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MELDUNG/324: Dimitrenko vor Kampf gegen Sosnowski kollabiert (SB)



Schweriner Titelverteidigung des Europameisters ausgefallen

Europameister Alexander Dimitrenko konnte seinen Titel nicht wie geplant in Schwerin gegen den Polen Albert Sosnowski verteidigen. Der Schwergewichtler aus dem Hamburger Universum-Boxstall erlitt gut eine Stunde vor seinem Kampf einen Zusammenbruch und mußte ärztlich notbehandelt werden. Nach Angaben des Ringarztes Christoph Goetz lag Dimitrenko mit sehr schwachem Blutdruck am Boden, hyperventilierte und hatte die Hände stark verkrampft. Nachdem er die Nacht in den Schweriner Helios Kliniken verbracht hatte, konnte der 28jährige wieder entlassen werden. Die genaue Ursache des Kollapses soll im Rahmen weiterer Untersuchungen in Hamburg festgestellt werden. Bisher gilt eine Lebensmittelvergiftung als wahrscheinlichster Grund für die gesundheitlichen Probleme des gebürtigen Ukrainers, der erst im November eingebürgert worden war.

Wie sein Trainer Michael Timm berichtete, habe er sich gerade umgedreht, um die Tapes zu holen. In diesem Augenblick sei Dimitrenko zu Boden gestürzt, wo er ihn sofort in die stabile Seitenlage gedreht und dann umgehend die Ärzte gerufen habe. Ungeachtet der Beteuerungen seines Schützlings, daß er unbedingt boxen wolle, habe dies der Ringarzt untersagt. Goetz zufolge hatte sich der Zustand des Ukrainers stabilisiert, doch sei ein Kampf für ihn nicht in Frage gekommen.

Dimitrenko teilte nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus mit, daß es ihm schon wieder besser gehe. So etwas habe er noch nie erlebt. Es tue ihm leid für die Zuschauer in der Halle und zu Hause vor dem Fernseher. Nun hoffe er, schnell wieder gesund zu werden und den Kampf nachzuholen. Er wolle seinen Titel so bald wie möglich gegen Sosnowski verteidigen.

Der 31 Jahre alte Herausforderer Sosnowski wirkte betroffen und sagte, daß es ihm sehr leid für Sascha tue. Die Gesundheit sei natürlich viel wichtiger als irgendein Kampf. Er sei sehr enttäuscht, da er sich den Titel zurückholen wollte. Deshalb hoffe er, den Kampf bald nachholen zu können. Sollte Sascha nicht rechtzeitig fit sein, könnte der Titel für vakant erklärt werden. Dann würde er gegen einen anderen Gegner antreten, sagte der Pole.

Dimitrenko, der den Titel am 31. Juli in Hamburg im Kampf gegen den Ukrainer Jaroslaw Saworotni errungen hatte, bleibt den Regeln entsprechend Europameister. Der Kampf gegen Sosnowski soll Promoter Klaus-Peter Kohl zufolge im kommenden Jahr so schnell wie möglich nachgeholt werden, wobei Sascha natürlich zunächst wieder ganz gesund werden müsse.

Albert Sosnowski war bereits Europameister im Schwergewicht, hatte aber den Titel niedergelegt, um WBC-Weltmeister Vitali Klitschko herauszufordern. Dieser besiegte ihn durch K.o. in der zehnten Runde. Die Bilanz des Polen steht bei 46 Siegen, drei Niederlagen und einem Unentschieden. Für Dimitrenko stehen 30 gewonnene Kämpfe und eine Niederlage in einem Ausscheidungskampf im Juli 2009 gegen Eddie Chambers aus den USA zu Buche.

Da der Hauptkampf ausgefallen war, mußten die 3.500 Zuschauer in der Schweriner Sport- und Kongreßhalle mit dem Rahmenprogramm vorlieb nehmen, das eine ganze Reihe attraktiver Begegnungen bot. Rachim Tschachkijew traf im Cruisergewicht erneut auf den Polen Lukasz Rusiewicz, mit dem er bereits im Juli über die volle Distanz der angesetzten Runden gegangen war. Wie schwierig es ist, diesen Gegner zu Boden zu schicken, mußten auch schon Herbie Hide und Alexander Frenkel feststellen. Tschachkijew gab sich redliche Mühe, den Polen vorzeitig zu besiegen, der jedoch bis zum Schlußgong durchhielt und sich nur nach Punkten geschlagen geben mußte (80:72, 80:72, 80:72). Erfahrungen zu sammeln, ist in diesem frühen Stadium der Profikarriere Tschachkijews, der nun in acht Kämpfen ungeschlagen ist, ohnehin wichtiger als leichte Siege.

Der frühere WBC-Weltmeister im Cruisergewicht, Juan Carlos Gomez, tritt bekanntlich seit geraumer Zeit im Schwergewicht an und ist nach seiner Odyssee von einem Promoter zum nächsten wieder bei Universum gelandet. Er bekam es in Schwerin mit dem US-Amerikaner Harold Sconier zu tun, den er von Beginn an energisch angriff und mehrfach am Kopf traf. Sconier hatte den Kombinationen und gefährlichen Kontern des Kubaners wenig entgegenzusetzen und stand bereits im zweiten Durchgang am Rande eines Niederschlags. In der folgenden Runde wurde der US-Amerikaner erstmals angezählt, konnte sich aber in die Pause retten. Im vierten Durchgang war es dann um ihn geschehen, da der Ringrichter nach einer weiteren Serie schwerer Treffer den ungleichen Kampf abbrach.

In einem weiteren Duell zweier Schwergewichtler traf Manuel Charr in seinem zweiten Kampf nach überstandener Knieverletzung auf den erfahrenen Zack Page. Der 18 Kilo leichtere US-Amerikaner setzte sich zunächst dank seiner Beweglichkeit besser in Szene und gab dem Gelsenkirchener manche Nuß zu knacken, der erst ab der vierten Runde besser in den Kampf kam und allmählich die Oberhand gewann. Im achten und letzten Durchgang lieferten die Kontrahenten einander noch einmal einen offenen Schlagabtausch, worauf Charr schließlich einen Sieg nach Punkten davontrug (78:75, 76:76, 78:74), der seine Bilanz auf 16 gewonnene Kämpfe ohne Niederlage verbesserte. Für ihn geht es derzeit darum, nach seiner langen Verletzungspause wieder zu seiner früheren Form zu finden. Wie er nach seinem knappen Erfolg einräumte, hätte er den Kampf gern etwas besser gestaltet. Ungünstig sei jedoch gewesen, daß er nach dem Ausfall Dimitrenkos ohne Aufwärmen in den Ring steigen mußte.

Christian Hammer und Taras Bidenko komplettierten die Nacht der Schwergewichte mit einem hochklassigen Gefecht, das immer wieder in den offenen Schlagabtausch überging. Zunächst erkämpfte Hammer leichte Vorteile, dann verlief das Duell zunehmend ausgeglichen, und gegen Ende des auf sechs Runden angesetzten Kampfs verbuchte Bidenko die deutlicheren Treffer. Das enge Kräftemessen lief schließlich auf einen knappen Punktsieg für Taras Bidenko hinaus (58:56, 57:57, 58:56).

Im Leichtgewicht wechselte an diesem Abend der Gürtel des WBO-Europameisters seinen Besitzer. Matt Zegan bekam frühzeitig Probleme mit dem Herausforderer Eduard Trojanovskij aus Halle, der agil und variabel zu Werke ging. Nach diversen schweren Treffern stand Zegan bereits in der zweite Runde am Rande eines Abbruchs, doch rettete ihn vorerst der Pausengong. Dann nahm das Verhängnis seinen Lauf, da der Titelverteidiger im folgenden Durchgang nach weiteren heftigen Schlägen zu Boden ging und daraufhin von seinem Team aus dem Kampf genommen wurde. Von dem jungen Eduard Trojanovskij, der in Schwerin eine überzeugende Vorstellung geboten hat, wird man sicher in Zukunft noch weitere attraktive Auftritte zu sehen bekommen.

5. Dezember 2010