Schattenblick → INFOPOOL → SOZIALWISSENSCHAFTEN → PÄDAGOGIK


SCHULE/476: Digital souveräne Pädagogen? (TU Dresden)


Dresdner Universitätsjournal Nr. 13 vom 6. September 2016

Digital souveräne Pädagogen?
Viele Absolventen des Lehramtsstudiums der TUD sind offenbar ungenügend auf die digitale Bildung in den Schulen vorbereitet

Von Sven Hofmann und Peter Arnold


"In zwanzig Jahren wird etwa jeder zweite Arbeitsplatz der Digitalisierung zum Opfer gefallen sein!" Mit dieser These initiierten 2013 Michael Osborne und Carl Frey von der Universität Oxford auch in Europa eine Reihe von noch immer geführten Diskussionen zur zukünftigen Arbeitswelt. Viele der wegfallenden Jobs werden von stärker durch Digitalisierung geprägten Arbeitsfeldern abgelöst werden. Dieser Strukturwandel auf dem europäischen Arbeitsmarkt wird schon heute immer deutlicher sichtbar.

Kinder, die im Jahr 2016 eingeschult werden, erwartet nach Abschluss ihrer Schulausbildung ein völlig neues, auf Digitalisierung basierendes Berufsspektrum. Stephan Noller kommt in seinem Gastbeitrag der ZEIT ONLINE (2016) zu dem Schluss: "Wenn uns die Zukunft unserer Kinder wirklich am Herzen liegt uns wir uns wünschen, dass sie später einmal gut im Berufsleben zurechtkommen, dann müssen wir jetzt dafür sorgen, dass sie souverän mit digitaler Technologie umgehen können. Ein Medienführerschein wird nicht reichen."

Können das unsere Schulen in Deutschland leisten? Oder noch genauer - können unsere Lehrer an den Schulen diesen Anforderungen gerecht werden?

In den Kernforderungen für den 4. Nationalen MINT-Gipfel 2016 in Berlin wird neben "Pflichtzeit" und entsprechenden Konzepten für Digitale Bildung auch die Entwicklung von entsprechenden Lehrerbildungsstandards gefordert, die dann in allen lehrerbildenden Institutionen umsetzungsorientiert zu verankern sind. Das Nationale MINT-Forum als Urheber fordert hierbei noch einmal dezidiert auf, durch bedarfsorientierte Aus- und Weiterbildung die digitale Spaltung der Gesellschaft zu vermeiden.

Saskia Esken (MdB) wird von der Initiative D21 mit den Worten zitiert: "Für den Bildungsauftrag einer digitalen Selbstständigkeit und zukunftsfähigen Medienkompetenz braucht es neben einer sächlichen Ausstattung der Bildungseinrichtungen zunächst digital souveräne Pädagogen."

Die dazu nötigen Rahmenbedingungen (Breitband-Internetzugänge, Ausstattung mit mobilen Endgeräten, leistungsfähige Supportdienste für die schulische Infrastruktur) sind im Beschluss zur Medienbildung der Kultusministerkonferenz 2012 definiert worden. Jetzt steht die inhaltlich nachhaltige Etablierung der Digitalen Bildung in der Schule im Fokus. In einer Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE an die Sächsische Staatsregierung im März 2016 wurde u.a. die Frage erhoben, warum es noch immer keine verpflichtende Integration der Medienkompetenzen in der Lehrerausbildung gibt.

Die Antworten auf diese Frage sind unbefriedigend und konkrete Aussagen dazu, wie verbindlich diese Inhalte tatsächlich in die Lehramtsausbildung integriert sind, stehen weiterhin aus. Für die TUD stellt sich die Frage: Können wir garantieren, dass jeder Absolvent eines Lehramtsstudiums über eine fundierte Ausbildung in Sachen Digitaler Bildung verfügt? Um dies bejahen zu können bedarf es einer allgemeinen Verbindlichkeit für die mediendidaktische Ausbildung in der ersten Phase der Lehrerausbildung, die an der TUD noch immer nicht vorliegt. Eine vergleichbare Regelung existiert beispielsweise für die Sprecherziehung, die per Lehramtsprüfungsordnung verbindlicher Bestandteil aller Lehramtsstudiengänge mit staatlichem Abschluss ist.

Als Technische Universität sollte man den Anspruch erheben, nur solche Studenten in die zweite Phase der Lehrerausbildung zu entlassen, die einen Kurs zur Didaktik der Bildung mit digitalen Medien belegt und dabei ihre Kompetenz nachgewiesen haben, digitale Medien als Lernmittel in der Schule didaktisch sinnvoll einzusetzen sowie deren Potenziale im Unterrichtsprozess auszuschöpfen.

Angebote zur mediendidaktischen Ausbildung aller Lehramtsstudenten unabhängig von Schulart und Fachkombination existieren bereits seit Jahren. Inzwischen sind beispielsweise die Kurse "Computer und Medien in der Schule" sowie "Interaktive Medien in der Schule" im Ergänzungskatalog der TUD fest etabliert. Die Kurslehrer legen Wert darauf, alle Inhalte der Vorlesungen und Übungen an konkrete Beispielszenarien und häufig auftretende Problemsituationen aus den Schulen zu knüpfen. Dies hebt die Kurse deutlich von ebenfalls angebotenen Tutorien zur Nutzung interaktiver Tafeln, typischen Anwendungsschulungen sowie der Vermittlung medienpädagogischen Grundlagenwissens ab. Beide Kurse werden von der Fachdidaktik Informatik durchgeführt und ergeben bei erfolgreichem Abschluss drei Leistungspunkte oder ein Zertifikat. Berichten von Absolventen zufolge wird gerade letzteres von Personalverwaltungen und Schulleitern gern in der Bewerbungsmappe gesehen. Die Kurse erstrecken sich über jeweils ein Semester und umfassen eine vierzehntägliche Vorlesung sowie eine wöchentliche Übung. Das detaillierte Ausbildungsprogramm ist in den gleichnamigen OPAL-Kursen zu finden; dort können sich Lehramtsstudenten in jedem Semester direkt einschreiben.

Aktuell wird in der Arbeitsgruppe "Didaktik der Informatik/Lehrerbildung" an der Ausgestaltung eines dritten Kurses "Webbasiertes Lernen in der Schule" gearbeitet, der zunächst mit Lehrern aus den Schulen erprobt und voraussichtlich ab Sommersemester 2017 auch den Lehramtsstudenten angeboten wird. Die Wahl dieser Kursthematik ist u.a. ein Ergebnis der Befragung von Teilnehmern an den beiden etablierten Kursen. Sie trägt den Wünschen der Lehrer sowie der Tatsache Rechnung, dass Lernplattformen wie Moodle oder OPAL-Schule an den sächsischen Schulen zunehmend Verwendung finden. Dieser dritte Kurs basiert auf einem Blended-Learning-Konzept und vertieft Inhalte der existierenden Kurse, in denen Themen wie Lernplattformen, Web2.0-Anwendungen u.a. bereits angesprochen werden.

Seit dem Start des ersten Kurses zu "Computer und Medien in der Schule" haben mehr als 350 Studenten der TUD die Kursangebote wahrgenommen. Gemessen an der Gesamtzahl aller Lehramtsstudenten ist dies erst als Anfang für die stete Verortung der Digitalen Medienbildung im Lehramt zu sehen. Es sind noch zahlreiche Fragen zur Organisation sowie personeller und materieller Absicherung zu klären. Auch die Einsicht aller an der Lehramtsausbildung Beteiligten in die Notwendigkeit einer verbindlichen Regelung zur mediendidaktischen Bildung ist erst noch zu verfestigen. Solange es möglich ist, das Thema "Digitale Bildung in der Schule" bewusst abzuwählen und durch andere Ergänzungsangebote zur ersetzen, müssen wir uns den Vorwurf seitens der Schul- und Fachleitungen gefallen lassen, unsere Absolventen ungenügend auf die Anforderungen an "digital souveräne Pädagogen" vorbereitet zu haben.

Die TUD-Mediendidaktiker werden sich weiter aktiv engagieren, um in absehbarer Zeit verkünden zu können: Alle Lehramtsabsolventen der TUD verfügen über stabile Lehr- und Medienkompetenzen für den didaktisch sinnvollen Umgang mit digitalen Medien in der Schule. Ewiger Wunschtraum oder bald Realität?

Weitere Informationen:
https://dil.inf.tu-dresden.de/lehre/ergaenzungsstudien-la-anderer-fakultaeten/

*

Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 27. Jg., Nr. 13 vom 06.09.2016, S. 5
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
Nöthnitzer Str. 43, 01187 Dresden
Telefon: 0351/463-328 82
Telefax: 0351/463-371 65
E-Mail: uj@tu-dresden.de
Internet: www.dresdner-universitaetsjournal.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. September 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang