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SCHACH-SPHINX/05753: Ecken des Vergessens (SB)


Als es noch keine Schachuhren und damit auch keine Zeitkontrolle gab, pflegten sich die Meister in einer anderen Kunst zu überflügeln. Man muß nicht die Schachnovelle gelesen haben, um zu wissen, welche verhängnisvollen Auswirkungen sich für das Nervenkostüm eines Spielers ergeben, der unendlich auf den Zug seines Kontrahenten warten muß. Die Zerreißprobe greift nicht nur die Nerven an, auch das Gedächtnis wird in Mitleidenschaft gezogen. Wer kann schon beliebig lange einen Gedanken festhalten? Immerzu entschlüpft der Einfall, kriecht in die Ecken des Vergessens, windet sich fort, mal hierhin, mal dorthin. Zuletzt weiß man nicht mehr, was man überhaupt denken soll oder gedacht hat; und der andere grübelt immer noch. Rabiat werden möchte man da am liebsten, aufstehen und den anderen am Kragen packen und schütteln. Aber da fällt der Schatten des Schiedsrichters über das Brett. Man muß sich zur Räson rufen, duldet und erträgt die Situation, aber so sind eben die Regeln innerhalb der erlaubten Frist. Der Gegenspieler darf sich Zeit lassen, leiden muß immer der andere, denn er ist zum Abwarten verdammt. Welches Grauen packt uns bei der Vorstellung, elf Stunden lang auf den Zug des Kontrahenten, händeringend, schweißtreibend, warten zu müssen! Solange hatte sich nämlich Paul Morphy in Geduld üben müssen, ehe Louis Paulsen alle Windungen seines Gehirns nach der versteckten und besten Zugmöglichkeit durchgeforstet hatte. Schneller kam hingegen Alexander Aljechin hinter die Prachtkombination im heutigen Rätsel der Sphinx. Nach nur kurzem Überlegen fand er mit Weiß die Siegesfolge. Übe auch du dich in Schnellmut, Wanderer!



SCHACH-SPHINX/05753: Ecken des Vergessens (SB)

Aljechin - Yates
London 1922

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Zehn Lenze zählte der kleine Tomarow, aber schlau war er bereits wie ein weises Greisenhaupt, und so fand er, ob nun simultan oder nicht, die Gewinnfolge 1...Lg4-f3+ 2.Kh1-h2 Dh4xh3+! 3.Sf4xh3 g5-g4 und der ungarische Meister Gereben war mehr als nur verblüfft über die Geistesreife seines jungen Gegenspielers.


Erstveröffentlichung am 07. März 2003

21. Februar 2016


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