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SCHACH-SPHINX/05789: Das ach so geplagte Hirn (SB)


Modelle sind immer und ausschließlich Abstraktionsversuche der Wirklichkeit, und irgendwann in der Geschichte der Menschheit war jemand auf den sonderbaren Einfall gekommen, man habe den Kopf nicht allein dazu da, um ihn auf den Schultern durch die Welt zu tragen, sondern auch zum Denken. Ja, das Denken ist unser liebster und zugleich bestgehütester Widerspruch. Und mögen sich die Zweifel an dieser Fähigkeit auch zu Bergen vor uns hochtürmen, nichts erschüttert diesen Glauben an das Gehirn. Man stelle sich vor, wozu dieser Klumpen weicher Substanz alles imstande sein soll. Als Steuerzentrale unzähliger Funktionsabläufe hält es den Organismus am Leben und den Kontakt mit der Außenwelt aufrecht. Immens! Und laut wissenschaftlicher Schätzung wissen wir auch, daß ihm dazu Milliarden von Nervenzellen als Dienst- und Laufboten zur Seite stehen. Schließlich ist der Haushalt, den es zu führen und zu dirigieren hat, nicht weniger kolossal. Da wären zunächst die 656 Muskeln zu nennen, über deren Erschlaffung und Verhärtung immerhin 205 Knochen und 100 Gelenke koordiniert werden müssen, ganz zu schweigen von den 100.000 Kilometer Blutbahnsystem und ungefähr vier Millionen Sinneszellen, die nicht minder versorgt sein wollen. Wie gut, daß es da die automatische Regulation vieler Organe gibt, ansonsten müßte das Gehirn längst den Leistungsbankrott anmelden. Trotz dessen hat es auch so genug zu tun. 25 Billionen roter und 2,5 Milliarden weißer Blutkörperchen wollen tagein, tagaus umsorgt, geführt und getröstet werden, wenn wieder einmal eine empfindliche Störung das ach so aufreibende Geschäft des Lenkens und Kontrollierens durcheinanderbringt. Jeder Topmanager wäre unter der Belastung zusammengebrochen. Fragt man sich da unwillkürlich nicht, wo das Gehirn die Zeit hernehmen soll für etwas so Müßiggängerisches wie Denken? Ob Meister Barcza eine Antwort wüßte? Schließlich fand er im heutigen Rätsel der Sphinx mit den weißen Steinen eine rechte Zertrümmerungskombination, um den schwarzen König aus der Ruhe zu bringen. Vielleicht hast du einen Einfall, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05789: Das ach so geplagte Hirn (SB)

Barcza - Keres
Tallin 1958

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Dilaram blieb ihrem persischen Prinzen erhalten. Ihr Ausruf brachte ihn wieder zur Vernunft und da sah er in der Tat den Rettungweg vor Augen: 1.Th4-h8+!! Kg8xh8 2.Sh2-g4+ Kh8-g8 3.Th1-h8+! Kg8xh8 4.g6-g7+ Kh8-g8 5.Sg4-h6#


Erstveröffentlichung am 12. April 2003

28. März 2016


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