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REZENSION/032: Thomas Mack - Wege zu raschem Gewinn (SB)


Thomas Mack


Wege zu raschem Gewinn

Ein komplettes Eröffnungsrepertoire




Buchcover: Wege zu raschem Gewinn - © by Joachim Beyer Verlag

Buchcover: © by Joachim Beyer Verlag

Datenbanken sind eine geistreiche Erfindung des Menschen gewesen, um strukturelle Informationen und Daten zu organisieren bzw. Wissenssammlungen zusammenzutragen. Über eine elektronische Verwaltung ermöglicht dies einen schnellen, systematischen und stringenten Zugriff auf große Datenmengen. Im Schach bedeutete dies einen gewaltigen Schritt nach vorne, konnten so doch eine Unzahl von Partien, Stellungsanalysen und Kompositionen gespeichert und auf einfachem Wege zugriffsbereit zur Verfügung gestellt werden. Für die Vorbereitung auf eine Turnierpartie oder einen speziellen Gegner ist dieses Werkzeug heutzutage fast unerlässlich geworden.

Thomas Mack griff dieses Potential in abgewandelter Form auf und sichtete auf der Basis seiner eigenen langjährigen Turnierpraxis die am meisten gespielten Varianten auf die am häufigsten vorkommenden Fehlzüge. Mit der Gliederung nach Eröffnungssystemen war auch schon ein neues Buch auf dem Markt mit dem vielverheißenden Titel 'Wege zu raschem Gewinn'.

Der Gedanke dazu ist verblüffend einfach, und seine Zielgruppe - Klubspieler unter Elo 2000 - dürfte leicht anzusprechen sein. In dieser Sektion ist der Wunsch immanent, möglichst viele Siegpunkte auf Einzel- oder Mannschaftswettkämpfen zu erringen, um in der Klubhierarchie aufzusteigen und sein Ranking konkurrenzstark zu verbessern.

Nicht zufällig finden sich in der Einleitung die Worte: "Letztlich ist es das Ziel aller empfohlenen Varianten, dem Gegner Gelegenheit zu einem schwachen Zug zu geben" (S. 11). Diese Motte wird noch wie eine Kerzenlicht anziehende Aussicht durch die Reklame im Klappentext erhöht, dass die weitaus meisten dieser Varianten "nicht in den gängigen Fallensammlungen enthalten" sind.

Aber gemach: Was wird aus einem Schachspieler, der den Empfehlungen dieses Buches folgt? Kaum mehr als ein Lauerer und Wegelagerer, denn zu nichts anderem stiftet der Autor den Leser an. Wähle Eröffnungen und Varianten, die per se aggressiv sind und eine Fülle an Fehlzügen aufweisen. Dann schlage zu und vernichte deinen Gegner. An strategischer Stärke und Weitsicht gewinnt man nichts hinzu, bestenfalls kann man mit einem gewissen taktischen Vermögen und Gedächtnis seine Gegner überfallartig überraschen.

Das Ganze hat natürlich, wie sollte es bei Reklameversprechen auch anders sein, einen sprichwörtlichen Pferdefuß. Denn kennt der andere dieses Buch auch und die darin auf 172 Seiten versteckten Fallen, begegnen sich auf dem Brett zwei Netzspinnen, die die illustren Fehlzüge vermeiden und schließlich doch auf ihr eigenes, notdürftig entwickeltes Verständnis vom Schachspiel zurückgreifen müssen.

Der unmissverständliche Nutzen dieses Buches läge dann darin, dass beide Spieler am Brettrand seinen Inhalt kennen und partout nicht so spielen wie jeweils erhofft, also keine falschen Züge nach dem Buche spielen. In diesem Sinne erfüllt es mit seiner angebotenen und sicherlich gut recherchierten Systematik den Zweck, den stärkere Spieler indes längst hinter sich gebracht haben, nämlich, gutes und fehlerfreies Schach in der Eröffnung zu spielen.

Ein Wort noch zum Verfasser: In seinem Beruf als Versicherungsmathematiker hat er es mit Statistiken und Kalkulationen zu tun, also dem Abschätzen und Berechnen davon, unter welchem Preis ein Risiko für sein Gewerbe noch lukrativ zu tragen ist. So gesehen macht es Sinn, im Vorwege zu einer Partie möglichst alle Risiken für einen selbst kleinzuhalten und nur so auf dem Brett zu agieren, dass man am Ende nicht zuzahlt.

Das Schach ist aus einem edleren Stoffe gemacht. Es verbindet Kreativität mit einem Ziel in der Zukunft. Aus vergangenen Partien eine knappe Auswahl an Varianten und Zügen zu treffen, bei denen man sicher sein kann, dass der Fehler auf der anderen Seite liegt, verliert zwar wenig Partien, aber die Siege wären dann so etwas wie Second Hand, versehen mit einem abgelaufenen Verfallsdatum.

Das Schach ist aus einem edleren Stoffe gemacht. Es verbindet Kreativität mit einem Ziel in der Zukunft. Wer aus vergangenen Partien eine knappe Auswahl an Varianten und Zügen trifft, bei denen man sicher sein kann, dass der Fehler auf der anderen Seite liegt, verliert zwar wenig Partien, aber die Siege wären dann so etwas wie Second Hand, versehen mit einem abgelaufenen Verfallsdatum.

Aus Fehlern zu lernen, ob nun die eigenen oder die der anderen, ist löblich, zugleich aber auch kleinkariertes Kramen in verstaubten Truhen. Schach hat insofern etwas Mutiges an sich, als man die Furcht zügelt, man könnte verlieren. Andernfalls bleibt man ein Gefangener seiner eigenen Verzagtheit.

8. Dezember 2024


Thomas Mack
Wege zu raschem Gewinn
Ein komplettes Eröffnungsrepertoire
Joachim Beyer Verlag 2024
172 Seiten
ISBN 978-3-95920-212-1


veröffentlicht in der Schattenblick-Druckausgabe Nr. 182 vom 21. Dezember 2024


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