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VERBAND/081: Schulen brauchen unsere Hilfe (BDP)


Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP)
Pressemitteilung vom 12. März 2009

Schulen brauchen unsere Hilfe

BDP tritt für mehr Unterstützung von Lehrern und Eltern durch Psychologen ein


Psychologen aus dem gesamten Bundesgebiet sind nach dem Amoklauf in Winnenden am Tatort im Einsatz. Sie unterstützen Schüler, Lehrer, Eltern und Einsatzkräfte bei der Verarbeitung des entsetzlichen Geschehens. Dass diese Unterstützung nicht bloß kurzfristig unter dem Eindruck des Verbrechens stattfindet, sondern die richtigen Schlüsse für den normalen Schulalltag gezogen werden, fordert jetzt der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP).

"Wir werden Amokläufe nicht völlig verhindern können, weder durch Videoüberwachung von Schulen, noch durch Metalldetektoren und auch nicht durch eine größere Zahl von Schulpsychologen", so Klaus Seifried, Vorstandsmitglied der Sektion Schulpsychologie im BDP. "Aber wir können in der Prävention und in der Früherkennung von problematischen Entwicklungen bei Jugendlichen entscheidend mitwirken."

Der Psychologenverband fordert eine bessere Unterstützung für Lehrer, damit diese im Schulalltag Zeit haben für die wichtige Beziehungs- und Erziehungsarbeit, die neben der Vermittlung von Wissen an jeder Schule zu leisten ist. Lehrer sind wichtige Bezugspersonen für Schüler und müssen in der Lage sein, auch problematische Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. Nach PISA sei Leistung so sehr in den Mittelpunkt gerückt, dass Erziehung in vielen Fällen auf der Strecke bleibe.

Die hohe Belastung von Lehrern hatte der BDP bereits 2008 auf dem Bundeskongress für Schulpsychologie thematisiert. Aktuelle Zahlen zum Krankenstand bei Lehrern u.a. durch Burnout liegen aus Berlin vor, wo es mit 1350 noch nie so viele längerfristig kranke Lehrer gab wie gegenwärtig. Schwierige Schüler, Mehrarbeit und endlose Reformen würden seitens der Lehrer als Begründung genannt. "Lehrer brauchen ganz offensichtlich Unterstützung: Durch mehr Lehrer, aber eben auch durch Schulpsychologen in der Rolle von Coaches und Supervisoren. Wir leben nicht in der Illusion, dass ein potenzieller Amokläufer zum Schulpsychologen rennen und sich ihm offenbaren würde, selbst wenn dieser täglich in der Schule zur Verfügung steht", so Klaus Seifried. Klassenlehrer, Vertrauenslehrer und -Schüler könnten jedoch durch Psychologen unterstützt und trainiert werden, so dass sie eine Sensibilität für Problemfälle frühzeitig entwickeln.

Zweitens empfiehlt der BDP, die Elternarbeit zu verstärken. In Kooperation mit Erziehungsberatungsstellen und freien Trägern könnten Psychologen auch Eltern schulen, damit sie wieder ins Gespräch mit ihren Kindern kommen über das, was diese denken, tun und was sie gegebenenfalls bedrückt. Der massenhafte Griff zu Ratgeberliteratur zeige, wie ratlos viele Eltern bereits bei alltäglichen Fragen wie dem Umgang mit Computerspielen oder dem Internet seien, erst recht dann, wenn Kinder aggressiv würden oder sich völlig zurückzögen.

Drittens rät der BDP, in den Schulen mehr Gewicht auf soziales Lernen und die Stärkung der gegenseitigen Verantwortung unter Schülern zu legen.. Ob soziales Lernen stattfindet, dürfe nicht länger vom Interesse einzelner Lehrer und Schüler an Projekten abhängen. So ehrenvoll es sei, den Blick auf die sozialen Probleme zum Beispiel in Entwicklungsländern zu richten, so wichtig sei es zugleich, in der eigenen Schule auf das soziale Klima zu achten und z.B. Mobbing nicht zuzulassen. Der BDP tritt deshalb dafür ein, die Stärkung der sozialen Kompetenzen in die Curricula und Schulprofile zu verankern.

Aufgrund vieler Anfragen hier noch ein Hinweis des Verbandes: Eltern sollten Kinder und Jugendliche mit ihren Ängsten und Gedanken bei den Bildern dieses Amoklaufes nicht alleine zu lassen. Die Schüler brauchen die Möglichkeit, ihrem Alter angemessen über ihre Gedanken zu sprechen. Dazu müssen in der Schule und auch in der Familie Möglichkeiten kurzfristig geschaffen werden. Erwachsene dürfen aber nicht ihr eigenes Erschrecken auf die Kinder übertragen, sondern müssen ihnen die Chance geben, selber ihre Fragen stellen zu können. Diese sollten dann altersgerecht beantwortet werden.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 12. März 2009
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP)
Christa Schaffmann, Pressesprecherin
Glinkastr. 5, 10117 Berlin
Tel. 030 - 209 166 620
E-Mail: c.schaffmann@bdp-verband.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2009