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RATGEBER/035: Wenn Jugendliche Partner nach Hause bringen (welt der frau)


welt der frau 5/2007 - Die österreichische Frauenzeitschrift

Der Freund in meinem Haus
Wenn Jugendliche Partner nach Hause bringen, ändert sich einiges im Familienleben. Je klarer die Regeln, desto besser läuft es.

Von Eva Reithofer-Haidacher


Irene Bittner, Familientherapeutin, rät im Umgang mit dem Freund der Tochter:
"Fragen Sie, was Sie als Eltern wollen, und handeln Sie klar."


Es ist einer jener Augenblicke, die man nie vergisst: Frühmorgens betritt man den Vorraum und sieht neben den Turnschuhen der 17-jährigen Tochter ein zweites Paar - Größe 48. Diese großen schwarzen Schuhe mit den weißen Streifen sind als Symbol für einen neuen Lebensabschnitt unvergesslich. Das Kind ist kein Kind mehr, es hat einen Partner. Man fühlt sich über Nacht um Jahre, ja um eine ganze Generation gealtert und Unsicherheit überfällt einen. Der junge Bursche ist also mehr als ein Flirt. Passt er in die Familie? Wird es Konflikte geben? Ist Laisser-faire angesagt oder müssen Regeln aufgestellt werden?

Bilder aus Erzählungen werden wach. Das von Melanie mit der strengen Mutter, die sich nur am Wochenende mit ihrem Freund treffen durfte und um spätestens Mitternacht daheim sein musste. Ein halbes Jahr lang hat sie um halb zwölf Uhr sein Haus verlassen, um ja pünktlich zu Hause zu sein. Dann war sie 18 und ist sofort zu ihm gezogen. Mit der Mutter hat Melanie seither kaum mehr Kontakt, die Eltern und Geschwister des Freundes sind ihre Ersatzfamilie geworden. Die Tochter verlieren - eine furchtbare Vorstellung!

Das Bild von der Familie Karins erscheint, die ihren Freund wie ein zusätzliches Kind aufgenommen hat. Die voll berufstätige Mutter kocht nicht nur für den 19-Jährigen, sondern wäscht und bügelt auch seine Kleidung und er fährt selbstverständlich mit auf Urlaub. Will man das wirklich?

Oder die Geschichte von der Gymnasiastin Ruth, deren Eltern ihren Freund ablehnen, weil er keine Matura hat. Er möchte deshalb nicht zu ihr kommen und sie darf nur dann zu ihm, wenn sie gute Noten schreibt. Ist das eine sinnvolle Lösung?


Klare Regeln

Allgemeingültige Rezepte gibt es in dieser Situation wohl kaum. "Wie mag ich es?" Die Grazer Familientherapeutin Irene Bittner rät Eltern, sich zuallererst mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen auseinanderzusetzen. Stört mich eine zusätzliche Person im Haus oder habe ich den jungen Mann gerne um mich? Will ich, dass er sich im Haushalt beteiligt? Passt er zu uns? Diese Fragen sind durchaus erlaubt, auch wenn sie nicht immer leichtfallen. "Eltern haben oft zu wenig Zeit für die Kinder und setzen aus schlechtem Gewissen keine Grenzen", konstatiert Bittner. "Mütter glauben, sie lieben ihr Kind nicht, wenn sie etwas verbieten." Doch das Gegenteil sei der Fall: "Je klarer die Regeln, desto besser läuft es."

Jugendliche wollen sich auskennen und können mit einer Autorität im positiven Sinn gut leben. Fatal wird es, wenn man von den eigenen Bedingungen nicht überzeugt ist, wenn Regeln halbherzig und mit innerer Unsicherheit - "Eigentlich tät ich's ja schon gern erlauben" - aufgestellt werden. Jugendliche merken die Schwachstelle sofort. Aggression und Rebellion sind die Folge, der Haussegen hängt endgültig schief.


Eine gute Waage

Freilich ist die Frage des Alters mit entscheidend. Wenn schon sehr junge Mädchen Freunde haben, müssen engere Grenzen gezogen werden. Irene Bittner erinnert sich an eine Mutter, die sie gefragt hat, ob sie der 13-jährigen Tochter erlauben soll, viermal in der Woche auszugehen. "In diesem Alter sollten sie sich lieber tagsüber sportlich oder musikalisch betätigen, als abends Billard spielen zu gehen", so der Rat der Expertin. Bei 17-Jährigen handelt es sich hingegen schon um junge Erwachsene. Wo über Jahre in der Familie eine Gesprächskultur gepflegt wurde, wird es nicht schwer sein, die Jugendlichen auch in diesem Fall als ernst zu nehmende Gesprächspartner einzubeziehen. Was wünschen sie sich? Wo gibt es Differenzen zu den Eltern? Wie kann ein Mittelweg gefunden werden? "Es muss eine gute Waage zwischen Erlauben und Verbieten geben", so Irene Bittner. Wenn die Eltern untereinander uneinig sind, kann das durchaus auch vor den Sprösslingen ausdiskutiert werden. "Alles, was authentisch ist, ist gut für die Kinder." Die Psychotherapeutin hält nicht viel vom Elterndisput hinter verschlossenen Türen.

Aber es kommt auch vor, dass Entscheidungen ohne Absprache mit dem Ehepartner gefällt werden. "Der Papa hat's aber erlaubt." Welche Mutter kennt diesen Satz nicht? Er muss kein Grund zur Panik sein. Wenn ein Elternteil eine Entscheidung getroffen hat, sollte dieser auch die Verantwortung dafür übernehmen und alle Konsequenzen tragen. Das heißt: Wenn der Vater im Gegensatz zur Mutter das Übernachten des Freundes erlaubt, muss er mit der Tochter über Verhütung sprechen, dafür Sorge tragen, dass sie am nächsten Tag rechtzeitig in der Schule ist, und vieles mehr. "Diese Art, auch Vätern Konsequenzen zuzumuten, ist in unserer Gesellschaft leider immer noch weitgehend verpönt", konstatiert Irene Bittner.


Nur mit der Sippe

Die großen schwarzen Turnschuhe im Vorraum - war da nicht auch das leise Gefühl: Ich will meine Tochter aber mit niemandem teilen? War da nicht ein Anflug von Eifersucht, dass es jemand Neuen, Wichtigen in ihrem Leben gibt? Vor allem Mütter von Söhnen neigen dazu, die Freundin als Konkurrentin zu sehen, die nichts gut genug machen kann. "Leute, die ihr Leben gut im Griff haben, haben in der Regel mit zukünftigen Schwiegerkindern weniger Probleme", hat Irene Bittner beobachtet. Wichtig ist es, dass beide Seiten positiv aufeinander zugehen.

"Wenn zwei sich finden, sollte man die Familie dazustellen, sie anschauen und sich klarmachen: Diesen Partner kann ich nur mit der ganzen Sippe haben", rät die Familientherapeutin. Das sei zwar erschreckend, aber auch schön: Jemand kommt hinzu im Sinne einer Bereicherung. Wichtig dabei ist es, dass die Eltern das Verhalten der Jungen nicht immerzu werten. "Du machst es gut, auch wenn du es anders machst", sollte die Haltung sein. Ständiges Nörgeln und Besserwissen vergiften die Atmosphäre und belasten das junge Paar. Wenn das Zusammenleben gar nicht funktioniert, hilft manchmal nichts, als den Kontakt auf das allernotwendigste Maß zu reduzieren. "Auch als jüngere Generation hat man das Recht, sich unangenehmen Situationen zu entziehen", rät Irene Bittner wenn die Chemie gar nicht stimmt. Glücklicherweise kein Thema beim Träger der schwarz-weißen Turnschuhe: Das Schuhwerk gehört mittlerweile seit drei Jahren zum Hausinventar und man schreckt sich nur mehr, wenn sie mehrere Tage hindurch nicht im Vorraum stehen.


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Quelle:
welt der frau - Die österreichische Frauenzeitschrift,
Ausgabe 5/2007, Seite 12-13
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und der Autorin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2007