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SCHACH-SPHINX/06284: Bizarre Logik eines Vorwurfs (SB)


In der Turniersprache taucht hin und wieder der seltsame-skurrile Begriff der 'alten Eröffnung' auf. Der diskreditierende Charakter ist offensichtlich. Schließlich gibt es nur sehr wenige Eröffnungssysteme, die von sich behaupten können, nicht mehr als zwei oder drei Jahrzehnte auf dem Buckel zu haben. Viele, und insbesondere die Hauptspielarten, stammen noch aus dem Mittelalter, wie zum Beispiel das Damengambit, die Spanische Partie oder die Sizilianische Verteidigung. Zwar wurden sie im 19. Jahrhundert generalüberholt und mit neuen strategischen Ideen aufgepäppelt. Dennoch müßte man sie der bizarren Logik des Vorwurfs zufolge als alt, vielleicht auch als verbraucht, erstarrt, unattraktiv bezeichnen. Die Verwendung des Wortes 'alte Eröffnung' zielt jedoch auf etwas anderes. Durch ihn soll ausgedrückt werden, daß diese Eröffnung nicht mehr zeitgemäß ist und dem Gegner ein allzu leichtes Spiel gibt wie beispielsweise die Wiener Partie. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Zugfolge 1.e2-e4 e7-e5 2.Sb1-c3 vom Wiener Meister Hamppe eingehend analysiert. Viele berühmte Meister errangen mit ihr glänzende Erfolge. Sie ist in einigen Abspielen mit dem Königsgambit verwandt. Von der Jahrhundertwende an kam sie allerdings wie auch das Königsgambit aus der Mode. Andere strategische Zielsetzungen beherrschten das Turnierleben. Nun sind Modeströmungen jedoch beileibe kein Kriterium für den Wert einer Eröffnung, und die Bezeichnung 'alt' ist so ziemlich das dümmste Argument, das man sich vorstellen kann. Wie gut sich die Wiener Klinge führen läßt, bewies im heutigen Rätsel der Sphinx der norwegische Fernschachfreund Wibe, der seinen Kontrahent Minge bereits nach dem neunten Zug vor außerordentliche Probleme stellte und neun Züge später fulminant gewann. Also, Wanderer, Schwarz hatte zuletzt 8...h7-h6 gezogen.



SCHACH-SPHINX/06284: Bizarre Logik eines Vorwurfs (SB)

Wibe - Minge
Fernpartie 1980

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der Ausspruch Schellings auf die Partie Van den Berg-Donner angewendet, bedeutet: 1...Td8-d1+ 2.La6-f1 De7-d6! 3.Tg3-e3 Td1xf1+! 4.Kg1xf1 Lc6xg2+ und Weiß gab auf, da der Unterschied im Verlust der Dame durch keine Verschiedenheit ausgeglichen werden konnte.


Erstveröffentlichung am 12. August 2004

6. August 2017


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