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GESELLSCHAFT/273: Wohnumgebung beeinflusst eigene Vorurteile (idw)


FernUniversität in Hagen - 04.03.2014

Wohnumgebung beeinflusst eigene Vorurteile



Wissenschaftler der FernUniversität in Hagen und der Universität Oxford untersuchten Veränderungen durch Kontakte mit Minderheiten. Danach werden ethnische Vorurteile von Personen, die einer Majorität angehören, deutlich reduziert, wenn sie in Nachbarschaften leben, in der es viele positive Kontakte mit verschiedenen Minderheiten gibt. Dieser Effekt ist auch dann zu beobachten, wenn sie selbst keinen eigenen direkten Kontakt mit Angehörigen von Minderheiten haben. Um Vorurteile abzubauen helfen also schon gute Kontakte anderer Mitglieder der Majorität zu Minoritäten. Ethnische Vorurteile sind deutlich von der eigenen Wohnumgebung beeinflusst.

Ethnische Vorurteile von Personen, die einer Majorität angehören, werden deutlich reduziert, wenn sie in Nachbarschaften leben, in der es viele positive Kontakte mit verschiedenen Minderheiten gibt. Dieser Effekt ist auch dann zu beobachten, wenn sie selbst keinen eigenen direkten Kontakt mit Angehörigen von Minderheiten haben. Um Vorurteile abzubauen helfen also schon gute Kontakte anderer Mitglieder der Majorität zu Minoritäten. Ethnische Vorurteile sind deutlich von der eigenen Wohnumgebung beeinflusst.

Das ist das Ergebnis einer neuen Untersuchung einer internationalen Gruppe von Forscherinnen und Forschern, die von Wissenschaftlern der FernUniversität in Hagen und der Universität in Oxford, Großbritannien, geleitet wurde. Die Leitung des Forschungsprojekts lag bei Privatdozent Dr. Oliver Christ, Lehrgebiet Psychologische Methodenlehre, Diagnostik und Evaluation, FernUniversität, und Prof. Dr. Miles Hewstone von der Universität in Oxford, Großbritannien. Gefördert wurde es durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), den Leverhulme Trust und die Max-Planck-Gesellschaft.

Basierend auf Umfragedaten aus sieben Studien, die zwischen 2002 und 2011 in Deutschland, England, Europa, den USA und Südafrika durchgeführt wurden, untersuchte das Forscherteam die Einstellung von Personen gegenüber unterschiedlichen ethnischen Gruppen. Die Ergebnisse, werden in der 10. Kalenderwoche in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht. Danach weisen selbst Personen, die Kontakte mit ethnischen Minderheiten gezielt vermeiden, weniger Vorurteile auf, wenn in ihrer Umgebung Kontakte zwischen unterschiedlichen Ethnien üblich sind.

"Wir können zeigen, dass positive Kontakte zwischen Personen unterschiedlicher ethnischer Gruppen generell zu einer höheren Toleranz führen", sagt Dr. Oliver Christ vom Psychologischen Institut der FernUniversität in Hagen. "Erstaunlicherweise sehen wir nicht nur eine Verminderung von Vorurteilen bei Menschen, die selbst positive direkte Kontakte mit ethnischen Minderheiten haben. Dieser Effekt ist auch bei jenen zu beobachten, die lediglich Freunde mit solchen Kontakten haben. Vorurteile reduzieren sich, wenn man in einer Umgebung lebt, in der die Menschen ganz generell positive Kontakte mit Angehörigen von Minderheiten haben."

Dies erläutert Christ an einem Beispiel: "Wenn zwei weiße Personen mit identischen Einstellungen gegenüber Minderheiten ein Jahr lang in zwei unterschiedlichen Stadtteilen leben, würden sich ihre Einstellungen sehr wahrscheinlich ganz unterschiedlich verändern. Voraussetzung ist natürlich, dass sich ihre Umgebungen im Hinblick auf das Ausmaß an positiven Kontakten zwischen unterschiedlichen ethnischen Gruppen unterscheiden", sagt Dr. Oliver Christ, der Erstautor der Untersuchung. "Die Person, die in einer Nachbarschaft mit mehr Kontakten lebt, wird sehr wahrscheinlich toleranter werden, selbst dann, wenn sie selbst nie mit jemandem aus einer ethnischen Minderheit gesprochen hat."

Um auszuschließen, dass nur Personen mit hoher Toleranz solche ethnisch gemischten Nachbarschaften aufsuchen, wurden zwei der sieben Studien über mehrere Jahre hinweg durchgeführt: So konnten die Veränderungen der Einstellung über einen größeren Zeitraum beobachtet werden. Diese Längsschnitt-Befragungen zeigen, dass selbst Personen mit extremen Vorurteilen und ohne jeglichen Kontakt gegenüber Minderheiten toleranter werden, wenn ihre Nachbarn Berührungspunkte mit Minderheiten haben. "In den Stadtteilen mit dem höchsten Anteil ethnischer Minderheiten sanken eindeutig die Vorurteile am stärksten", so Christ. "Wir sehen keinen Anlass daran zu zweifeln, dass die Ergebnisse der beiden Längsschnitt-Befragungen aus Deutschland auch für andere Länder gelten dürften. Die Querschnitt-Ergebnisse aus England, den USA und Südafrika unterstützen diese Annahme."

Für die jüngste Befragung wurde eine Stichprobe von insgesamt 1.976 Deutschen aus 50 Stadtteilen in Deutschland, alle mit einem unterschiedlichen Anteil ethnischer Minderheiten, im Frühjahr 2010 befragt. Insgesamt 1.054 der Teilnehmer konnten ein Jahr später wiederbefragt werden. Die deutschen Teilnehmer wurden zu der Häufigkeit und Qualität der Kontakte mit Ausländern in ihrer Nachbarschaft befragt. Vorurteile wurden über die Zustimmung zu Aussagen erfasst, die unter anderem vorgaben, dass Ausländer eine Belastung für das soziale Netz sind und Deutschen Arbeitsplätze wegnehmen.


Politik sollte Kontakte fördern

Die Wissenschaftler der FernUniversität und der Universität Oxford schließen aus ihren Untersuchungen, dass die Politik mehr unternehmen sollte, um Kontakte zwischen unterschiedlichen ethnischen Gruppen zu fördern: "Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese Kontakte nicht nur die Vorurteile von einzelnen Personen reduzieren, sondern dass dieser Effekt in der gesamten Nachbarschaft zu beobachten ist. Eingriffe, die solche Intergruppenkontakte wahrscheinlicher machen, helfen auch dabei, tolerantere Normen in der Gesellschaft zu etablieren. Auf längere Sicht sollte dies zu verbesserten Intergruppenbeziehungen führen."

Die Leitung des Forschungsprojekts lag bei Dr. Oliver Christ von der FernUniversität in Hagen und Prof. Dr. Miles Hewstone von der Universität in Oxford, Großbritannien. An dem Projekt waren außerdem beteiligt: Katharina Schmid und Simon Lolliot (Universität in Oxford, Großbritannien), Hermann Swart (Universität in Stellenbosch, Südafrika), Dietlind Stolle (McGill Universität in Montreal, Kanada), Nicole Tausch (Universität in St Andrews, Großbritannien), Ananti Al Ramiah (Yale-NUS College, Singapur), Steven Vertovec (Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften) und Ulrich Wagner (Philipps-Universität Marburg).

Die Ergebnisse sind in den Proceedings of the National Academy of Sciences mit dem Titel "Contextual effect of positive intergroup contact on outgroup prejudice" publiziert.

Weitere Informationen unter:
http://www.ox.ac.uk/media/news_stories/2014/140304.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution151

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
FernUniversität in Hagen, Susanne Bossemeyer, 04.03.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2014