nahm Anderssen bloß die Idee für seine Unsterbliche Partie her? fragen wir uns. Und welcher Anhauch der Genialität streifte Aljechin, Spielmann, Nimzowitsch und all die anderen Schöpfer unvergeßlicher Partien? Ganz klein werden wir zu des Staubkorns Schändlichkeit und bejammern das Los unserer nichtigen Existenz. Als der finnische Altmeister Böök, nachdem er seinen Kontrahenten Halfdánarson mit einem brillanten Opferzug niederstreckte, in aller Offenheit zugab - "Die Kombination habe ich eigentlich nicht selbst gefunden, sondern die Idee einige Wochen vor dem Turnier in einem russischen Lehrbuch gesehen." -, da erwachte in uns Trostbedürftigen wieder die Zuversicht zum Leben, daß, wenn selbst die Götter des Schachspiels hin und wieder aus Büchern lernen müssen, auch wir in unserer Winzigkeit aus dem gleichen Stoffe sind. Nun, Wanderer, nach solchem Pathos verspricht das heutige Rätsel der Sphinx geistige Anregung: Wie zerschlug Meister Böök die schwarze Stellung, nachdem sein Kontrahent dem Turmschach nunmehr mit 1...Kb8- a8? aufs verkehrteste auswich? Nach 1...Sd7-b6! wäre noch nichts entschieden gewesen.

Böök - Halfdánarson
Reykjavik 1966

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Raub verdirbt jede Stellung, und so mußte Meister Taimanow die bittere Erfahrung machen, daß er nach 1...Dg5xg2? rasch in des Teufels Küche kam: 2.Dh8-g7! - mit der unangenehmen Doppeldrohung 3.h4-h5 und 3.Dg7xe7 - 2...Le7-d8 3.h4-h5! Dg2-f3 4.h5-h6 Te4-h4 5.Th1-e1! d6-d5 6.c2-c4! d5-d4 7.c4-c5 Kc7-c8 8.h6-h7! Df3-h5 9.Td1xd4 Dh5xh7 10.Td4xd7! und Schwarz gab auf.

Erstveröffentlichung am 18. Januar 2001

28. Dezember 2012

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