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SCHACH-SPHINX/05421: Apokalyptischer Nihilismus (SB)


Im engeren Sinne läßt sich der Beginn einer ernsthaft betriebenen Schachliteratur etwa 400 Jahre in die Geschichte zurückdatieren. In dieser Spanne hat sich eine überschaubar kleine Gruppe von Autoren mit teils divergierenden Interessen für die Verbreitung des Schachgedankens eingesetzt. Neben den Formalisten, die sich vornehmlich mit dem eröffnungstheoretischen Studium beschäftigten, gab es einen kleineren Zirkel von Enthusiasten, die dem Schach kulturprägende oder geisteswissenschaftliche Dimensionen eröffneten. Mit großer Akribie strebten sie danach, den Werdegang des Schachspiels von seinem indischen Mutterland bis zur heutigen europäischen Ausprägung unter dem Gesichtspunkt einer evolutionären Stringenz zu erforschen. Soziologische Arbeiten haben inzwischen zwar längst bewiesen, daß der Kulturhintergrund des jeweiligen Gastlandes ungleich dominanter auf die Entwicklung des Schachspiels einwirkte, als daß gewisse Wesensmerkmale unabhängig von der zeitgeschichtlichen Katalyse hätten in Erscheinung treten können. Vor diesem Hintergrund zeichnet sich eine krasse Fehleinschätzung zwischen Inhalt und Form ab. Die Geschichte war alles andere als ein Nährboden für das Entstehen einer stringenten Denktradition. Einige Autoren hatten in der Tat angenommen, daß sich hinter dem Gewand der Geschichte ein "intelligenter Mechanismus" verbirgt, der sich im Schach als miniaturisiertes Exempel hätte niederschlagen müssen. Doch die Kluft zwischen hoher Erwartung und tatsächlicher Erfahrung wurde selbst den hartnäckigsten Befürwortern dieser Theorie unwiderlegbar groß, je länger sie danach forschten. Weit war man davon entfernt, auch nur eine verwischte Spur finden zu können. Aus diesem enttäuschenden Ergebnis heraus hatte sich jedoch ein neues, geradezu spiegelverkehrtes Phänomen herausgeschält - der apokalyptische Nihilismus. Statt wie bisher den glorreichen Triumphzug des Schachspiels von den Anfängen bis hin zu seinem modernen Widerpart belegen zu wollen, tauchten in den letzten Jahren, wenn auch nur sporadisch, Ansätze auf, die im Schachspiel den Verfall der menschlichen Kommunikationskultur nachweisen wollten. Natürlich blieben die Autoren und Geschichtsforscher auch hier in ihrer Arbeit stecken, weil der Ausgang ihrer Frage unpräzise formuliert war. Um den Erfolg betrogen wurde auch der amerikanische Großmeister Arthur Denker im heutigen Rätsel der Sphinx. Viel hatte er sich von seinem nächsten Zug 1.Sc5xb7?! erhofft. Doch sein Kontrahent Yanofsky wies gekonnt nach, daß der Springerzug nur zu einem Remis reichte. Kannst du Yanofskys Einwand bestätigen, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05421: Apokalyptischer Nihilismus (SB)

Denker - Yanofsky
New York 1959

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Daß 1.De3-f4? ein regelrechter Hornochsenfehler war, bemerkte Meister Matochin natürlich erst, als ihm sein Kontrahent Kuzmin nach 1...f7- f6+ 2.Kg5-g4 Dh2-g2+ 3.Df4-g3 f6-f5+ 4.Kg4-f4 e6-e5+ wegen Damenverlustes zur Kapitulation zwang.


Erstveröffentlichung am 14. April 2002

22. März 2015


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