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MEDIEN/018: Gewalt aus dem Netz? (welt der frau)


welt der frau 11/2007 - Die österreichische Frauenzeitschrift

Gewalt aus dem Netz?

Von Michaela Herzog


Sind Internet und Medien Hauptursache für jugendliche Gewalthandlungen? Der Leiter der Mobbing- und Gewaltpräventionsstelle der Kinder- und Jugendanwaltschaft OÖ., Dr. Rupert Herzog, teilt diese Auffassung nicht.


WELT DER FRAU: Schuld an der zunehmenden Gewaltbereitschaft von Jugendlichen seien Medien und Internet. Teilen Sie diese Meinung?

HERZOG: Nein, denn Gewalt ist ein komplexes Phänomen. Es gibt bei Gewalthandlungen keine einfachen Ursache-Wirkung-Zusammenhänge.

Zweifelsohne gehören Internet und Computerspiele zu den Risikofaktoren, die beitragen können, dass Jugendliche zur Gewalt greifen. Vor allem bei Jugendlichen, die viele Stunden täglich extrem gewalthaltige Filme schauen und Spiele spielen. Doch andere Faktoren sind wichtiger.

WELT DER FRAU: Welche Jugendlichen neigen besonders zum exzessiven Schauen und Spielen?

HERZOG: Vor allem männliche Jugendliche, die eine aggressive Persönlichkeit entwickelt haben - was unter anderem mit Gewalterfahrungen in der Kindheit zu tun hat. Bei Burschen hat es mit dem Bild vom starken, kämpfenden Mann ohne Gefühle zu tun.

Wenn Eltern - was Zeit und Inhalt des Internetkonsums betrifft - wegschauen, dann ist die Gefahr groß, dass diese Jugendlichen extrem viel und extrem gewalthaltige Inhalte konsumieren.

WELT DER FRAU: Wenn Internet und Medien nicht entscheidend sind, was dann?

HERZOG: Die Mehrheit aller schweren Gewalthandlungen werden von drei bis fünf Prozent der Jugendlichen begangen. Drei Viertel von ihnen wurden in ihrer Kindheit gedemütigt, geschlagen, vernachlässigt. Der Gewalt von Jugendlichen geht immer die Gewalt von Erwachsenen voraus.

Gewalt ist kein individuelles Problem, sondern ein soziales Phänomen. Einkommensunterschiede wirken sich auch auf die Jugendkriminalität aus.

Bei schwerwiegenden Gewalthandlungen von Jugendlichen fällt auf, dass sie sehr oft von der Dynamik der Gruppe oder vom Einzelnen ausgehen, der ausgeschlossen wurde. Die Einstellung des sozialen Umfelds, der Peergroup, der Schulklasse zu Mobbing und Gewalt ist also enorm wichtig.

WELT DER FRAU: Warum spielen so viele Kinder und Jugendliche Computerspiele?

HERZOG: Sie sind aus der Jugendkultur nicht mehr wegzudenken. Computerspiele sind ungemein raffiniert aufgebaut und sehr anspruchsvoll gestaltet. Vergleichbar mit einem exzellenten Pädagogen. Jeder Spieler findet den idealen Level. Die Jugendlichen werden weder über- noch unterfordert. Herausforderungen sind bewältigbar und werden belohnt. Die Spiele bieten Spaß, Abenteuer und Freiraum. Und sie zeigen Vorbilder. Visuelle, die in der realen Welt oft fehlen. Vor allem den Burschen fehlen häufig Vorbilder, die gewaltfreie Konfliktbearbeitungsmöglichkeiten zeigen und vorleben.

Die tatsächlichen Gefahren gehen also nicht so sehr von Bildern und Spielen aus, sondern von realen Beziehungen oder Nicht-Beziehungen.


Buchtipp:
Rupert Herzog: "Gewalt ist keine Lösung!"
Gewaltprävention und Konfliktmanagement an Schulen
Veritas Verlag, 112 Seiten, Euro 16,90


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Quelle:
welt der frau - Die österreichische Frauenzeitschrift,
Ausgabe 11/2007, Seite 24
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und der Autorin
Herausgeberin: Katholische Frauenbewegung Österreichs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2007