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SCHACH-SPHINX/05444: Celler Hungerprotest (SB)


In Zeiten der Not, wenn die Kassen überall leergepumpt sind, rote Zahlen die Bücher füllen, oder wenn ein zu Ende gegangener Krieg eine Ruinenlandschaft hinterlassen hat, ist der Bedarf an Schachturnieren natürlich verschwindend gering. Als die Stadtväter von Celle drei Jahre nach Kriegsende endlich wieder etwas für das Schach tun wollten, mußten sie sich zuerst überlegen, wie sich Schachmeister in die Stadt locken ließen. Um geringer Geldpreise willen hätte mit Sicherheit kein Schachspieler die beschwerliche Reise auf sich genommen. Also besannen sich Bürgermeister und Wirtschaftsamt auf eine andere List. Mit dem Versprechen, daß dem Turniersieger Lebensmittel und Zigaretten winkten, hoffte man auf eine große Resonanz. Die Botschaft ging natürlich inkognito an die Schachmeister. Das Echo blieb in der Tat nicht aus, nur leider kam es aus einer ganz anderen, unerwarteten Richtung. Irgendein Schwatzmaul hatte den Plan nämlich an die große Glocke gehängt, und kaum erfuhr die Bevölkerung von den Schachumtrieben der Stadthonoratioren, da lief das Volk aufgebracht vor das Bürgermeisteramt und protestierte scharf gegen die Extraversorgung der Schachspieler mit Lebensmitteln. Das Vorhaben mußte rückgängig gemacht werden. Erst später, als die Versorgungslage einigermaßen auf soliden Füßen stand, konnte Celle wieder an seine alte Schachtradition anknüpfen. Das heutige Rätsel der Sphinx entstammt dagegen aus einer besseren Zeit. 1954 hatte sich Deutschland schon wieder über aus den Ruinen erhoben und konnte wohlwollender auf seine Schachmeister blicken. In der Diagrammstellung besaß Theo Schuster mit den schwarzen Steinen eine klare Gewinnstellung. Nach 1...Tf8-a8 2. Sd7xc5 Dg5-d2! gab sein Kontrahent Machate die Partie auf. Schön und gut, aber Schuster hatte sich doch einen Leckerbissen entgehen lassen, als er 1...Tf8-a8 zog. Findest du die elfzügige Mattkombination, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05444: Celler Hungerprotest (SB)

Machate - Schuster
Stuttgart 1954

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Daß ausgerechnet der russische Angriffsspezialist Efim Geller so unverhofft in einen kombinatorischen Sturm geraten würde, war nicht nur für die damalige Schachwelt eine echte Überraschung. Auch er selbst fiel förmlich aus allen Wolken, als sein holländischer Kontrahent Max Euwe auf seinen Läuferzug 1.Lc1-h6 die Überraschung 1...Tf8-h8!! parat hatte. Der Trick bestand darin, die weiße Dame aus der Diagonalen b1-h7 zu vertrieben, nötigenfalls auch mit einem Turmopfer. Geller zog 2.Dh7xh8, worauf 2...Tc8-c2 3.Ta1-c1 Tc2xg2+ 4.Kg1-f1 De6-b3!! 5.Kf1-e1 Db3-f3 folgte, und gegen das Matt war nichts mehr zu erfinden. Eine hervorragende taktische Meisterleistung des Verteidigungsspielers Euwe.


Erstveröffentlichung am 05. Mai 2002

14. April 2015


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