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MELDUNG/013: Jürgen Brähmer erneut zu einer Haftstrafe verurteilt (SB)



Staatsanwaltschaft und Verteidigung legen Berufung ein

Jürgen Brähmer ist vor dem Schweriner Amtsgericht zu einer Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Der Richter sprach den vorbestraften WBO-Weltmeister im Halbschwergewicht aus dem Hamburger Universum-Boxstall der Körperverletzung in zwei Fällen und der Beleidigung schuldig. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß der 31jährige am 31. Mai 2008 dem Betreiber der Schweriner "Booze Bar", Amre Z., zwei Faustschläge versetzt hat. Am 13. September 2008 soll er die Klägerin Doreen A. vor der Schweriner Diskothek "Madison" nach einem Wortgefecht mit einem Schlag unter die Nase erheblich verletzt haben.

Zwei Tage später wäre Brähmers Bewährung aus dem Jahr 2005 abgelaufen gewesen. Er war 1998 wegen gemeinschaftlichen Raubes und Körperverletzung zu einer mehrjährigen Jugendstrafe verurteilt worden. Nach einer weiteren Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung und einer erneuten Haftstrafe ist er seit 2005 auf freiem Fuß.

Nach zwölf Verhandlungstagen verlas Amtsrichter Rainer Schmachtel das Urteil und sprach bei dessen Begründung Brähmer direkt an: "In zwei Fällen ist es wieder mit Ihnen durchgegangen. Sie haben erneut Ihre Fäuste eingesetzt. Sie sind zu bestrafen." Einer Reihe von Zeugen, welche die Klägerin Doreen A. belastet und zugunsten Brähmers ausgesagt hatten, schenkte der Richter keinen Glauben. Wie dieser andeutete, habe nur eine Zeugin "keine erkennbaren Interessen" an den Fällen gehabt. Schmachtel unterstellte zwar nicht direkt, daß jemand zugunsten des Angeklagten gelogen habe, bezeichnete aber die Aussagen mindestens in Teilen als nicht nachvollziehbar. Auch berücksichtigte der Amtsrichter nicht, daß die Geschädigten inzwischen beteuert haben, sie wollten Brähmer gar nicht vor Gericht bringen. Er stufte insbesondere den zweiten Vorfall als so schwerwiegend ein, daß ein Bedarf an Strafverfolgung bestehe.

Hingegen hatten die Verteidiger Freispruch für Brähmer beantragt. Das Urteil sei nicht das letzte Wort in diesem Fall, kündigte Rechtsanwalt Johannes Eisenberg eine Berufung an. Die Urteilsbegründung sei nicht nachzuvollziehen. Wahrscheinlich wolle das Opfer unter dem Vorwand einer Verletzung von Brähmer Schmerzensgeld. Offenbar habe der Richter ein persönliches Problem. An Brähmer seien Maßstäbe angelegt worden, die an andere nicht angelegt werden: "Wir legen Rechtsmittel ein."

Staatsanwalt Wulf Kollorz, der auf 18 Monate ohne Bewährung plädiert hatte und das Urteil eigenen Angaben zufolge für zutreffend hält, hat bereits wegen eines juristischen Formfehlers des Richters Berufung eingelegt. Damit ist das Urteil nicht rechtskräftig und wird in der nächsten Instanz vom Schweriner Landgericht überprüft. Bis dahin bleibt Brähmer, da kein Haftbefehl vorliegt, auf freiem Fuß und darf weiter seinem Beruf nachgehen.

Jürgen Brähmer kommentierte das Urteil gegenüber Pressevertretern mit den Worten: "Das habe ich von Anfang an erwartet. Mehr darf ich dazu jetzt nicht sagen." Er hat mehr als fünf Jahre seines Lebens im Gefängnis verbracht und engagiert sich seit einiger Zeit für ein Gefangenenprojekt der Hamburger Justizbehörde. Dabei werden von Strafgefangenen T-Shirts und andere Kleidungsstücke gefertigt, deren Erlös zum Teil an die Opferorganisation "Weißer Ring" geht.

Der Schweriner hat erst vor drei Wochen seinen WBO-Titel durch einen Punktsieg erfolgreich gegen den Russen Dmitri Suchotski verteidigt. Er darf seinen Titel vorerst behalten, doch sollte er in der Revision scheitern, wäre das vermutlich das Ende seiner Karriere. Trainer Michael Timm bezeichnete das Urteil in einem Telefongespräch an seinem Urlaubsort in der Dominikanischen Republik als "eine Bombe". Er könne das nicht glauben. Timm kennt seinen Schützling seit langem, da er ihn schon trainiert hatte, als dieser gerade 14 Jahre alt war. Er machte sich beim Universum-Boxstall für einen Profivertrag Brähmers stark, der 1999 noch im Jugendgefängnis unterschrieben wurde. Als Freigänger hatte Brähmer seinen Trainer Michael Timm als Bewährungshelfer, der ihm bis heute treu geblieben ist.

Auch der Chef des Hamburger Universum-Boxstalls, Klaus-Peter Kohl, stärkte seinem Boxer demonstrativ den Rücken: "Das heute gesprochene Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Wir werden uns in Ruhe die Urteilsbegründung ansehen und uns mit Jürgen und seinen Anwälten Eisenberg und König besprechen. Diese haben schon angekündigt, in Berufung zu gehen. Wir gehen daher weiter von der Unschuldsvermutung aus. Aufgrund der positiven Gutachteraussagen und da es nicht einen einzigen Belastungszeugen außer der Klägerin gegen Jürgen gibt, glaube ich weiterhin an Jürgens Unschuld. Wir planen weiterhin mit ihm."

Universums Fernsehpartner ZDF, der Brähmer in den vergangenen Jahren als Hauptkämpfer aufgebaut hatte, hat noch keine endgültige Entscheidung getroffen. "Wir werden intensiv mit der Geschäftsleitung diskutieren, wie wir mit Jürgen Brähmer in Zukunft verfahren", sagte ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz. Der Sender überträgt Kämpfe von Dopingsündern nicht live und legt bei juristischen Verfehlungen möglicherweise ähnliche Maßstäbe an.

14. Januar 2010