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SCHACH-SPHINX/06595: Talent gegen Erfahrung (SB)


Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wäre es noch unvorstellbar gewesen, daß ein Großmeister im reifen Alter gegen einen Knaben Schach spielte. Der Gedanke schien einfach absurd zu sein, daß in einem jungen Hirn genügend Verständnis für das Königliche Spiel vorhanden war. Daher glich es einer Weltsensation, als Samuel Reschewsky im zarten Knabenalter Kombinationen auf dem Brett hinzauberte, die eigentlich nur dem gestandenen Großmeisterverstand hätten entspringen können. Das Zeitalter der Wunderkinder hatte damit seinen Anfang genommen. Heutzutage überrascht es niemanden mehr, wenn auf einem hochkarätigen Turnier unter all den Weltklassespielern auch ein Grünschnabel sitzt und sogar Partien gewinnt gegen "ältere Semester". Plötzlich mußten sich die ergrauten Häupter vor dem Ungestüm der jungen Draufgänger in acht nehmen. Beispielsweise in Dortmund 1994, wo der 14jährige Peter Leko gegen den 63jährigen Viktor Kortschnoh antrat. Was würde die Oberhand gewinnen, Talent oder Erfahrung? Viktor Kortschnoj zeigte sich von den sogenannten Wunderkindern jedoch unbeeindruckt: "Die glauben, daß sie gegen einen Opa spielen, der sofort umfällt. Und plötzlich kann Opa fünf Stunden spielen und diese Grünschnäbel an die Wand drücken. Peter Leko war dieser Meinung in Dortmund. Er spielt 1.e2-e4, ich 1...c7-c5, eine sizilianische Eröffnung. Er dachte, aha, sehr modern, der Alte, aber ich schlage ihn trotzdem. Es war umgekehrt. Jetzt hat er mehr Achtung, und nach vier, fünf Partien wird er noch mehr Achtung haben." In der Tat hatte der 14jährige in Dortmund eine sehr scharfe Gangart gewählt, schließlich gar mit einem Opfer, das jedoch inkorrekt war, folgende Stellung im heutigen Rätsel der Sphinx herbeigeführt. Kortschnoj war am Zuge und bewies, daß sich seine Furcht vor Wunderkindern in Grenzen hielt. Also, Wanderer, wie widerlegte das alte Schlachtroß Kortschnoj den sich wild gebärenden jungen Ungarn?



SCHACH-SPHINX/06595: Talent gegen Erfahrung (SB)

Leko - Kortschnoj
Dortmund 1994

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Eigentlich dürften im WM-Zyklus nach 1...Db5-c4 so klassische Opferkombinationen wie 2.Lf5xh7+! nicht vorkommen, zumal beide Spieler sich zuvor bis an die äußersten Grenzen vorbereitet hatten. Aber die Wirklichkeit sieht oftmals anders aus, und so errang Boris Gelfand nach 2...Kg8xh7 3.Df4-f5+ Kh7-g8 4.Ta3-h3 Tf8-e8 5.Df5-h7+ Kg8-f8 6.Dh7-h8+ Kf8-e7 7.Dh8xg7 d5-d4 8.e5-e6 Ke7-d6 9.e6-e7 Td8-d7 10.Dg7- e5+ Kd6-c6 11.Th3-h6+ Kc6-b7 12.De5-a5! Td7xe7 13.Te1xe7+ Te8xe7 14.Da5-b6+ einen überraschend leichten Sieg über seinen Kontrahenten Wladimir Kramnik.


Erstveröffentlichung am 17. Juni 2005

14. Juni 2018


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