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BERICHT/079: Freundinnen fürs Leben (welt der frau)


welt der frau 4/2010 - Die österreichische Frauenzeitschrift

Gutes währt ewig
Freundinnen fürs Leben

Von Andrea Mann


Fast jede Frau hat eine beste Freundin, die sie durchs Leben begleitet - durch alle Hochs und Tiefs. Auf sie kann man sich verlassen, ihr kann man Geheimnisse anvertrauen - auch über räumliche Distanzen hinweg.


Kleine Geheimnisse schweißen zusammen
Julia Becher (33), Salzburg, und Lisa Plasser (33), Wien

Die räumliche Distanz Wien - Salzburg ist für Julia Becher und Lisa Plasser kein Grund für eine Distanz in ihrer Freundschaft. Wenn sie sich drei- bis viermal im Jahr treffen, gibt es keine peinlichen Gesprächspausen, sondern die Chemie stimmt sofort. "Wir wissen ja voneinander Bescheid, da wir ständig über E-Mail in Kontakt sind." Eine tiefe Sympathie und gemeinsame Interessen, wie Kino und Literatur, sind die Basis für ihre Verbundenheit. Dazu kommen noch Erlebnisse aus der Jugendzeit, die zusammenschweißen. "Es ist eine Vertrautheit, da wir uns so lange kennen. Unsere Freundschaft ist etwas sehr Besonderes in unserem Leben, das wir beide nicht missen wollen."

Die beiden kennen sich seit Kindergartentagen, haben dieselbe Volksschule besucht, gemeinsam ministriert, waren Sternsinger (Julia immer schwarz, Lisa gelb angemalt), später bei den Pfadfindern. Die wahre Freundschaft entstand im Gymnasium. "Wir sind mit dem Bus zur Schule gefahren. Da ist es schon mal vorgekommen, dass wir den Lehrern erzählt haben, der Bus sei im Stau gestanden. Stattdessen waren wir im Café", schildert Julia Becher und wirft Lisa Plasser einen verschmitzten Blick zu.

Bei der Retourfahrt mit dem Schulbus wurden Probleme besprochen. Kaum waren sie zu Hause angekommen, glühte zwischen ihnen die Telefonleitung. "Wirklich sehr von Vorteil war, dass wir uns nie in den gleichen Männertypus verliebt haben. Sonst hätten wir ja zu streiten begonnen."

Danach kam die Studienzeit in Wien. "Im Studentenheim hatten wir zehn gemeinsame Quadratmeter. Neben den Möbeln blieben uns noch zwei Quadratmeter, um uns zu bewegen. Und geraucht haben wir damals auch noch - wah, das war grauslich", erinnert sich Julia. Eine gemeinsame Wohnung für ein Jahr und das Auseinanderdriften der Lebenspläne sorgten für Spannung in ihrer Freundschaft. "Zu dieser Zeit gab es natürlich Konflikte. Zum einen war es das Ordnunghalten in der Wohnung. Zum anderen entwickelte jede andere Interessen. Gestritten haben wir nicht, aber sehr viel miteinander geredet, die Probleme wurden ausdiskutiert. Es wäre ja ein Wahnsinn gewesen, wenn wegen dem unsere Freundschaft auseinandergegangen wäre." Das Experiment WG wurde beendet, die Freundschaft wieder harmonisch.

Beide führen heute sehr unterschiedliche Leben. Julia lebt mit ihren beiden Kindern und ihrem Lebenspartner in Salzburg, Lisa mit ihrem Partner in Wien. "Man muss ja nicht ähnlich sein, um sich zu verstehen. Wir sind gemeinsam erwachsen geworden, haben zusammen Urlaube gemacht und wir haben unsere kleinen Geheimnisse."


"Zwischen uns gibt es 100-prozentig keinen Neid"
Wilma Angerer (62) und Inge Schober (62)

"Jede hat ihren Freundeskreis, aber unsere Freundschaft ist eine andere, eine gewachsene. Wir vertrauen uns gegenseitig Sachen an, die man jemand anderem nicht erzählen würde. Jede gönnt der anderen von Herzen, wenn es ihr und ihrer Familie gut geht. Und wir wissen, dass es zwischen uns 100-prozentig keinen Neid gibt. Neid ist für eine Beziehung sehr kritisch", sagen Wilma Angerer und Inge Schober, die sich seit 50 Jahren kennen. Natürlich werden nicht nur Hochs, sondern auch Tiefs besprochen. "Wenn man Hilfe braucht, wissen wir, dass wir aufeinander zählen können. Das war schon immer so. Wir sind füreinander sehr wichtig. Ohne die andere würde jeder von uns etwas fehlen." Obwohl beide eingestehen müssen, dass der intensive Kontakt im Laufe der Jahre immer weniger geworden ist. "Kürzlich haben wir eine kleine Reise zusammen gemacht und es hat so gutgetan, wieder einmal so richtig zu tratschen."

Die innige Freundschaft entstand beim Zugfahren zur Frauenberufsschule und zum späteren Arbeitsplatz. "Dabei wurde alles besprochen - erste Lieben, die Schule, der Beruf." Für den ersten gemeinsamen Urlaub in Kärnten kämpften sie Seite an Seite und mussten den Eltern hoch und heilig versprechen, anständig zu sein.

Männer waren zwischen den beiden zwar immer ein Gesprächsthema, aber kein Streitpunkt. "Das war bei uns genau umgekehrt. Obwohl sich mein Ehemann Klaus zuerst in die Inge verschaut hatte", schildert Wilma Angerer, die zu dem damaligen Zeitpunkt wegen einem anderen Schmetterlinge im Bauch hatte. Beide lachen. "Klaus hat sich beim Zugfahren immer zu uns gesetzt. Inzwischen hat er gestanden, dass ihm unsere Tratscherei irrsinnig auf die Nerven gegangen ist." Durch den damaligen Herzbuben von Wilma Angerer lernte Inge Schober ihren heutigen Ehemann Horst kennen. Und so wurde aus den oft für Schwestern gehaltenen Freundinnen ein Quartett. "Als dann die Kinder kamen, haben wir sehr viel zusammen unternommen."

Zeit für Gespräche unter vier Augen wurde aber seltener. "Die haben wir uns trotzdem immer irgendwie geschaffen. Kannst du dich noch erinnern, als wir mit unseren Familien auf Skiurlaub waren? Da haben wir unter unsere Bettdecken Attrappen hineingelegt und sind geheim fortgegangen, um ungestört Zeit zum Reden zu haben. Das hätten wir mit niemand anderem machen können, wir haben einfach das gleiche Temperament", stimmen sie überein.


1975 war es Liebe auf den ersten Blick
Margit Krennmayr (46) und Karin Kogler (46)

Die regelmäßigen Treffen auf einen Kaffee sind für Margit Krennmayr und Karin Kogler auch nach 35 Jahren Freundschaft ein Fixpunkt in ihrem Leben. Sie wohnen nicht weit voneinander entfernt, jede lebt ihr Familienleben, hat ihren eigenen Freundeskreis - die gemeinsame Zeit ist dennoch nicht wegzudenken. "Nach drei, vier Tagen rufen wir uns wieder zusammen", schildert Margit Krennmayr. Was ist das Geheimnis ihrer Freundschaft? "Wir haben ein sehr gutes Gespür füreinander, wir kennen uns in- und auswendig. Wenn etwas nicht so stimmig ist zwischen uns, merken wir das sofort. Hat eine von uns das Gefühl, dass ein falsches Wort gefallen ist, wird nicht geschwiegen, sondern sofort darüber gesprochen. Da kann es schon vorkommen, dass wir nach einem Treffen zum Telefonhörer greifen, um Ungereimtheiten zu beseitigen."

Im Jahr 1975 - als sie zwölf Jahre alt waren - war es Liebe auf den ersten Blick. "Wir haben uns gesehen und es hat sofort gepasst. Kurz darauf saßen wir in der Schule nebeneinander und haben uns geschworen, dass wir gegenseitig Taufpaten unserer Kinder werden." In der Schule und Freizeit waren sie unzertrennlich. Als sich Jungs in ihr Leben mischten, gab es einen Vorsatz: "Auch sie müssen sich leiden können." Zwischen 18 und 22 Jahren gab es in diesem Punkt allerdings eine Ausnahme und die Freundschaft ging auf Distanz. Die Freundinnentreffen wurden rarer, trotzdem wurde via Telefon Kontakt gehalten. "Das hätten wir anders nicht ausgehalten, da war uns unsere Freundschaft zu wichtig." Als bei Margit diese Liebe in die Brüche ging, war Karin sofort zur Stelle, um sie in ihrem Liebenskummer zu trösten. "Ich habe sie damals mit allen Mitteln dazu gebracht, mit mir fortzugehen, damit sie auf andere Gedanken kommt. Und an diesem Abend hat sie ihren Ehemann kennengelernt", erzählt Karin.

In sehr schwierigen Zeiten ihres Lebens waren sie füreinander da. "Als meine Mutter sehr früh gestorben ist, war Karin eine große Stütze für mich. Wir haben stundenlang geredet. So etwas schweißt zusammen." Als bei Karin der lang gehegte Kinderwunsch in Erfüllung ging, war es Margit, die zuerst davon erfuhr. Inzwischen sind beide verheiratet und haben Kinder, die ebenfalls Freundinnen sind. Ihr Versprechen in puncto Taufpatin haben sie natürlich eingehalten.


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"Einer Freundin gönne ich alles Gute"
Mit dem Gelingen und Scheitern von Frauenfreundschaften beschäftigt sich die Autorin Sylvia Rosenkranz-Hirschhäuser.


WELT DER FRAU: Was ist das Geheimnis einer Freundschaft zwischen zwei Frauen?

ROSENKRANZ-HIRSCHHÄUSER: Frauenfreundschaften basieren auf einer tiefen emotionalen Ebene. Warum gerade die Frau zur Freundin wird und die andere nicht, können viele Frauen nicht rational erklären. Es ist ein gegenseitiges Sich-angezogen-Fühlen, das über Sympathie hinausgeht. Häufig prägen große Übereinstimmung im Denken, Fühlen und Wahrnehmen ein Freundschaftsempfinden oder auch eine Art Bewunderung im Anderssein, ein Voneinander-Lernen, ein Sich-gegenseitig-Beeinflussen als Grundlage einer intensiven Beziehung. Eine Freundin muss nicht immer der gleichen Meinung sein. Unterschiedlichkeit im Denken, Fühlen und Handeln kann - eine stabile emotionale Verbundenheit vorausgesetzt -, bereichernd für die Beziehung sein.

WELT DER FRAU: Wie wichtig ist es für Frauen, eine beste Freundin zu haben?

ROSENKRANZ-HIRSCHHÄUSER: Je nach Frauentyp sehr unterschiedlich: Ich habe bei der Recherche zu meinem Buch Frauen kennengelernt, die keine Freundin haben, Frauen, die nur eine Freundin haben und mit dieser Freundschaft sehr zufrieden sind, die sich auch nicht vorstellen können, dass diese Freundschaft zerbrechen könnte. Und ich traf auch Frauen, die wechselnde Freundschaften oder Freundinnen für verschiedene Bereiche haben.

WELT DER FRAU: Manchen gelingt es, eine Freundschaft aus Kindestagen über Jahrzehnte zu pflegen.

ROSENKRANZ-HIRSCHHÄUSER: Ich glaube, dass Freundschaften von Kindheitsalter an sehr dauerhaft sein können, wenn unterschiedliche Lebensphasen und unterschiedliche Lebensentwürfe gegenseitig akzeptiert und mitgetragen werden. Beispielsweise, die eine hat Kinder, die andere nicht. Zudem schweißen gemeinsame Erlebnisse, gleiche Interessen, das gemeinsame Lösen von Problemen und das Sich-gegenseitig-Auffangen in Krisen zusammen.

WELT DER FRAU: Wie kann eine solch innige Beziehung verloren gehen?

ROSENKRANZ-HIRSCHHÄUSER: Frauenfreundschaften gehen meist still zu Ende. Oft ist eine räumliche Distanz der Hauptgrund. Der gegenseitige Austausch fehlt, damit einhergehend verliert sich das Interesse an der Person der anderen, irgendwann geht jede ihrer Wege. Bei Freundschaften, die zu Schulzeiten geflochten wurden, sind vielfach gegenläufige familiäre und berufliche Entwicklungen Gründe für ein Beziehungsende. Geht eine Freundschaft diesen langsam schleichenden Abschiedsweg, bleibt den Frauen der nagende Schmerz eines Verlustes meist erspart, denn die Gefühlsintensität untereinander hat sich durch die unterschiedliche Lebensphase bereits verflüchtigt.

WELT DER FRAU: Unter welchen Voraussetzungen ist eine Freundschaft grundsätzlich zum Scheitern verurteilt?

ROSENKRANZ-HIRSCHHÄUSER: Die psychologischen Gefühle von Neid, Eifersucht und Rivalität sind tief im Menschen verankert und spielen bei Freundschaftsbeziehungen eine große Rolle. Oft beeinflussen sie Reaktionen unbewusst und/oder wollen nicht wahrgenommen werden, denn neidisch und eifersüchtig zu sein ruft Scham hervor. Es gibt Freundschaften, in denen die genannten Gefühle keine oder kaum eine Bedeutung haben, und wenn, können die Frauen damit umgehen. Das ist oft dann der Fall, wenn die Beziehungen gleichberechtigt oder wenn Dominanz und Unterlegenheitsgefühl für die jeweiligen Frauen stimmig sind. Einer Freundin gönne ich alles Gute, ich freue mich mit ihr, wenn ihr Positives widerfährt. An diesen Gefühlen ist Freundschaft messbar. Freude uneingeschränkt zu teilen, stolz auf Leistungen der Freundin zu sein, beweist Zuneigung, Nähe, Bindung. Krisen entstehen dann, wenn die angesprochenen Beziehungsfaktoren die Balance verlieren, Ungleichheit in Gefühlen und Verhaltensweisen auftritt. Erlebt man die Freundin nicht mehr als Halt und Stütze, empfindet man keine Wertschätzung und Achtung von ihr, wird die Bindung infrage gestellt und ein Prozess der Ablösung beginnt.

WELT DER FRAU: Wie kann die Freundschaft dennoch erhalten werden?

ROSENKRANZ-HIRSCHHÄUSER: Die unter Frauen weitverbreitete Art, Konflikte auszuschweigen, eher eine Beziehung zu beenden als die Probleme anzusprechen, verhindert Klärung und die Möglichkeit, konstruktiv und gestärkt aus einer Krise herauszugehen. Mit der Frage nach dem Warum tritt die Freundschaftskrise in eine entscheidende Phase: Ehrlichkeit sich selbst und der Freundin gegenüber ist Voraussetzung für eine potenzielle Klärung, einen Neu- und/oder Wiederbeginn auf bereinigter Ebene. Ohne Selbstreflexion und die Klärung eigener Anteile an der Kontaktstörung wird ein Aufeinanderzugehen schwer sein. Im Klärungsprozess wird sich herauskristallisieren, ob die Freundschaft mit akzeptierten Gründen definitiv zu Ende ist oder ob eine verbliebene Emotionalität die Fortführung der Freundschaft wünscht und anstrebt.


Sylvia Rosenkranz-Hirschhäuser:
"Du bist nicht mehr meine Freundin", Wenn Frauenfreundschaften enden
U. Helmer, 150 Seiten, 13,40 Euro


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Quelle:
welt der frau - Die österreichische Frauenzeitschrift,
April 2010, Seite 4-9
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und der Autorin
Herausgeberin: Katholische Frauenbewegung Österreichs
Redaktion: Welt der Frau Verlags GmbH
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Die "welt der frau" erscheint monatlich.
Jahresabonnement: 33,- Euro (inkl. Mwst.)
Auslandsabonnement: 41,- Euro
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2010