Schattenblick →INFOPOOL →SCHACH UND SPIELE → SCHACH

SCHACH-SPHINX/05036: Hiobsbotschaft im Kuvert (SB)


Früher war es gang und gäbe, daß eine Partie nach stundenlangem Spiel abgebrochen wurde. Man nannte dies dann Hängepartie. Der am Zug befindliche Spieler steckte seinen Abgabezug nach der Analyse schließlich in ein Kuvert und übergab ihn dann vor der Wiederaufnahme der Partie an den Schiedsrichter. Nun mag man annehmen, daß die Spieler während der Nacht genügend Zeit gehabt hatten, um alleine oder unter der Mithilfe von Schachfreunden und -kollegen den besten Zug in der Stellung zu finden. In der Regel ist dies auch der Fall, aber eben nicht immer. So trug es sich zum Beispiel zu, daß der tschechische Meister Ludek Pachman in Leipzig 1960 eine Hängepartie gegen den Schweden Lundin spielte. Letzterer mußte am nächsten Morgen den Abgabezug machen. Pachman zergrübelte sich in der Nacht das Gehirn und analysierte die Stellung bis ins Gedärm hinein, umsonst! - Für ihn gab es keine Rettung. Lundin besaß eine glattweg gewonnene Position. Der Siegeszug war nicht schwierig zu finden. Also schleppte sich Pachman morgens resigniert zum Brett hin, innerlich bereit, die Partie nach dem Öffnen des Kuverts aufzugeben, als er verblüfft erleben mußte, daß sein Kontrahent Lundin, aus welchen Grund auch immer, einen so schrecklich dummen Zug abgegeben hatte, daß er, ohne einen Augenblick zu zögern, die Partie aufgab. Erinnerte sich Pachman im selben Moment ob seines unverdienten Glücks vielleicht an einen Ausspruch Friedrich Nietzsches, der da geht: "Seit ich des Suchens müde ward, erlernte ich das Finden. Seit mir ein Wind hielt Widerpart, segl ich auf allen Winden." Ein guter Windsegler war auch unser Schachfreund Kraatz, und da sein Kontrahent Schönig recht fahrlässig mit den dunklen Feldern vor seiner Königsburg umgegangen war, fehlte nur noch ein kleiner Schritt und Witz zum Gewinnen einer Figur für Weiß im heutigen Rätsel der Sphinx, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/05036: Hiobsbotschaft im Kuvert (SB)

Kraatz - Schönig
Fernpartie 1976

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Die schwachen schwarzen Felder in der Festung des Nachziehenden luden förmlich zu einem Sturm ein, und so griff Meister Murei denn auch beherzt zu 1.Lh6-g7! und stellte seinen Kontrahenten Mamatow damit vor schier unlösbare Probleme. Es drohte nämlich 2.Te3xe7+! Te8xe7 3.Dc3xf6+ Also deckte Mamatow mit 1...Td8-d7 die siebte Reihe, aber vergebens, denn nach 2.Te3xe7+ Td7xe7 3.Te1xe7+! - natürlich nicht das kurzsichtige Schlagen 3.Dc3xf6+? Kf7-g8 4.Te1xe7 wegen 4...Dg4-d1+! mit Remis - 3...Te8xe7 4.Dc3xf6+ Kf7-e8 5.Df6-f8+ Ke8-d7 6.Sc4-b6+ Kd7- c7 7.Df8xf7+ mußte er sich geschlagen geben. Nutzlos wäre auch 3...Kf7xe7 gewesen wegen 4.Dc3xf6+ Ke7-d7 5.Df6xd6+ Kd7-c8 6.Sc4-b6# Bleibt noch zu erwähnen, daß auch 1...Kf7xg7 an der Niederlage nicht vorbeigeführt hätte: 2.Te3xe7+ Te8xe7 3.Te1xe7+ Kg7-h6 4.Sc4-e3! Dg4- h5 5.Dc3xf6 Td8-g8 6.Df6-f7 mit zahlreichen erdrückenden Drohungen.


Erstveröffentlichung am 06. Juni 2001

02. März 2014





Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang