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SCHACH-SPHINX/05341: Düsteres Mittelalter (SB)


Das europäische Mittelalter war eine Zeit blutiger Wirren. Fürstenzwist, Königsunruhen, Diktate aus Rom, Hungernöte, Dürreernten, Pest, Hexenprozesse - es gibt kaum ein Wort in der deutschen Sprache, das die Unsinnigkeit des Leidens besser ausspricht als dies 'Mittelalter'. Sicherlich ist damit auch viel Irrtümliches einhergegangen. Nicht immer herrschte düsterer Aberglauben und Mord im Mittelalter. Auch die frühen Wissenschaften und Künste fallen in diese Zeit. Daß es keine goldene Epoche war, daran gibt es jedoch keinen Zweifel. Auch das Schachspiel spiegelt in diesen Zeiten in Sprichwort und Sinnspruch, in Dichtung und Prosa die Nöte dieser dunklen Ära wider. So sagte der österreichische Fahrender, Herolds- und Wappendichter Peter Suchenwirt (1320-1395) in einem seiner vielen Reimreden und Sprüche: 'Chrieg sagt lant und leüten schâch!' In unsere heutige Zunge eingedeutscht, bedeutet das: Krieg sagt Land und Leuten Schach! Anderthalb Jahrhunderte später, der Kalender schrieb das Jahr 1547, wird dem bei Mühlberg gefangenen lutherischen Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen, genannt der Großmütige, im Lager vor Wittemberg das Todesurteil vorgelesen. Auf seinem Gesicht regt sich jedoch nicht die kleinste Miene, außerdem sitzt er gerade mit Herzog Ernst von Lüneburg am Schachbrett. Als die Verkündung schließlich beendet war, erwiderte er völlig gelassen: "Weiter im Spiele!" Seine Tapferkeit beeindruckte jedenfalls seine Feinde, und so wurde er in ein Verlies gebracht und Jahre später befreit. Märtyrer konnte der Kaiser nicht gebrauchen. So gelassen war der Münchner Großmeister Gerald Hertneck mit den weißen Steinen gegen den holländischen Großmeister Piket freilich nicht. Letzterer war am Zug und Hertneck klammerte sich verzweifelt an die Fortsetzung 1...Td5xd2 2.Lf4xd2 und dank des Freibauern auf b7 hätte er noch kämpfen können. Diesen Gefallen tat ihn Piket allerdings nicht, und so wirst du, Wanderer, im heutigen Rätsel der Sphinx den Zug finden müssen, der allen Mut von Hertneck im Nu zerbrach!



SCHACH-SPHINX/05341: Düsteres Mittelalter (SB)

Hertneck - Piket
Tilburg 1992

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Wie eine unheilbringende Meute stand die schwarze Armee im Zentrum und ihre Gewehre waren gegen den weißen König auf h1 gerichtet. Dann plötzlich löste sich die Dame aus diesem Pulk und stürzte sich todesverachtend, opferfreudig auf den gegnerischen Regenten. Nach 1...Dd5xg2+! ging alles rasch, fast unmerklich vonstatten: 2.Kh1xg2 Td8-g8+ 3.Kg2-h1 Le6-d5+. An dieser Stelle gab Meister Mäkinen gab. In zwei Zügen wäre er Matt geworden.


Erstveröffentlichung am 27. Januar 2002

01. Januar 2015





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