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SCHACH-SPHINX/06370: Datenelektronischer Homunkulus (SB)


Die Menschen sind ein sonderbares Geschlecht. Kaum haben sie eine Erfindung gemacht, schon müssen sie sich damit messen, entweder im direkten Vergleich oder indem sie eine Erfindung gegen die andere setzen. Die Automobile hatten die Straßen noch nicht erobert, da lieferten sich die verschiedenen Modelle bereits Wettrennen. Bei den Schachcomputern ging es nicht anders zu. Ein früher leidenschaftlicher Prophet von Schachprogrammen war der Ex-Weltmeister Michail Botwinnik, der davon besessen war, menschliches Denkvermögen in ein künstliches Rechenhirn zu extrapolieren. Botwinnik war auf der Spur nach Gesetzesmäßigkeiten, die in organischen Nervenbahnen ebenso geltend sein müßten wie in den Elektronen-Autobahnen. Einen datenelektronischen Homunkulus konnte er allerdings nicht herzaubern. Michael Tal, wie Botwinnik ein sowjetischer Würdenträger, hatte ganz andere Probleme mit der Künstlichen Intelligenz. Anläßlich der Schacholympiade in Novi Sad 1990 trug er ein Match gegen das Münchener Programm 'Mephisto' aus und unterlag im Schnellschach mit 2:4. Um das verlorene Terrain der Ehre zurückzugewinnen, wurden anschließend zehn Blitzpartien gespielt. Schließlich hatte Tal zuvor die Blitzweltmeisterschaft gewonnen und dabei flinke Finger wie Garry Kasparow und Anatoli Karpow abgehängt. Indes, Mephisto zeigte sich auch dieser Bürde gewachsen. Das Blitzgewitter endete mit 5:5. Im heutigen Rätsel der Sphinx bewährte sich der kleine Mephisto auch gegen seine großen Verwandten. Auf der Nordamerikanischen Computermeisterschaft im November 1990 deklassierte er die Großrechner, darunter den Riesen 'M-Chess' und raubte ihm dessen Dame. Was versteht ein grober Klotz auch von Herzensdingen. Also, Wanderer, wie wurde die weiße Dame aus ihrem Harem entführt?



SCHACH-SPHINX/06370: Datenelektronischer Homunkulus (SB)

M-Chess - Mephisto
USA 1990

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Hätte sich Simagin etwas mehr Mühe gemacht, um die innere Kausalität der Stellung zu verstehen, nie hätte er 1...Db7-d7? gespielt. Hermann Heemsoth nutzte diesen Fehlzug wissenschaftlich aus, indem er mit 2.Sc3xe4! f5xe4 3.Tc1xc4 Sh5-f6 - 3...Tc8xc4 4.Dd2-d5+ Dd7-f7 5.Dd5xa8+ - 4.Lg2xe4 Dd7-f7 5.Tc4xc8+ Ta8xc8 6.Le4-c2! Df7-b7 7.Ld6-e5 Tc8-f8 8.Lc2-b3+ Kg8-h8 9.Dd2-d8! Sf6-e8 10.Le5xg7+ die Stellungskräfte zu seinen Gunsten kanalisierte. Simagin gab auf, da er nach 10...Kh8xg7 11.Td1-d7+ die Dame verloren hätte.


Erstveröffentlichung am 5. November 2004

31. Oktober 2017


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