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SCHACH-SPHINX/05954: Charme der Perfektion (SB)


Wenn eine Partie die Sinne fesselt, dem sonst stets mürrisch abwägenden Verstand ein Kopfnicken abtrotzt, wenn kein Makel den Spiegel der Bewunderung verzerrt, dann sagt man, die Partie habe den Charme der Perfektion. Die kritische Stellung wandert in die Gazetten oder Fachbücher und der siegreiche Spieler wird mit Lob überhäuft, allein der arme Wicht, dessen Konterfei nirgends auftaucht, der jedoch einen nicht unwesentlichen Part in dieser "Perfektion" gespielt hatte, wird von der Aufmerksamkeit übergangen. Nur die Kritiker fallen wie bluthungrige Wölfe über ihn her, bemängeln bald diesen, empfehlen bald jenen unterlassenen Zug. Unwillkürlich stutzt man und beginnt sich ernsthaft zu fragen, worin denn nun die so himmelhoch gelobte Perfektion besteht? Partien sind bekanntlich das Werk zweier Künstler, und nur der letzte Pinselstrich erzwingt, wer mit seinem Namen signieren darf. Gewiß, der Einfall der Kombination entspringt nur einem Kopf. Was aber, wenn der andere, der wie ein Missetäter an den Pranger gebunden wird, sich nur schlecht verteidigt hatte? Wäre der Sieger auch dann noch wie ein einsames Genie aufs Podest gestellt und von allen Seiten verehrt worden? Auch das Perfekte kommt ohne Schatten nicht aus. Im heutigen Rätsel, gespielt als Fernpartie in der 'Deutschen Schachzeitung', fand Meister Reinhardt mit den schwarzen Steinen eine grandiose Siegeskombination, hervorgerufen allerdings durch den makabren Witz eines positionswidrigen Zuges von Meister Mues. Wir wollen beides genießen, Wanderer, Lust und Wehe sind eins! Weiß hatte zuletzt 1.a2-a3 gespielt.



SCHACH-SPHINX/05954: Charme der Perfektion (SB)

Mues - Reinhardt
Fernpartie 1934

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Meister Lundin als Rosenkavalier, bestechend sein Charme und nicht minder verführerisch sein Lächeln in dieser Partie. Sein Kontrahent Euwe, der zuletzt 1.Dd7-d3 gezogen hatte, fiel jedenfalls nach 1...Sc6- e5! hintenüber, denn nun verbot sich 2.Sf3xe5 offensichtlich wegen 2...Tf7xf2! Daher mußte die Dame einen weiteren Zug verschenken. Nach 2.Dd3-c2 kam es dann Schlag auf Fall zum Finale: 2...Tf7xf3! 3.Le2xf3 Se5xf3+ 4.g2xf3 Df8xf3 5.Sc3-d5 Df3-g4+ 6.Kg1-h1 e6xd5 7.f2-f3 d5xc4 und Weiß gab auf.


Erstveröffentlichung am 22. September 2003

10. September 2016


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