Ist es nun Geiz, ist es Furcht oder einfach Langeweile, wenn in bestimmten Partien lange Zeit keine einzige Figur geschlagen wird? Niemand weiß es so genau, denn die Akteure der Passivität schweigen sich über ihre Beweggründe aus. Den größten Verdruß an Ereignislosigkeit mußten die Kiebitze bei der Partie zwischen den Meistern Chajes und Grünfeld erdulden. Gespielt wurde diese Geduldspartie in Karlsbad 1923. Man lese und staune, denn bis zum 57. Zug tummelten sich auf dem Brett noch quicklebendig alle 32 Figuren. Erst dann bequemten sich die beiden Meister, ein Springer- und ein Bauernpaar vom Brett zu entfernen. Offenbar standen sich die beiden Armeen bereits auf den Füßen und Platz mußte her. Wer nun jedoch geglaubt hatte, ein fröhliches Figurenschlagen sehen zu können, der wurde enttäuscht und mußte sich von der Geduld der beiden Spieler eines Besseren belehren lassen, denn erst beim 95. Zug entschlossen sich Chajes und Grünfeld zu einem weiteren Abtausch. Wesentlich turbulenter ging es dagegen in der Partie zwischen den beiden Schachfreunden Nenzinger und List zu, und insbesondere der Letztere entwickelte zum höheren Zwecke eines Mattüberfalls einen frohen Opfersinn mit den schwarzen Steinen. Also, Wanderer, wo brennt die Lunte im heutigen Rätsel der Sphinx?
Nenzinger - List
Fernpartie 1908
Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Zerstreut, verloren und untätig standen die weißen Figuren auf dem
Brett herum. Kein Wunder also, daß die weiße Majestät in Kalamitäten
geriet, insbesondere als Meister Fischer mit 1...De6xh3!! ein
verblüffendes Damenopfer brachte. Der Sinn des Opfereinschlags zeigte
sich jedoch schon bald nach 2.g2xh3, schließlich blieb dem weißen
Regenten nach 2...Sh2-f3+ 3.Ke1-f1 Lc8xh3# sprichwörtlich die Luft
weg.
Erstveröffentlichung am 13. März 2002
17. Februar 2015
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