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BERICHT/073: Darf man mit IQ-Tests Ethnien oder Geschlechter vergleichen? (GEHIRN&GEIST)


GEHIRN&GEIST 5/2009
Das Magazin für Psychologie und Hirnforschung

Darf man mit IQ-Tests Ethnien oder Geschlechter vergleichen?


Intelligenztests geraten oft in die Kritik, wenn Wissenschaftler damit Unterschiede zwischen »Rassen« oder zwischen Männern und Frauen feststellen. Was wiegt schwerer: Forschungsfreiheit oder gesellschaftliche Verantwortung? Der Berliner Psychologe Jens Asendorpf und der Ulmer Mediziner Matthias Wenderlein legen ihre Argumente dar.


Im Jahr 1912 schlug der Breslauer Professor William Stern (1871 - 1938) eine neue Maßeinheit vor, die schnell zu einem Exportschlager der noch jungen Wissenschaft namens Psychologie werden sollte: den Intelligenzquotienten (IQ). Fortan konnten Forscher die geistigen Fähigkeiten einer Person im Vergleich zu ihren Altersgenossen messen.

Befürworter von IQ-Tests sehen darin heute eine Möglichkeit, die Potenziale von Menschen zu entdecken und zu fördern. Doch schon früh regte sich auch Widerstand gegen diese Forschung - reicht ein kurzer Test überhaupt, um eine so umfangreiche Eigenschaft wie Intelligenz zu messen? Oder sind wir am Ende, wie der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger meint, »nicht intelligent genug, um zu wissen, was Intelligenz ist«?

Wir greifen eine Debatte auf, die seit der Einführung des Intelligenzquotienten schwelt: Sollten Wissenschaftler mit Hilfe von IQ-Tests Unterschiede zwischen Ethnien oder zwischen Männern und Frauen studieren? Oder dienen solche Vergleiche doch nur dazu, soziale Ungleichheit zu zementieren? Was wiegt schwerer - die Freiheit der Forschung oder die Gefahr, dass Wissenschaft zu ideologischen Zwecken missbraucht wird? G&G hat zwei Experten gebeten, dazu Stellung zu nehmen.


PRO

Jens Asendorpf

Professor für Persönlichkeitspsychologie an der Humboldt-Universität Berlin
erforscht unter anderem differenzielle Persönlichkeitsmaße in großen Bevölkerungsstichproben
Autor des Lehrbuchs »Psychologie der Persönlichkeit« (Springer, Berlin 2007, 4. Auflage)

»Ja - sofern die Forscher einem Missbrauch der Ergebnisse vorbeugen«

Intelligenztests sind bewährte psychologische Verfahren, die eine bestimmte Art von Leistung messen. Sie zählen dabei zu den zuverlässigsten und vorhersagekräftigsten wissenschaftlichen Methoden überhaupt. Rein juristisch spricht deshalb nichts gegen ihren Einsatz als ein »ernsthafter, planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit« (Definition von »Wissenschaft« durch das Bundesverfassungsgericht von 1973). Intelligenzforscher »dürfen« also durchaus IQ-Vergleichstests anstellen. Es sei denn, die Anwendung der Tests verstößt gegen die Menschenwürde. Das ist der Fall, wenn die Ergebnisse zur sozialen Diskriminierung von Personen, Geschlechtern oder Ethnien verwendet werden.

Genau daran entzündet sich die Kontroverse um IQ-Tests, deren regelmäßiges Wiederkehren seit vielen Jahrzehnten signalisiert, dass hier ein ungelöstes Problem besteht. Es betrifft aber nicht die wissenschaftliche Integrität der Verfahren und auch nicht ihre Anwendung, um Unterschiede zwischen sozialen Gruppen, Geschlechtern oder Ethnien zu messen - sofern es dabei um wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn geht. Sondern es betrifft die Fehlinterpretation von IQ-Unterschieden durch Laien und Wissenschaftler, bis hin zu ihrem gezielten Einsatz zur sozialen Diskriminierung. Deshalb müssen wir bei der Frage »Sollten sie?« zwei Perspektiven klar trennen: die Sicht des nach Erkenntnis strebenden Wissenschaftlers und die Sicht der Betroffenen und ihrer (mehr oder weniger) selbst ernannten Anwälte.

Informierte Forscher wissen, dass die Frage nach Intelligenzunterschieden zwischen den Geschlechtern uninteressant ist: Die besseren IQ-Tests setzen sich aus vielen Untertests zusammen, die jeweils Teilleistungen erfassen, darunter eher sprachliche und eher nichtsprachliche Aufgaben. In vielen sprachlichen Untertests sind Frauen, in vielen nichtsprachlichen sind Männer im Durchschnitt besser, so dass Geschlechtsunterschiede im IQ nur davon abhängen, wie ausgewogen das konkrete Verfahren hinsichtlich seiner Untertests ist. Sind sprachliche und nichtsprachliche Aufgaben ähnlich gewichtet, gibt es keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Gibt es Unterschiede, ist der Test nicht ausgewogen. Deshalb interessiert wissenschaftlich nur das Intelligenzprofil der Geschlechter: In welchen Teilleistungen unterscheiden sich Männer und Frauen, und warum? Das sind spannende, völlig legitime Fragen.

Ein Problem kann also nur in der Fehlinterpretation der (geringfügigen) IQ-Unterschiede zwischen Männern und Frauen liegen. Doch dieses vergleichsweise kleine Problem ist durch Aufklärung darüber, wie IQ-Tests aufgebaut sind, leicht aus der Welt zu schaffen. Deshalb gab es meines Wissens in den letzten Jahrzehnten auch keine größere Kontroverse über dieses Thema.

Anders sieht es bei Intelligenzvergleichen zwischen Ethnien aus, weil dort große Unterschiede im Gesamtwert von IQ-Tests bestehen - nicht nur im Intelligenzprofil. So schneiden viele ostasiatische Ethnien wie Japaner und Koreaner im Durchschnitt besser ab als Europäer, und diese wiederum besser als Schwarzafrikaner. Das gilt auch für nichtsprachliche Tests, deren Ergebnis nur wenig von kulturell vermitteltem Wissen abhängt. Über die möglichen Ursachen dieser Unterschiede gibt es bereits umfangreiche Forschung. In Frage kommen etwa die Dauer und Art der Schulbildung und die Erfahrung mit schriftlichen Tests überhaupt - wobei aber nach Kontrolle dieser Faktoren immer noch große Unterschiede verbleiben.

Besonders gern entzündet sich die Diskussion daher an der Frage, inwieweit die Gene für die abweichenden Durchschnitts-IQs verschiedener Ethnien mitverantwortlich sind. Methodisch gut gesichert ist der Befund, dass IQ-Unterschiede innerhalb westlicher Kulturen etwa zu 50 Prozent durch die genetische Ausstattung und etwa zu 50 Prozent durch die Umwelt bestimmt werden. Doch das sagt noch nichts darüber aus, welche Ursachen die IQ-Differenzen zwischen Ethnien haben!

Ein Beispiel aus der Landwirtschaft kann das verdeutlichen: Wenn man eine Zufallsmischung aus genetisch verschiedenen Getreidesorten auf einem fruchtbaren und einem unfruchtbaren Acker aussät, wird das Getreide auf dem fruchtbaren Boden rein umweltbedingt höher wachsen als auf dem unfruchtbaren. Klar genetisch bedingt sind nur die Unterschiede in der Halmgröße auf jedem einzelnen Acker.

Übertragen auf die IQ-Unterschiede zwischen Ethnien bedeutet das: Sie könnten ausschließlich auf Unterschieden in der intellektuellen Stimulierung durch die jeweilige Kultur beruhen - manche Kulturen fördern vielleicht das, was wir als Intelligenz bezeichnen, in besonderem Maß. Aber sie könnten auch genetisch bedingt sein, und jede Kombination von genetischen und Umwelteinflüssen ist möglich. Schätzungen des relativen Gewichts von Erb- und Umwelteinflüssen für IQ-Unterschiede zwischen Ethnien sind derzeit nicht möglich, da uns dafür die geeigneten Methoden fehlen. Es ist nicht einmal bekannt, welche Gene für Differenzen innerhalb von Kulturen oder zwischen Ethnien verantwortlich sein könnten.

Was die Umweltunterschiede angeht, sind die Befunde auch nicht viel klarer. Der Psychologe Heiner Rindermann von der Universität Graz stellte 2007 bei einem Vergleich von 185 Nationen fest, dass das Bruttosozialprodukt eines Staates hoch mit dem mittleren IQ seiner Einwohner korreliert. Das könnte einerseits an der unterschiedlichen Qualität der Bildungssysteme liegen. Umgekehrt wäre aber auch denkbar, dass intelligentere Nationen eher in der Lage sind, ein höheres Bruttosozialprodukt zu erwirtschaften - und natürlich kann auch beides zutreffen.

So ist die Kontroverse um IQ-Unterschiede zwischen Ethnien wissenschaftlich wenig ergiebig, da solide Interpretationen derzeit noch nicht möglich sind. Es ist eher ein Feld für Laienprediger und Ideologen, die sich je nach Couleur gezielte Fehlinterpretationen zu eigen machen. Für Wissenschaftler gleicht es einem Minenfeld: Wer sich allzu blauäugig auf dieses Gebiet begibt, riskiert, dass seine Aussagen als ideologische Munition etwa von Rassisten missbraucht werden.

Anstatt diese Diskussionen zu meiden oder gar die Forschung auf dem Gebiet einzustellen, sollten informierte Wissenschaftler vielmehr dazu beitragen, derartigen Missbrauch zu verhindern. Sie sollten darauf hinweisen, dass IQ-Tests seriös sind, dass die Mittelwerte von Ethnien aber nicht unveränderbar sind - und dass sie beim heutigen Stand der Forschung weder als eindeutig genetisch noch als eindeutig umweltbedingt angesehen werden können.

Viel wichtiger als die Ursachen von IQ-Unterschieden zwischen Ethnien ist ohnehin ein anderer Befund: Die Variation in der Testintelligenz ist innerhalb der Ethnien etwa sechsmal größer als zwischen den Ethnien. Differenzen im Mittelwert können also in keiner Weise auf den Einzelfall übertragen werden, was für eine pauschale Diskriminierung von Ethnien keinen Raum lässt.

Letztlich läuft die Diskussion auf einen scheinbar kleinen, in Wirklichkeit aber entscheidenden Unterschied hinaus: den zwischen Ungleichheit und Ungleichwertigkeit. »Alle Menschen sind gleich« ist falsch - würde das zutreffen, brauchte man keine Persönlichkeitspsychologie, die sich ja mit den Unterschieden zwischen Menschen befasst, auch in Sachen Intelligenz. »Alle Menschen sind verschieden, aber gleichwertig« scheint mir dagegen ein nützlicheres Kredo für Wissenschaftler, die in der großen Vielfalt der Persönlichkeiten und Begabungen ein schützenswertes Gut sehen.



*


KONTRA

Matthias Wenderlein

Professor für Gynäkologie an der Universitäts-Frauenklinik Ulm und Diplompsychologe
erforscht unter anderem psychosoziale Aspekte in der Gynäkologie
organisierte 2008 für den Deutschen Hochschulverband das Symposium »Intelligenz, Begabung und Geschlecht im Spiegel der Wissenschaft«

»Nein - denn das untergräbt alle Bemühungen um
Chancengleichheit«

Warum sollten Wissenschaftler Ethnie, Geschlecht und Intelligenz miteinander in Verbindung setzen? Meist wird dies mit der Suche nach wissenschaftlicher »Wahrheit« begründet. Doch diese kann es in Bezug auf Intelligenz nicht geben. Das zeigt allein schon die Existenz von über 100 verschiedenen Intelligenztests mit ebenso vielen Definitionen des Konstrukts. Es gibt keine allgemein anerkannte Formel für Intelligenz - und genauso wenig gibt es den allgemein anerkannten IQ-Test für wissenschaftliche Zwecke.

Die meisten Verfahren ähneln immer noch jener ersten Intelligenzskala, die 1905 der französische Psychologe Alfred Binet (1857 - 1911) entwickelte, um die Schuleignung von Kindern zu überprüfen. Noch heute werden IQ-Tests als »valide« angesehen, wenn sie den Erfolg im westlichen Schul- und Bildungssystem möglichst gut vorhersagen. Inhaltlich beschränkt man sich dabei meist auf die Fähigkeit zum mathematisch-logischen Problemlösen. Doch das ist nur ein Teil dessen, was für eine erfolgreiche Lebensführung nötig ist: Moralische Urteilskraft, Intuition, Empathie, praktisches Geschick - all das sind mindestens ebenso wichtige Aspekte. Doch weil sie schwierig zu definieren und noch schwieriger zu messen sind, werden sie von Intelligenzforschern selten berücksichtigt.

Obwohl das Konstrukt »Intelligenz« so diffus und nur begrenzt gültig ist, hat es in den letzten 100 Jahren eine eindrucksvolle Karriere hingelegt. Jeder glaubt zu wissen, was sich dahinter verbirgt - und dass es gut ist, möglichst viel davon zu besitzen. Intelligente Menschen flößen Respekt ein und gelten als besonders wertvoll für die Gesellschaft. Dies wurde schon immer dazu benutzt, um bestehende soziale Hierarchien zu festigen.

Besonders deutlich wird das, wenn mit IQ-Tests entweder verschiedene Ethnien oder Männer und Frauen miteinander verglichen werden - denn dabei kommt meistens heraus, dass Weiße intelligenter sind als Schwarze und Männer intelligenter als Frauen. Schon immer mussten diese Ergebnisse dafür herhalten, jahrhundertealte rassistische und sexistische Vorurteile zu zementieren. Dabei half insbesondere die Annahme, dass niedrige IQ-Werte ein genetisch determiniertes Schicksal darstellen. Schon Francis Galton (1822 - 1911), der Vater aller psychometrischen Messverfahren, war der Ansicht, dass Intelligenz - wie auch Kriminalität - vererbt werde.

Sind solche Ansichten heute nicht längst überholt? Nicht ganz, wie zwei jüngere Beispiele zeigen. Der Biochemiker und Nobelpreisträger James D. Watson, einer der Entdecker der DNA-Struktur, bekundete 2007 in einem Interview mit der »Sunday Times«, er blicke skeptisch in die Zukunft des afrikanischen Kontinents - da alle Tests gezeigt hätten, dass Schwarze weniger intelligent seien als Weiße. Er bedauerte diese Aussage zwar später, verlor aber dennoch seine Position als Kanzler des renommierten Cold Spring Harbor Laboratory im US-Bundesstaat New York. Der frühere Präsident der Harvard University, der Ökonom Lawrence Summers, verstieg sich 2005 zu der Behauptung, angeborene Begabungsunterschiede in Mathematik und Naturwissenschaften erklärten besser als Umweltfaktoren, warum Frauen kaum wissenschaftliche Spitzenpositionen erreichten. Auch er entschuldigte sich für seine »unbedachte Sprache«, musste aber von seinem Präsidentenamt zurücktreten.

Diese Beispiele zeigen: Selbst angesehene Wissenschaftler werden von den »Erkenntnissen« der vergleichenden IQ-Forschung dazu verführt, unzulässige Verallgemeinerungen anzustellen - bis hin zu selbstschädigenden Äußerungen (was übrigens auch den unterstellten Zusammenhang von hohem Detailwissen und allgemeiner Intelligenz relativiert). Wie wollen Forscher da erst verhindern, dass Laien mit den Ergebnissen von IQ-Vergleichen Schindluder treiben? Sie können es nicht - ihre Forschung ist daher verantwortungslos.

Viel interessanter als die Feststellung vermeintlicher Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen und den Geschlechtern ist ohnehin eine andere Erkenntnis der psychometrischen Forschung: Intelligenz - respektive das, was IQ-Tests messen - ist keine unveränderliche Größe, sondern variabel. Dies zeigt etwa der so genannte Flynn-Effekt. Der Politikwissenschaftler James Flynn von der University of Otago in Dunedin (Neuseeland) entdeckte 1984, dass die IQ-Werte auf der ganzen Welt stetig ansteigen. Dies trifft vor allem für Entwicklungsländer und hier insbesondere für die am wenigsten intelligenten Mitglieder der Gesellschaft zu. Doch auch in Europa und in den USA liegen Kinder heutzutage mehr als 15 Punkte über den IQ-Werten ihrer Großeltern von vor 60 Jahren.

Genetische Ursachen kommen für diese starke Verbesserung über einen Zeitraum von wenigen Jahrzehnten nicht in Frage. Stattdessen diskutieren Forscher eine bessere Ernährung, den Trend zu kleineren Familien (mit vermehrter Aufmerksamkeit für die Kinder) und vor allem bessere Bildungsangebote als Gründe für den Flynn-Effekt. Intelligenz im Sinne der Fähigkeit, westlichen Bildungsidealen zu genügen, scheint somit ein Produkt der Sozialisation und der verfügbaren Bildungsangebote zu sein.

Das durchschnittliche IQ-Niveau ist demnach kein Rassenphänomen, auch kein geschlechtsspezifisches, sondern eine Folge von guter oder schlechter Sozialpolitik! Bei geringer Qualität an Schulbildung, schlechten häuslichen Verhältnissen - nicht selten assoziiert mit beeinträchtigter Gesundheit - fallen die IQ-Werte von Kindern und Jugendlichen deutlich schlechter aus. In Bezug auf Ethnien hat sich diese Erkenntnis langsam durchgesetzt: Kaum ein Forscher zweifelt noch daran, dass nicht genetische, sondern soziale Veränderungen und gleiche Bildungschancen nötig wären, um eine gleichmäßigere Verteilung von IQ-Werten zu erreichen. Gesellschaften mit einem niedrigeren durchschnittlichen Intelligenzquotienten verweigern ihren Mitgliedern das Recht auf Bildung.

Doch bei der Genderfrage ist die Situation noch nicht so klar: Frauen werden auch in Deutschland weiterhin bei gleicher beruflicher Qualifikation schlechter bezahlt als Männer. Deutsche Arbeitgeber müssen also implizit davon ausgehen, dass weibliche Angestellte weniger Leistung erbringen. Insbesondere das Vorurteil von der verminderten technisch-mathematischen Intelligenz der Frauen hält sich hartnäckig. Die Gründe dafür, warum sich die Geschlechter in IQ-Tests unterscheiden, können dabei vielfältig sein - bloße Vergleichsstudien helfen jedenfalls nicht, sie zu ergründen. Jungen und Mädchen werden schon ab der Geburt unterschiedlich behandelt: Eltern geben ihnen andere Kleidung und anderes Spielzeug, reden anders mit ihnen, erwarten andere Schulnoten von ihnen. Nicht Intelligenz, sondern elterliche, schulische und gesellschaftliche Einflüsse bahnen die Berufswahl von Frauen. Neurobiologische und hormonelle Geschlechtsunterschiede sollten deshalb keineswegs ignoriert werden. Sie sind aber nicht als Argument für unterschiedliche schulische und berufliche Qualifikationsmöglichkeiten für Mädchen und Jungen geeignet.

Nützlicher als IQ-Vergleiche wäre also mehr Forschung zu spezifischen Unterschieden in der Informationsaufnahme und -verarbeitung mit dem Ziel, ausgewogene Lehrkonzepte für Schulen und Hochschulen zu entwickeln. Für die Wissenschaft ist die Lern- und Bildungsforschung mit ihren gesellschaftlichen Implikationen wesentlich wichtiger als vergleichende Intelligenzforschung ohne praktischen Nutzen - aber mit dem großen Risiko, Vorurteile zu verfestigen.


© 2009 Jens Asendorpf und Matthias Wenderlein, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
GEHIRN&GEIST 5/2009, Seite 14 - 17
Herausgeber: Dr. habil. Reinhard Breuer
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2009