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MELDUNG/243: Möblierte Räume wirken nicht unbedingt geräumiger (idw)


Johannes Gutenberg-Universität Mainz - 22.01.2015

Möblierte Räume wirken nicht unbedingt geräumiger

Psychologen untersuchen die Wahrnehmung von Raumgröße und Geräumigkeit mit und ohne Möblierung



Ob Möblierung einen Raum größer oder geräumiger erscheinen lässt, kann nicht so ohne Weiteres gesagt werden. Während oft die Ansicht vertreten wird, ein möblierter Raum mache im Vergleich zu einem unmöblierten Raum einen größeren Eindruck, haben Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) diese Vermutung nicht bestätigen können. "Unsere Studie zeigt, dass die Beziehung zwischen der Wahrnehmung von Innenräumen und der Möblierung wesentlich komplexer ist als gedacht", sagt Dipl.-Psych. Christoph von Castell vom Psychologischen Institut der JGU. Obwohl die Innenraumgestaltung ein großes Thema ist, gibt es dazu kaum wissenschaftliche Belege. Von Castell hat in zwei Studien mit insgesamt 120 Teilnehmern eine systematische Untersuchung durchgeführt, wie sich Objekte in einem Raum auf die wahrgenommene Raumgröße auswirken. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass möblierte Räume als höher, aber auch als weniger geräumig empfunden werden.

In Zeitschriften über Architektur oder Innenarchitektur finden sich zuhauf Ratschläge für die Einrichtung von großen und kleinen Räumen ebenso wie in Lehr- und Sachbüchern: Helle Objekte vor einer dunklen Wand, so heißt es etwa, würden als leichter wahrgenommen, wohingegen dunkle Objekte vor einer hellen Wand schwer erschienen. Dunkle und schwere Möbel seien für kleine Räume ungeeignet. Flache, minimalistische Einrichtungen wie man sie von japanischen Wohnungen kennt, ließen einen Raum größer wirken. Große Möbel sollten an Wänden platziert werden, um kleine Räume größer erscheinen zu lassen. Jeder Raum brauche, so eine weitere Theorie, zumindest ein großes Möbelstück als Blickfang.

"Leider fehlt für praktisch all diese detaillierten Empfehlungen der empirische Nachweis", so Christoph von Castell. In zwei Experimenten sind er und seine Kollegen der Frage nachgegangen, ob sich möblierte von unmöblierten Innenräumen hinsichtlich der wahrgenommenen Ausdehnung der Raumdimensionen - also in Breite, Tiefe und Höhe - und der erlebten Geräumigkeit unterscheiden. Das erste Experiment erfolgte mit einem Raummodell, das einen quadratischen Raum im Verhältnis 1:10 darstellt und durch eine Sichtöffnung zu betrachten ist. Eine Möblierung hat sich in diesem Experiment sowohl auf die wahrgenommenen Höhe als auch die Bewertung der Geräumigkeit ausgewirkt, wobei die Versuchspersonen den möblierten Raum als höher, aber weniger geräumig empfunden haben. Im zweiten Experiment wurde eine Virtuelle-Realität-Umgebung (VR) mit verschiedenen Raumgrößen geschaffen. Ob diese Räume möbliert oder unmöbliert waren, spielte in der VR-Umgebung für die Wahrnehmung der Raumdimensionen oder der Geräumigkeit keine Rolle.

"Wir können auf jeden Fall davon ausgehen, dass unsere Wahrnehmung der Raumdimensionen nicht mit der Empfindung von Geräumigkeit übereinstimmen muss", fasst von Castell die Ergebnisse zusammen. Ein großer Raum wirkt also nicht unbedingt auch geräumig. Auch die Möblierung eines Raumes lässt ihn wohl nicht geräumiger wirken, sondern im Gegenteil eher etwas weniger geräumig. "Die Frage, ob Möblierung die wahrgenommene Größe erhöht, zum Beispiel beim Angebot einer Mietwohnung, ist nicht einfach mit Ja oder Nein zu beantworten, sondern ist wesentlich abhängig von der Interaktion zwischen Raum und der Art der Möbel."

Veröffentlichung:
Christoph von Castell, Daniel Oberfeld, Heiko Hecht
The Effect of Furnishing on Perceived Spatial Dimensions and Spaciousness of Interior Space
PLoS ONE, 19. November 2014
DOI: 10.1371/journal.pone.0113267


Weitere Links:
http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0113267
(Article)

http://www.uni-mainz.de/presse/38233.php
(Pressemitteilung "Bei welcher Deckenfarbe wirkt ein Raum höher? Praktikertipps aus dem Psychologielabor")

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution218

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Petra Giegerich, 22.01.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Januar 2015


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