Leibniz-Institut für Wissensmedien - 15.06.2015
Glück oder Neid? - Posts auf Facebook
Befürchtungen, Surfen auf Facebook hätte negative psychische Auswirkungen, haben sich nicht bewahrheitet. Forscherinnen am Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen haben herausgefunden: Positive Posts auf Facebook machen eher glücklich als neidisch. In zwei Studien haben sie untersucht, welche Emotionen die meist positiven Statusmitteilungen auf Facebook auslösen.
Tübingen, 15.06.2015 Statusmitteilungen auf Facebook sind überwiegend
positiv: Urlaubsfotos, gesellige Aktivitäten mit Freunden oder Erfolge. In
den Medien tauchen daher immer wieder alarmierende Berichte auf, die
ständige Konfrontation mit dem scheinbar perfekten Leben anderer auf
Facebook würde Neid und Missgunst auslösen. Ruoyun Lin, Doktorandin am
Leibniz-Institut für Wissensmedien Tübingen, und Prof. Dr. Sonja Utz geben
Entwarnung. In einer Onlinestudie baten die Forscherinnen Facebook-Nutzer,
die vier neuesten Statusmitteilungen in ihrer Timeline zu beurteilen: wie
positiv ist der Inhalt, wie nahe stehen sie der Person, die die Mitteilung
geschrieben hat, welche Emotionen hat das Post ausgelöst? Dabei zeigte
sich, dass Freude deutlich häufiger vorkommt als Neid oder Eifersucht. Je
positiver der Inhalt, desto stärker die Freude bzw. der Neid. Zusätzlich
spielt die Beziehungsstärke eine Rolle: "Kam der Beitrag von einem
nahestehenden Freund und nicht von einem losen Bekannten, empfanden die
Befragten ein höheres Maß an Freude bzw. an gutartigem, motivierendem
Neid", sagt Ruoyun Lin.
Neid ist jedoch unabhängig von der Beziehungsstärke. Personen mit niedrigem Selbstwert reagieren eher neidisch, egal wie eng die Beziehung der Facebook-Freunde ist. Diese Studie zeigt, welche Emotionen Facebook-Nutzende beim Lesen empfinden. Allerdings könnten die Ergebnisse zur Beziehungsstärke auch durch andere Faktoren beeinflusst werden; möglicherweise posten enge Freunde andere Inhalte als Bekannte (oder der Facebook-Algorithmus wählt andere Inhalte aus).
Daher wurde in einer zweiten experimentellen Studie allen Teilnehmenden dasselbe Urlaubsfoto gezeigt. Je nach Bedingung sollten sie sich vorstellen, dass dieses Bild von einem engen Freund, einem Bekannten oder einem sehr entfernten Bekannten kommt. In dieser Studie wurde zusätzlich zwischen gutartigem und bösartigem Neid unterschieden. Wieder war dasselbe Muster festzustellen: Freude war die dominante Motivation. Wenn Personen Neid empfanden, dann gutartigen. Diese Emotionen waren wieder umso stärker, je enger die Beziehung zum Sender war. Bösartiger Neid dagegen war nur vom Persönlichkeitsmerkmal Neid abhängig.
Facebook löst also keineswegs so viel Neid aus, wie oft befürchtet wird. Im Gegenteil, die meisten Nutzer freuen sich mit ihren Freunden. Bösartiger Neid tritt allenfalls bei Personen mit niedrigem Selbstwert oder chronischem Neid auf. Diese Personengruppe reagiert aber immer neidisch - egal, ob die Mitteilung von einer guten Freundin oder einem entfernten Bekannten kommt, ob auf Facebook oder offline.
Die Studie ist Teil des ERC-Starting Grant Projekts ReDefTie (Redefining
tie strength - how social media (can) help us to get non-redundant useful
information and emotional support). Die Forscherinnen untersuchen die
Effekte und Wirkung der social media-Nutzung. Die Ergebnisse können
helfen, die Gestaltung von social media-Plattformen zu optimieren, um
damit das Wohlbefinden der Nutzer zu erhöhen.
Link zur Studie:
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S074756321500360X
Das Leibniz-Institut für Wissensmedien
Das Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen erforscht das
Lehren und Lernen mit digitalen Technologien. Rund 60 Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler aus Kognitions-, Verhaltens- und Sozialwissenschaften
arbeiten multidisziplinär an Forschungsfragen zum individuellen und
kooperativen Wissenserwerb in medialen Umgebungen. Seit 2009 unterhält das
IWM gemeinsam mit der Universität Tübingen Deutschlands ersten
Leibniz-WissenschaftsCampus zum Thema "Bildung in Informationsumwelten".
Internetadresse:
www.iwm-tuebingen.de.
Die Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 89 selbständige
Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-,
Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und
Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute
bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante
Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte
Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und
bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft
setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft,
Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive
Kooperationen mit den Hochschulen u.a. in Form der WissenschaftsCampi, mit
der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen
einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen
Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern
Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die
Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.100 Personen, darunter 9.200
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute
liegt bei 1,64 Milliarden Euro.
www.leibniz-gemeinschaft.de
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1393
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Wissensmedien, Dr. Evamarie Blattner, 15.06.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juni 2015
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang