Kompromißlosigkeit zeichnet die meisten Partien des deutschen Großmeisters Eric Lobron aus. Er liebt den Kampf, meidet ruhige Geplänkel und fürchtet sich auch vor großen Namen nicht. Es gehört schon eine Menge Selbstvertrauen dazu, beispielsweise einem Anatoli Karpow die Friedenspfeife sprichwörtlich aus der Hand zu schlagen und weiterzuspielen. Aber der Wiesbadener ist kein Freund des seichten Arrangements. Und auch wenn er sich selbst häufig in seinen Möglichkeiten überschätzt und das Geschehen auf dem Brett ins Unübersichtliche verkompliziert, bis auch er den Faden verliert, so bleibt er sich doch treu in seinen Grundsätzen. Schach ist für ihn ein Abenteuer, so könnte man es übertiteln. Eine geringe Beständigkeit in seinen Leistungen verhinderte, daß er mit an der Spitze spielte. So geht es vielen Angriffsspielern. Sie wollen stets mehr erreichen, als eine Partie hergibt. Dann flirten sie mit den Unmöglichkeiten, und nicht immer wird dieser Wagemut belohnt. Im heutigen Rätsel der Sphinx allerdings war die Göttin Caissa dem Angriffsspiel Eric Lobrons wohlgesonnen. Er hatte beim Mitropa-Cup-Wettbewerb gegen seinen französischen Kontrahenten Kouatly früh im Eröffnungsstadium eine Figur geopfert. Sehr riskant und wohl auch nicht ganz astrein, aber in den Verwicklungen behielt Lobron schließlich doch die Oberhand und konnte die Partie mit einer sehenswerten Opfersinfonie beenden. Also, Wanderer, Lobron führte die schwarzen Figuren: Mit welchem Zug warf er den Blitz in die Stellung?
Kouatly - Lobron
Rovinj 1980
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Es gab für Richard Réti nach 1...Te8-e3! einen Weg vom Abgrund weg,
nämlich mit 2.Lh1-f3! Lg4xf3 3.e2xf3. Sogar ein zweiter Weg war
denkbar mit 2.Kg1-h2 Ta8-a3! 3.Sc5-b3, wenngleich Alexander Aljechin
hier noch genügend freie Angriffswut hätte bewahren können. Es ist für
Schachmeister indes während einer Partie nicht leicht, dem
Schwindelerregenden zu trotzen.
Erstveröffentlichung am 7. Oktober 2005
6. Oktober 2018
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