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MELDUNG/264: Welches Kind kann der süßen Versuchung widerstehen? (idw)


Universität Osnabrück - 13.05.2015

Welches Kind kann der süßen Versuchung widerstehen? Interkultureller Marshmallow-Test


OSNABRÜCK. - Wie weit wird mein Kind es bringen? Wird es sein Leben erfolgreich meistern? Diese Fragen treiben wohl alle Eltern um, und es gibt einen Test, der darauf recht verlässliche Antworten geben kann: der Marshmallow-Test. Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes haben Wissenschaftler des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) und der Universität Osnabrück in Kooperation mit den Universitäten Bielefeld, Frankfurt und Gießen nun einen interkulturellen Marshmallow-Test durchgeführt mit erstaunlichen Ergebnissen.


Der Testaufbau sieht auf den ersten Blick sehr einfach aus: Man legt einem Kind ein Marshmallow vor die Nase und sagt: »Du kannst es jetzt essen - oder du wartest noch 15 Minuten, dann bekommst du zwei Marshmallows.« Je länger das Kind der Verlockung widersteht, desto besser wird es durchs Leben kommen, so die wissenschaftlich gut abgesicherte Prognose. Den Test hat Prof. Dr. Walter Mischel in den 1960er Jahren entwickelt.

Getestet wurden jetzt 125 Kinder aus Deutschland und 76 kamerunische Nso-Kinder auf ihre Fähigkeit zum »Belohnungsaufschub« beziehungsweise zur »inhibitorischen Kontrolle«, wie es in der Fachsprache heißt. Während die getesteten deutschen Kinder nur zu etwa 30 Prozent der süßen Versuchung widerstehen konnten und damit viele frühere Untersuchungsergebnisse in westlichen Ländern bestätigten, schafften es die kamerunischen Kinder zu erstaunlichen 70 Prozent.

nifbe-Forschungsstellen-Leiterin Dr. Bettina Lamm sieht die Ursache in grundsätzlich verschiedenen Erziehungs- und Sozialisationsvorstellungen zwischen westlichen Gesellschaften und solchen aus Afrika, Asien oder auch Südamerika. In letzteren würden Kinder von Anfang an sehr viel stärker zur Emotionskontrolle erzogen und stellten ihre persönlichen Bedürfnisse nicht so stark in den Vordergrund.

Grundsätzlich unterscheidet Dr. Lamm, die derzeit auch die Professur »Entwicklung und Kultur« am Institut für Psychologie der Universität Osnabrück vertritt, zwischen zwei prototypischen kulturellen Modellen: Einerseits das in westlichen Mittel- und Oberschichtsfamilien vorherrschende kulturelle Modell der psychologischen Autonomie, in dem das Kind im Mittelpunkt steht und die Ausbildung seiner Eigenständigkeit, Individualität und freien Willensäußerung gefördert wird. Andererseits das relationale kulturelle Modell, in dem die soziale Gemeinschaft im Mittelpunkt steht und die Erwachsenen gegenüber ihren Kindern eine klar definierte hierarchische »Expertenrolle« einnehmen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter: http://idw-online.de/de/institution66

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Osnabrück, Dr. Utz Lederbogen, 13.05.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2015

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