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SCHACH-SPHINX/05502: Grenzen des Geisterhaften (SB)


In den Bereich des Okkulten ist wohl kaum jemand literarisch so tief einzudringen wie der am 19. Januar 1868 in Wien geborene Gustav Meyrink, dessen Erzählkunst unvergeßliche Blüten des Dunkelgesichtigen und Gespenstisch-Phantasmagorischen getrieben hat. Unter seinen Romanen finden sich solche Meilensteine und lesevergnüglichen Leckerbissen wie der "Golem" und "Der Engel vom westlichen Fenster". Auch dem Gebiet des Schachspiels widmete Meyrink seine Aufmerksamkeit. Nach seiner unrühmlichen "Vertreibung" aus Prag und während seiner kurzzeitigen Niederlassung in München pflegte Meyrink sich leidenschaftlich gern in Kaffeehäusern die Zeit zu verjüngen. Stammlokal war das Café Stephanie, wo er mit Erich Mühsam die eine und andere Partie Schach austrug. Aber auch beim gedanklichen Mattkonzipieren konnte es Meyrink nicht lassen, seiner Erzählfreude frönend, die Dämonenreiche zwischen Schein und Wirklichkeit heraufzubeschwören. Mühsam schrieb dazu: "Hier wurden mit gedämpfter Stimme die Ereignisse besprochen und aus höheren Gesichtspunkten betrachtet. Meyrink gab dabei unseren realistischen Betrachtungen häufig etwas mystische Zutat bei. Mir erklärte er einmal, mir werde im Krieg bestimmt nichts Böses widerfahren, denn ich sei einer der wenigen, die diesen Krieg nie gewollt und nie gebilligt und schon vorher gegen ihn geeifert hätten. Das mache mich immun gegen seine Gefahren. Aber vor einer Revolution solle ich mich in acht nehmen. Die lebe in meinen Wünschen und würde mich im Guten wie im Schlimmen zu finden wissen." Mit hellsichtiger Klarheit hatte auch Meister Sultanbajew im heutigen Rätsel der Sphinx die folgende Diagrammstellung angestrebt. Mit Weiß am Zuge durchbrach er schließlich die Grenzen zum Geisterhaften, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/05502: Grenzen des Geisterhaften (SB)

Sultanbajew - Colle
Antwerpen 1926

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Ein Stoß gegen den rechten Fleck, der eine Stellung am schwächsten zusammenhält, und schon stürzt alles höllentief in den Abgrund der Niederlage. So geschah es, als Meister Bellon mit 1.Ta1xa6! den Finger auf den wunden Punkt der schwarzen Position legte. Beide schwarzen Schwerfiguren mußten wichtige Felder decken, um ihre Majestät vor Schaden zu bewahren. Erzwungen war nun das Rückopfer seines Kontrahenten Antunes mit 1...Tg8xg2+, da 1...Ta7xa6 unmittelbar an 2.e6xf7+ Ke8-e7 3.f7xg8S# zugrunde gegangen wäre. Aber auch 1...Tg8xg2+ 2.Kg1xg2 Ta7xa6 half nicht, und so mußte sich Antunes in Ermangelung guter Züge nach 3.Lh5xf7+ Ke8-e7 4.Dd5-d7+ Se5xd7 5.Td1xd7# nicht weniger schmerzhaft mattsetzen lassen.


Erstveröffentlichung am 02. Juli 2002

11. Juni 2015


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