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BUCHTIP/137: Mehr als eine Fußnote der Religionspädagogik (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 27.08.2007

Mehr als eine Fußnote der Religionspädagogik

Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena legen Band zu Gerhard Bohne vor


Jena (27.08.07) Kann Religionsunterricht Bestandteil eines modernen Schulsystems sein? Diese Frage erhitzt immer wieder und ganz aktuell die Gemüter. Schon in den 1920er Jahren setzte sich der evangelische Theologe und Pädagoge Gerhard Bohne (1895-1977) damit auseinander. Überhaupt war das Verhältnis von Theologie und Pädagogik, von christlicher Religion und säkularisierter Kultur sein zentrales Thema. Insbesondere seine Texte aus der Zeit der Weimarer Republik würden die heftigen weltanschaulichen Auseinandersetzungen widerspiegeln, die damals auf dem Gebiet von Schule und Religion ausgetragen wurden, schätzt Prof. Dr. Michael Wermke von der Friedrich-Schiller-Universität Jena ein.

Der Religionspädagoge nahm sich gemeinsam mit seinem Mitarbeiter, Diplom-Theologe David Käbisch, eben dieser Texte an. "Gerhard Bohne: Religionspädagogik als Kulturkritik" ist der Titel des jetzt in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig erschienenen Bandes. Er ist das Ergebnis intensiver Quellenstudien zur Geschichte der Religionspädagogik der 1920er Jahre und der Suche nach Antworten auf die Frage, wie Menschen mit Brüchen umgehen, die die politischen Systemwechsel im 20. Jahrhundert mit sich brachten - in diesem Fall der Übergang von der Kaiserzeit zur Weimarer Republik und von dieser zum Dritten Reich.

Basierend auf Bohnes Texten haben die Jenaer Wissenschaftler ein spannendes Buch über Religionspädagogik im Spannungsfeld zwischen intentional-erzieherischem Handeln des Menschen und den unverfügbaren Aspekten religiöser Erziehung vorgelegt. Dafür griffen sie vor allem auf kleinere Texte zurück, darunter literarische Selbstzeugnisse, Rezensionen von Belletristik und Fachliteratur, Vorträge und Aufsätze, private Aufzeichnungen und Briefe. "Dabei handelt es sich vielfach um bislang unveröffentlichte Quellen teils aus dem Nachlass Bohnes", sagt Wermke. Sie würden die allmählich wachsende Einsicht Gerhard Bohnes "in das Ende einer christlichen Kultur- und Bildungseinheit" veranschaulichen. Sie habe ihn zu einer religionspädagogischen Konzeption geführt, die aufgrund ihrer Gesellschaftsanalyse noch heute Gehör verdiene. Danach müsse der Religionsunterricht den Schüler gezielt in die Wertkonflikte und Krisen des Lebens hineinstellen, damit er diese realistisch wahrnehmen und im Licht des Evangeliums ertragen könne. Als Vertreter dieser Konzeption sei Bohne, der u. a. als Studienrat in Jena wirkte, ein Protagonist einer modernen Religionspädagogik in Thüringen gewesen.

Jenseits nackter Theorie geht die sorgfältig kommentierte Edition in der Einleitung den Weg, die wissenschaftlichen Erkenntnisse Bohnes anhand umfangreichen Archivmaterials in ihrem gesellschaftlichen und biografischen Kontext zu lesen - darunter sein Verhältnis zum Weimarer Vielparteienstaat und zum Nationalsozialismus. Der von Käbisch und Wermke vorgelegte Band veranschaulicht aber auch die wachsende Distanz zur Kulturtheorie seines Lehrers Eduard Spranger (1882-1963), thematisiert sein politisches Engagement für eine christliche Schule in Thüringen und seine sich wandelnde Deutung der Moderne. Letztere habe ihren nachhaltigsten Niederschlag in der 1929 erschienenen Monographie "Das Wort Gottes und der Unterricht" gefunden, macht Prof. Wermke deutlich.

Gerhard Bohne habe Probleme thematisiert, die in der aktuellen Diskussion wiederkehren würden, betont der Wissenschaftler. Deshalb sei die Auseinandersetzung mit dem Theologen und Pädagogen "mehr als ein Kapitel in der Geschichte der Religionspädagogik". Mit der Kommentierung der Originaltexte, dem umfassenden Quellen- und Literaturverzeichnis sowie dem Personen- und Sachregister wird der Band zu einem wichtigen Hilfsmittel für die weitere historische Bildungsforschung und die systematische Erschließung einer nach wie vor beachtenswerten religionspädagogischen Theorie.

Gerhard Bohne:
Religionspädagogik als Kulturkritik.
Texte aus der Weimarer Republik,
eingeleitet, herausgegeben und kommentiert von
David Käbisch und Michael Wermke
Evangelische Verlagsanstalt GmbH, Leipzig 2007
416 Seiten, Paperback, 38 Euro, ISBN 978-3-374-02487-2

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Uschi Lenk, 27.08.2007
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. August 2007