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RATGEBER/040: Papa mobil - Väter in der Erziehung (welt der frau)


welt der frau 3/2008 - Die österreichische Frauenzeitschrift

Papa mobil
Wie kaum jemals zuvor werden Väter heute in der Erziehung ihrer Kinder gefordert.
Worauf kommt es ihnen dabei an und was lernen sie selbst?

Von Christine Haiden


Im Patchwork bestehen

Franz Fischlhammer ist Vater von drei Söhnen. Die 13-jährigen Zwillinge Andreas und Christoph leben seit acht Jahren bei ihm, der sechsjährige Raphael lebt getrennt von ihm bei der Mutter.

"Ich habe zwei große, gesunde Kinder, mit denen ich überall hingehen kann und für die ich mich nicht schämen muss, weil sie so freundlich grüßen. Das macht mich schon stolz." Franz Fischlhammer ist so etwas wie ein Vater wider Willen. Die Mutter der Zwillinge war eine "Monatsbekanntschaft", wie er es ausdrückt. Als er mit seiner möglichen Vaterschaft konfrontiert wurde, blieb er vorsichtig. Nach Dienstschluss besuchte er die Buben immer wieder, echte Vatergefühle sparte er aber auf. Erst nach eineinhalb Jahren brachte ein Vaterschaftstest die Gewissheit: Es sind seine Söhne. Seither trägt der Maschinenschlosser für sie Verantwortung, seit acht Jahren sogar mit alleinigem Sorgerecht. Die Mutter der Kinder bot es ihm an, als sie eine schwierige Lebensphase durchmachte. Franz Fischlhammer bekam die Kinder zuerst auf Probe, schließlich auf Dauer. Dennoch folgte ein drei Jahre dauernder Sorgerechtsstreit, als er von der Mutter der Kinder Alimente forderte. Die Lage war kompliziert, denn in der Zwischenzeit hatte Fischlhammer mit seiner neuen Lebensgefährtin ein weiteres Kind bekommen. In dieser Konstellation kamen die Zwillinge ins Hintertreffen. Um das Sorgerecht für die beiden größeren Buben behalten zu können, trennte sich Fischlhammer von seiner Lebensgefährtin. Den gemeinsamen Sohn Raphael sieht er nun nur mehr alle zwei Wochen. Stolz ist er trotzdem auf den Buben. Es gefällt ihm, wenn der zu ihm sagt: "Cool ist es bei dir, Papa." Seit gut zwei Jahren lebt Franz Fischlhammer mit einer neuen Lebensgefährtin, die zwei fast erwachsene Kinder hat. Wenn deren Mamawochenende mit dem Papawochenende von Fischlhammers Sohn Raphael zusammenfällt, füllt sich die Mansardenwohnung der Familie mit fünf Kindern. "Ein Kommen und Gehen, das ist Patchworkfamilie", meint Fischlhammer nicht ohne seufzenden Unterton. Man brauche doch einiges an Flexibilität, lerne aber auch verschiedene Erziehungsstile kennen. "Erziehung ist nie ganz falsch und nie ganz richtig", ist sein Schluss. Selbst wenn er an den Erziehungsstilen der Mütter seiner Söhne einiges auszusetzen hat. Worauf es ihm ankommt? "Konsequenz und halbwegs klare Richtlinien." Die Buben sollen regelmäßig essen und schlafen, sollen genügend Zeit für Freunde haben und lernen, pünktlich zu sein. Vatergefühle hegt Franz Fischlhammer allerdings nur für seine leiblichen Kinder, für die Kinder seiner Lebensgefährtin "bin ich der Franzi".

Wenn es zu Konflikten in der Großfamilie kommt, setzt Fischlhammer auf "die Kraft aus der Ruhe", ein Mittel, das sich zu den Zeiten, als er mit den Kindern alleine war, besonders bewährte. Er musste früher am Arbeitsplatz sein, als der Hort in der Früh aufsperrte, und brauchte dringend Unterstützung, wenn ein Kind krank wurde oder plötzlich schulfrei war. Dazu kamen Haushalt, Wäsche, Kochen, Hausumbau. Alleinerziehende Väter erleben nichts anderes als das mütterliche Pendant.


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Eigene Werte vermitteln

Karl Glaser ist Vater von zwei erwachsenen Kindern, Sohn Markus ist 29 und Tochter Barbara 26.

"Das Vatersein beginnt bereits in dem Moment, in dem man sich in eine Frau verliebt und überlegt, ob sie Mutter deiner Kinder werden könnte", erzählt der Lehrer Karl Glaser, der seine Frau Gerda 1974 geheiratet hat. Die Kinder kamen, als das gemeinsame Haus im Innviertel fertig war. Für die Definition seiner Vaterrolle ging Karl Glaser zuerst nach dem Prinzip der Negativabgrenzung vor. All das, was er als Zögling in einem Internat während seiner Hauptschulzeit an Unangenehmem erlebt hatte, wollte er seinen Kindern ersparen: keine Bloßstellung, keine Demütigung, keine Ohrfeigen. Aber auch positiv, fiel ihm etwas ein: "Das Wichtigste in der Erziehung war für uns, dass die Kinder lernen dass sie Teil der Gesellschaft sind." Diese Maxime, meint er, sei leichter zu vermitteln, wenn Vater und Mutter gleichermaßen für die Kinder da sind. Deswegen verstand sich Karl Glaser von Anfang an als "Miterzieher". Selbstverständlich habe er alles getan, was bei der Pflege der Säuglinge angefallen ist. Auf besonders viel Verständnis der älteren Generation konnte er damals in den 1980er-Jahren noch nicht zählen. "Da wurde sofort gemunkelt: Schafft denn das die Frau alleine nicht?"

Karl Glasers Familienzeit war immer knapp bemessen. Er gründete und leitete mehrere Chöre und eine Theaterspielgruppe, war in der Ortspolitik und in Vereinen aktiv und im Volksbildungswerk mit Veranstaltungen ausgelastet. Wo immer es ging, wurden die Kinder mitgenommen. Schon als Säuglinge lauschten sie den Eltern am Kirchenchor, als Kleinkind lernte Sohn Markus das Schreiben, indem er seinem Vater beim Ausfertigen von Plakaten zuschaute. "Sie haben gelernt, wie wichtig es ist, sich in die Gemeinschaft einzubringen." Sohn Markus engagiert sich in einer Studentenverbindung, Tochter Barbara spielt in der Blasmusik, beide singen in Chören.

"Das Schönste an der Erziehung ist, wenn man eigene Werte in der nächsten Generation wiedererkennt", sagt Karl Glaser. Wobei es sich durchaus lohne, das, was einen geprägt hat und womit man die Kinder prägt, kritisch zu hinterfragen. "Ich war sicher durch die langen Jahre im Internat zu hartgesotten. Da musste meine Frau oft ausgleichen." Im Nachhinein meint Karl Glaser, gelegentlich zu dominant gewesen zu sein, was ihm heute leidtut.

Der sorgende Teil im Vater war besonders im Erwachsenwerden seiner Tochter einigen Strapazen ausgesetzt. "Ich habe immer gefürchtet, dass sie in Kreise gerät, die wir nicht mehr kontrollieren können." Zum Wochenende wuchs ab Mitternacht die väterliche Ungeduld gegenüber der noch nicht heimgekehrten Tochter, während die Mutter noch ganz ruhig blieb oder der Tochter sogar das längere Ausbleiben erlaubt hatte.

Karl Glaser hat sich in allem, was er tat und tut, die Latte hoch gelegt. Umso wichtiger sei, dass die Kinder sehen, "dass auch ich Fehler habe". Auf dieser Basis habe man die elternkritischen Zeiten der Pubertät gut überstanden, "weil wir unsere Kinder ja von klein auf an unseren Fehlern und Mängeln teilhaben ließen".

Sein Rat an junge Väter: "Stehen Sie zu den Werten, die Sie selbst haben, und meinen Sie nicht, Werte anderer übernehmen zu müssen. Kinder merken sofort, wenn einer etwas sagt, das er selbst nicht lebt." Erziehung, meint der Pädagoge, sei auch ein Versuch. Da sei vieles möglich, solange es nicht bedrohlich wird.


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Trösten, schauen, leben.

Mag. Helmut Eder ist Vater von drei Töchtern, acht, sechs und vier Jahre alt. Seit drei Jahren ist er zuerst karenziert und jetzt teilzeitberufstätig hauptverantwortlich für die Kinder, seine Frau ist vollzeitberufstätig.

Wirklich hart, erinnert sich Helmut Eder, waren die ersten zwei Monate im Sommer 2004, als seine Frau wieder voll in den Beruf einstieg und er von einem Tag auf den anderen mit den drei kleinen Mädchen alleine zu Hause war. "Zuerst stellte ich mir das wie ein Jungscharlager auf Dauer vor." Bald aber merkte er, dass es da noch größere Herausforderungen gab. Die Kinder brauchten unter anderem warmes Essen, saubere Windeln und einen Alltagsrhythmus. Die anfangs noch großzügig verabredeten vormittäglichen Kaffeekränzchen erwiesen sich schnell als undurchführbar. Vater Helmut merkte, dass ein Haushalt Planung und Kinder immer unmittelbare Aufmerksamkeit brauchen. Nach drei Monaten daheim hatte sich sein Speiserepertoire über Würstel, Eier und Kartoffeln hinaus erweitert, das Einkaufen funktionierte langsam ohne große Listen, und brüllte die Kleinste im Supermarkt wegen einer nassen Windel, suchte er ungeniert das nächste Damenklo auf, in dem sich der Wickeltisch üblicherweise befindet.

"Nach diesen ersten Monaten hatte sich viel verändert. Ich hatte mich auf die Kinder eingelassen." Das hohe Tempo habe er aufgegeben, erzählt Helmut Eder, dafür aber viel gewonnen. "Ich habe in keiner beruflichen Situation existenziell so viel gelernt wie mit den Kindern." Er sieht, dass die Kinder mit genügend Zeit und Raum die Welt selbst entdecken.

Vor ihm war Ehefrau Gabi fünf Jahre bei den Mädchen daheim. "So, wie sie das gemacht hat, war es hervorragend. Ich dachte, wenn ich es ähnlich mit dem Trösten und der sorgenden Aufmerksamkeit hinbekomme, bin ich schon zufrieden." Anfangs war es für die Mädchen eine Umstellung, dass die Mama nicht mehr den ganzen Tag bei ihnen war. Heute rufen sie ihn manchmal Mama und seine Frau Papa. Was keine Kränkung sei, sondern einfach ein Zeichen, dass Rollen weniger mit dem Geschlecht zu tun haben, als man meint.

Mit den Kindern hat Helmut Eder etwas kennengelernt, das ihm im bisherigen Leben nahezu fremd war: Angst. "Die Gefährdetheit, die Bedrohtheit und die Verletzlichkeit des Lebens ist mir erst durch die Kinder so richtig bewusst geworden." Trotzdem animiert er seine Töchter, sich auszuprobieren und etwas zu versuchen. "Ich habe sie zum Beispiel das Klettern gelehrt. Nur wenn sie selbst irgendwo hinaufkommen, können sie auch wieder selbst herunter. Ich gebe ihnen das Vertrauen, dass sie nicht gleich aufgeben sollen, dass ich ihnen etwas zutraue und dass ich gleichzeitig immer da bin, wenn sie mich doch brauchen." Dem Theologen und begeisterten Seelsorger ist das Wichtigste, dass seine Töchter lernen, aufrecht und so frei wie nur möglich durch das Leben zu gehen.

Seit auch die jüngste Tochter im Kindergarten ist, arbeitet Helmut Eder wieder halbtags an der Katholischen Privatuniversität in Linz. Seminare und Besprechungen werden nach den Kinderabholzeiten ausgerichtet. Langsam gewöhnen sich auch die KollegInnen an diese Rahmenbedingungen. Seinen eigenen Vater hat Helmut Eder in der Erziehung nur wenig gespürt. Heute respektiert er, was sein Sohn macht, und seine Mutter ist sogar stolz, dass das ihr "Bub" so gut hinbekommt. Und einen ganz wichtigen Tipp hat Helmut Eder auch für alle Mütter: "Lassen Sie den Vater bei den ersten Malen Windelwechseln lieber allein. Man ist ohnehin nervös und wenn einem jemand dann dauernd sagt, wie man es besser machen sollte, hört man vielleicht gleich ganz damit auf."


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Einfach geht gar nichts

Alfred Pittertschatscher, 54, ist Vater von zwei leiblichen Kindern und zwei von seinen Partnerinnen in die Beziehungen mitgebrachten Kindern. Bis auf die jüngste Tochter sind alle Kinder erwachsen.

Die Unterscheidung zwischen leiblichen und nicht leiblichen Kindern findet Alfred Pittertschatscher völlig entbehrlich. Wie er generell für alle einfachen pädagogischen Erklärungen nicht zu haben ist. Dass er mit dem ältesten Sohn Konflikte noch häufiger austrug, hänge nicht damit zusammen, dass der von seiner Frau in die Ehe mitgebracht wurde, sondern "beim ersten Kind stellt sich ein Vater noch besonders dumm an, beim zweiten wird er schon klüger, beim dritten sagt er: Alles paletti, und beim vierten meint er, er ist ein Profi."

Um ein Kind zu mögen, müsse man lernen, es zu nehmen, wie es ist, ob es nun ein eigenes oder ein "dazugekommenes" ist. "Man nimmt Bindung mit Kindern auf, je mehr man etwas mit ihnen gemeinsam tut. Indem man mit ihnen aufsteht, ihnen das Frühstück macht, sie wickelt, wenn sie klein sind. Je mehr man das macht, desto besser." Weswegen der Journalist jungen Vätern auch dringend rät, das Kleinkindalter ihres Nachwuchses für intensivsten Kontakt zu nützen, "solange das Kind sich noch für den Vater interessiert".

Pittertschatschers ältere Kinder sind inzwischen erwachsen. Bei Betrachtung der vergangenen gemeinsamen Zeiten fällt der Blick des Vaters auch auf eigene Unzulänglichkeiten. "Ich war sicher zu kleinlich, zu bequem und auch zu angepasst. Wenn andere Leute sich im Lokal über meine schreienden Kinder aufgeregt haben, dann habe ich sie strafweise ins Auto gesteckt. Wenn ich heute Eltern sehe, die ihre Kinder so streng behandeln, sage ich: Lassen Sie sie doch.

Die eigenen Erfahrungen als Kind waren für Alfred Pittertschatscher sehr prägend. Für seine Mutter war er als einziges Kind der "Lebensmittelpunkt". Weil er deswegen für alles und über die Maßen gelobt wurde, blieb er bei den eigenen Kindern oft stumm, sogar wenn ein Lob ohne Übertreibung möglich oder nötig gewesen wäre.

Bis heute ringt Alfred Pittertschatscher in seiner Rolle als Vater um Balance. Wollte er früher nicht autoritär sein und trotzdem auf der Einhaltung von Regeln im Zusammenleben bestehen, ist es heute der Wunsch nach Selbstständigkeit der Kinder und einer angemessenen Partnerschaft mit ihm als erfahrenem Älteren. Fragt ihn ein Kind um Rat, quält er sich selbstkritisch: "Was soll ich ihm sagen? Ich weiß aus Erfahrung, dass jeder Raum, der finster ist, eine Tür hat. Aber wo die ist, weiß ich auch nicht sicher."

In Pittertschatschers erster Ehe herrschte klassische Arbeitsteilung. Viele Jahre kümmerte sich die Mutter um die Kinder, der Vater brachte die Brötchen heim.

Entging Letzterem dabei Wesentliches? Das Heranwachsen seiner Tochter zur jungen Frau, sagt Pittertschatscher, habe er glatt übersehen. "Das genoss ich gar nicht, weil ich sie stressbedingt jeden Tag übersah."

Das Thema richtig oder falsch liegt dem mehrfachen Vater offensichtlich im Magen. "Immer dieses Besserwissen", meint er, wenn er an psychologische und pädagogische Ratgeber denkt. "Ich rette mich, indem ich mir sage: Wie du es machst, ist es falsch. Aber irgendwie musst du es machen." Beim letzten gemeinsamen Segeltörn mit den erwachsenen Kindern war der Vater dann doch ganz zufrieden. Als die Jungen bei Starkwind zwecks Training wiederholt nochmals hinaussegeln wollten und ihn dann, wissend um die durch einen Segelunfall bedingten Ängste des Vaters, lobten, weil er sich der Herausforderung stellte, hatte er wieder etwas von seinen Kindern gelernt, das war "super".


Buchtipp zum Thema:
Eberhard Rathgeb: "Schwieriges Glück"
Versuch über die Vaterliebe
Hanser Verlag, 160 Seiten, Euro 15,40


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Quelle:
welt der frau - Die österreichische Frauenzeitschrift,
Ausgabe 3/2008, Seite 14-17
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und der Autorin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. April 2008