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RATGEBER/039: Hurra, ein Fehler! (welt der frau)


welt der frau 12/2007 - Die österreichische Frauenzeitschrift

Hurra, ein Fehler!
Wer nur darauf achtet, Fehler zu vermeiden, beraubt sich vieler Möglichkeiten

Von Christa Langheiter


Von der Volksschule bis zur Pension werden Fehler dick und fett rot angestrichen. Denn Fehler zeugen hierzulande von Unzulänglichkeit und Unvermögen. Daher soll es sie möglichst nicht geben. Doch schon bei Kleinkindern hat man die Wahl, den Kindern Fehler als Möglichkeit zu Aha-Erlebnissen zu lassen oder ihnen ständig zu sagen, wie etwas richtig zu sein hat. "Man lernt nur durch Fehler. Das fängt schon beim Krabbeln an. Nur durch Fehler bekommen die Kinder mit, wie es wirklich funktioniert", sagt Eva Schrems, Kindergartenpädagogin und Leiterin des Eltern-Kind-Zentrums Kind & Kegel in Wien. Die ausgebildete Montessori-Pädagogin ist dagegen, bei Fehlern einzugreifen. "Man nimmt den Kindern damit den Erfolg und die Möglichkeit, Selbstvertrauen zu entwickeln. Man sollte ihnen Zeit zum Experimentieren lassen, höchstens einen anderen Lösungsweg ins Blickfeld rücken, statt gleich zu helfen." Ähnlich sieht es auch Elisabeth Gmeiner, Mutter von zwei Volksschulkindern. "Ich habe beispielsweise gelernt, bei einem falschen Satz nicht auf das Falsche hinzudeuten, sondern den Satz einfach richtig zu wiederholen. Oder bei Raufereien nicht zu schimpfen, sondern zu reden, um zu verstehen." Das Resümee der zweifachen Mutter: "Je lockerer man mit Fehlern oder Fehlverhalten der Kinder umgeht, umso besser, vorausgesetzt, es geht nicht um Gefahr für Leib und Leben."


Fehler bringen einen weiter

Das gilt auch im Job, fand Mag.a Monika Koczi, Bereichsleiterin bei der Telekom Austria, heraus, als ihr vor zwei Jahren plötzlich aufgrund äußerer Umstände viele Fehler passiert sind. "Wir Frauen in einem männerdominierten Umfeld bemühen uns besonders, alles perfekt zu machen. Damit bunkert man sich aber auch ein. Das führt zu Stillstand. Fehler zu machen hingegen, macht einen für andere annehmbarer." Ihre MitarbeiterInnen haben durch ihre Phase der Schwäche plötzlich die Möglichkeit gesehen, ihr auf gleicher Augenhöhe zu begegnen. Dass ihre Chefin nicht mehr unangefochten auf dem Podest stand, machte sie stärker. Mag.a Koczi: "Wenn man sich selbst so viel abverlangt, verlangt man es unbewusst auch von anderen und hat kein Verständnis für Fehler. Wenn man selbst einmal eine Phase mit Fehlern erlebt hat, wird man gelassener und menschlicher. Heute verlassen wir uns ganz anders aufeinander, und ich gehe mit meinen Fehlern viel liebevoller um."


Der Chef ist schuld

Auch als MitarbeiterIn steht man vor einer Lernaufgabe im Umgang mit den eigenen Fehlern. Einerseits ist es wenig hilfreich, auf Kritik mit Schmollen, Gekränktsein und Rückzug zu reagieren. Andererseits führt es kaum zu positiven Veränderungen, wenn man hinter dem Rücken des Chefs schimpft. "Die Kritik sollte man bei dem deponieren, den es betrifft. Und auf eine Art, die lösungsorientiert ist", sagt die Fehlerkulturexpertin Mag.a Elke Schüttelkopf. So ist es wenig sinnvoll, dem Chef in vorwurfsvollem Ton entgegenzuschleudern: "Sie reden überhaupt nicht mehr mit mir." Vielmehr könnte die Formulierung "Ich wünsche mir, dass Sie auch mit mir sprechen" zum Ziel führen. Derartige Formulierungen sind aber gar nicht so einfach, insbesondere für Frauen. Schüttelkopf: "Frauen wissen eher, was sie nicht wollen, aber nicht, was sie wollen. Sie müssen erst lernen, sich das Wollen zu erlauben. Das mag mit der klassischen Frauenrolle zusammenhängen, in der es hauptsächlich darum ging, die Wünsche der anderen zu erfüllen." Frauen tappen außerdem gern in die Perfektionismusfalle. "Sie machen sich viel zu viel Mühe, 100 Prozent an Leistung zu erbringen. Karriere machen aber nicht die Perfektionisten, sondern jene, die auch eine gewisse Fehlertoleranz entwickeln und die gewonnene Zeit etwa für Networking verwenden." Besonders in den USA gelten Fehlervermeider sogar als Risiko für ein Unternehmen. In amerikanischen Konzernen kann es sogar so weit kommen, dass demjenigen die Kündigung droht, der zu wenige Fehler macht. Mag.a Schüttelkopf: "Wer Fehler um jeden Preis vermeidet, macht immer nur, was er schon kann. So ist keine Entwicklung möglich. Wenn die Risikofreude fehlt, bleibt man im Mittelfeld, Innovationen bleiben aus." Das gilt natürlich nicht für jene Bereiche, wo aus Sicherheitsgründen Qualitätsnormen erfüllt werden müssen, wie das etwa bei Ärzten, Piloten oder in der Buchhaltung der Fall ist.


Wie sag ich's meinem Mann?

"Was sind überhaupt Fehler in der Partnerschaft?", fragt sich Psychotherapeutin und Beziehungscoach Mag.a Elisabeth Lindner. "Es kommt ja sehr auf den Blick an, den ich auf den anderen werfe. Wo ein liebevoller Blick ist, haben Fehler wenig Bedeutung. Dort, wo der andere sein darf, wie er ist, fängt die Liebe erst an. Wenn ich meine Sichtweise ändere, hat der Ehemann vielleicht noch immer einen Fehler in dem Sinn, dass etwas fehlt, aber er regt mich nicht mehr auf." Das Blickwinkelphänomen mag auch erklären, warum in der Rosa-Wolken-Phase wenig am anderen kritisiert wird, während mit fortschreitender Unzufriedenheit frisch-fröhlich am Partner herumgenörgelt wird. In der Nach-Verliebtheits-Phase lässt vielleicht auch die Sicherheit in Bezug auf die Liebe des anderen nach, sodass "man alles persönlich nimmt und gegen sich bezieht. Wenn sich der Partner dann nicht mit einem treffen will, stellt man sich schon die Frage, ob er einen nicht liebt, statt es als simples Bedürfnis nach Ruhe zu sehen", erklärt Mag.a Lindner.


Was zählt als Fehler?

Fehler am anderen zu thematisieren scheint am ehesten angesagt, wenn sie störend für die Partnerschaft sind. Besonders heikel sind für Frauen häufig mögliche Mängel am eigenen Körper. Darf der Partner denn einen kleinen Busen kritisieren? Mag.a Lindner: "Der Fehler liegt nicht im kleinen Busen, der Fehler beginnt schon früher, nämlich bei der Partnerwahl. Ein Mann, der einen großen Busen mag, sollte keine Partnerin mit einem kleinen wählen. Problematisch ist ein körperliches Manko, das im Laufe der Beziehung entstanden ist und die Partnerschaft beeinträchtigt." Etwa wenn die neue Leibesfülle des einen dazu führt, dass man nicht mehr miteinander wandern gehen kann. Dicksein allein ist noch kein objektives Manko, denn "dann würde ja kein dicker Mensch einen Partner finden", so Mag.a Lindner. "Aus meiner Erfahrung haben Männer auch weniger Probleme mit dem Äußeren ihrer Partnerinnen, als diese meinen. Vielmehr geht es ihnen auf die Nerven, dass sie dauernd vom Abnehmen reden und es dann nicht tun."

In der Partnerschaft ist wie in der Arbeitswelt Perfektionismus nicht der richtige Dünger. Statt Fehler zu verhindern, schafft er sie womöglich erst. Mag.a Lindner: "Wenn ich keine Fehler machen darf, muss ich ein Hintertürchen suchen und fange an zu lügen, dann mache ich womöglich erst recht einen riesigen Fehler. Ein System, das keine Fehler zulässt, verschließt Entwicklungen. Das Ziel in einer Partnerschaft ist, mit Unvollkommenheiten umgehen zu können."


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Stärken und Schwächen von Frauen im Umgang mit Fehlern im Beruf
Mag.a Elke Schüttelkopf, Fehlerkulturexpertin, über weibliches Berufsverhalten.

Stärken:

Sie haben eine starke Fähigkeit zur Selbstreflexion und können sich Fehler eingestehen.
Sie können über Fehler offene Diskurse führen.
Sie haben eine hohe Lern- und Veränderungsbereitschaft.
Sie geben anderen hilfreiche Unterstützung bei ihren Lernprozessen.

Schwächen:

Sie nehmen Kritik persönlich und ziehen sich oft gekränkt zurück.
Sie haben Schwierigkeiten, ihre Wünsche zur Verbesserung einer Situation zu formulieren.
Sie fokussieren nicht das Wesentliche, sondern wollen perfekt sein und alles perfekt machen.

Fazit:

Frauen haben viele Stärken, die einen konstruktiven Umgang mit Fehlern erleichtern. Mit ihrer Angst vor eigenen Fehlern stehen sie aber oft ihrer Karriere im Weg. Darum lohnt es sich für Frauen, Fehler gelassener hinzunehmen und stärker nach vorne auf ihre Ziele zu schauen.


Konstruktiver Umgang mit Fehlern in der Partnerschaft
Mag.a Elisabeth Lindner, Psychotherapeutin und Beziehungscoach, rät

Fehler zugeben statt sie verbergen.
Änderungsbereitschaft zeigen, wenn ein Fehler für die Partnerschaft störend ist.
Den Partner ins Boot holen und um Unterstützung beim Lernprozess bitten.
Um positives Feedback zur Verstärkung bitten, wenn eine Veränderung gelungen ist.
Im Dialog mit dem Partner bleiben.

www.beziehungscoaching.at


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Quelle:
welt der frau - Die österreichische Frauenzeitschrift,
Ausgabe 12/2007, Seite 28-30
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und der Autorin
Herausgeberin: Katholische Frauenbewegung Österreichs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2008