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SCHACH-SPHINX/06132: Zwillingsniederlagen (SB)


Partien, die sich wie Zwillinge bis in die Haarwurzeln gleichen, waren früher ein Ding der Unmöglichkeit. Zwar bediente man sich in der Eröffnung derselben Strategien, doch spätestens ab dem zehnten, zwölften, dreizehnten Zug gingen die Meister eigene Wege. Kein Wunder, denn so etwas wie eine mit den Argusaugen der Analyse durchleuchtete Theorie gab es seinerzeit noch nicht. Heutzutage allerdings können Schachspieler mehr oder weniger vertrauensvoll bis zum zwanzigsten Zug oder länger den Buchpfaden folgen. Die Wahrscheinlichkeit, daß bei dieser Adaptation an vorgegebenen Wege identische Partie entstehen, steigt natürlich mit Umfang und Verbreitung der Theorie. So kam es beispielsweise 1983 im jugoslawischen Bor zwischen Inkjov und Djukiv und 1984 auf Sardinien zwischen Lanzani und Rogers zu einer Partie mit gleichem Wuchs und Aussehen. Der einzige Unterschied bestand darin, daß Weiß 1984 bereits beim 21. Zug in hoffnungsloser Lage aufgab, während sein Vorgänger die Niederlage um sieben Züge verzögert hatte. Interessanterweise stand auf dem Brett das Budapester Gambit, eine Eröffnung, die früher so gut wie gar nicht erforscht war, neuerdings jedoch schon abgegriffen scheint. Das heutige Rätsel der Sphinx zeigt die Stellung beim 17. Zug. Weiß hatte zuletzt h2-h4 gespielt. Also, Wanderer, wie wurden gleich zwei Meister auf dieselbe Weise überrascht?



SCHACH-SPHINX/06132: Zwillingsniederlagen (SB)

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Ossip Bernstein opferte fintenreich einen Turm mit 1.Te5xf5+!, um Jagd auf den schwarzen König machen zu können. Unter fortwährenden Mattdrohungen und Einbeziehung der Königsflügelbauern sicherte er sich so den Sieg: 1...g6xf5 2.De2xh5+ Kf7-g7 3.Te1-e8 Td6-h6 4.Dh5-g5+ Th6- g6 5.Dg5xf5 Td7-f7 6.Df5-e5+ Tg6-f6 7.Te8-e6 Db7-c8 8.h4-h5 Kg7-h7 9.De5-e4+ Kh7-h6 10.g3-g4 Dc8-c3+ 11.Kh3-h4 Kh6-g7 12.f4-f5 Dc3-d2 13.De4-e5 Dd2-f2+ 14.Kh4-g5 Df2-d2+ 15.Kg5-h4 Dd2-f2+ 16.Kh4-g5 Df2- d2+ 17.De5-f4 Dd2-c3 18.Kg5-h4 Dc3-a1 19.Df4-e3! Da1-h1+ 20.Kh4-g3 Dh1- a1 21.Te6-e8 Kg7-h7 22.g4-g5 Tf7-f8 23.Te8-e7+ Kh7-h8 24.g5xf6 Tf8xf6 25.Te7-c7 und Schwarz gab auf. Eine schachlich-advokatische Meisterleistung.


Erstveröffentlichung am 15. März 2004

7. März 2017


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