SCHACH-SPHINX/06784: Monstrosität des Unüberschaubaren (SB)

Wer gegen Michail Tal spielte, mußte mit zweierlei fertig werden, zunächst mit seiner grausam unerschöpflichen Kombinationswut. Kaum eine Partie, in der diese Gefahr nicht drohend über dem Brett schwebte. Tal war in diesem Sinne fast schon exzentrisch zu nennen. Gewöhnliche Opferwendungen finden, die zu klarem Vorteil führen, konnte jeder, aber nur Tal verstand es auf solch unnachahmliche Weise, den Hexenkessel zum Überkochen zu bringen. Plötzlich sahen seine Kontrahenten eine Komplexität auf sich zurollen, die sich wie ein Bann über sie legte. Und das war der zweite Umstand, den sie bewältigen mußten: die eigene Schreckhaftigkeit gegenüber dieser Montrosität an Unüberschaubarem. Tal selbst fürchtete sie nicht, hier war er zu Hause, hier fühlte er sich pudelwohl. Im heutigen Rätsel der Sphinx hatte er mit seinem letzten Zug 1.Ld4-b6! den tolldreisten Reigen eröffnet. Sein Landsmann Liavdansky war wie gelähmt und erwiderte im begreiflichen Wunsch, gegen den Kombinationszauberer zu vereinfachen, 1...Ld6-f4, kam jedoch nach 2.Dh6xf4 Td8xd2 3.Df4xd2 Db7xb6 4.e6-e7! Tf8-e8 5.Sc3-d5 Lc6xd5 6.Dd2xd5+ Kg8-g7 7.Th4xh7+! unter die Räder. Nun, Wanderer, wie hätte wohl Tal mit den schwarzen Steinen gespielt?

Tal - Liavdansky
Kiew 1964

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Und Petrosjan zog den Ring erbarmungslos um die schwarze Stellung zusammen: 1.Kg7-f7 Th1-a1 2.Tc6-e6 Le7-d8 3.Te6-d6+ Kd7-c8 4.Kf7-e8 Ld8-c7 5.Td6-c6 Ta1-d1 - 5...Ta1xa4 6.Se4-c3 nebst 7.Sc3-d5 - 6.Se4-g5 Td1-d8+ 7.Ke8-f7 Td8-d7+ 8.Kf7-g8 und Botwinnik gab sich geschlagen, denn den Verlust seiner Königsflügelbauern kann er nicht mehr verhindern.

Erstveröffentlichung am 23. Dezember 2005

22. Dezember 2018

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