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MELDUNG/930: Kubanische Talente in den Mühlen professioneller Verwertung (SB)




Ahmet Öner dementiert Verlust der Kontrolle über Odlanier Solís

Erstklassig ausgebildete kubanische Amateurboxer mit welchen Mitteln auch immer außer Landes zu locken, um im Profilager Geschäfte mit ihnen zu machen, hat eine lange Tradition. Fidel Castro äußerte sich am 27. Juli 2007 in seiner "Vierten Reflexion über die Panamerikanischen Spiele" unter dem Titel "Der ekelhafte Kauf von Athleten" folgendermaßen zu diesem leidigen Thema:

Welches ist vom technologischen und wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen das größte Problem für die armen Länder gewesen? Die Abwerbung qualifizierter Arbeitskräfte. Welches war es vom patriotischen und erzieherischen Standpunkt aus gesehen? Die Talent-Abwerbung. Örtliche Presseorgane armer Länder und ehrliche, am Sport interessierte Menschen beginnen sich zu fragen, warum man ihnen ihre Sporttalente raubt, nachdem sie so viele Opfer und Ausgaben zu ihrer Ausbildung gemacht haben.

Kuba, dessen Ergebnisse und Anstrengungen im Amateursport niemand bezweifeln kann, leidet mehr als jedes andere Land unter den Bissen der gefräßigen Piranhas. Seht die Reaktion derjenigen, die die Tarife festlegen, gegenüber der kubanischen Anklage. Als ich von der deutschen Mafia und den ihnen zur Bestechung kubanischer Athleten zur Verfügung stehenden Millionen Dollar sprach, fühlten sie sich sofort angesprochen und erklärten: "Nein, nein, wir sind keine Mafia."

Sie erzählten in allen Einzelheiten, wie das beschämende Geschäft des Boxer-Kaufs funktioniert. Ihre Worte, die ich in Anführungsstrichen anführen werde, waren in der Reihenfolge, in der sie mir zu Händen kamen, folgende [hier in Auszügen wiedergegeben - d. Red.]:

"Hamburg 24. Juli (dpa) - Die Vertreter der Arena Box Promotion, ein deutscher Boxstall, der Amateurboxer im Ausland abwirbt, um diese zum Profiboxen zu überführen, verteidigte sich heute gegen die Kritik des kubanischen Präsidenten, Fidel Castro."

"Hamburg 26. Juli (dpa) - Die beiden kubanischen Boxer, Guillermo Rigondeaux und Erislandy Lara, die von den Panamerikanischen Spielen 2007 in Rio `desertierten', befinden sich in der Türkei, wo sie auf die Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland warten, wie heute die Tageszeitung Morgenpost behauptet. `Wir haben Rigondeaux und Lara vertraglich verpflichtet', bestätigte der Chef des Hamburger Boxstalls Arena, der Türke Ahmet Öner, der Zeitung. `Fidel ist natürlich verärgert, aber er hat keinen Grund, sich zu wundern. Seine Boxer wollen nicht das ganze Leben lang Amateure bleiben, sondern Geld verdienen', zitiert die Tageszeitung Öner. `Fidel will der Welt seine großartigen Kämpfer vorenthalten. Ich zeige sie der Welt', unterstrich der junge 34jährige Promoter."

"Hamburg 26. Juli (AP): Die zwei während der Panamerikanischen Spiele in Rio de Janeiro desertierten kubanischen Boxer unterzeichneten am Donnerstag Verträge auf fünf Jahre mit einer Satellitenfernsehkette. Der Bantamgewichtler Guillermo Rigondeaux, doppelter Olympiasieger und Weltmeister im Amateurboxen und der Weltergewichts-Weltmeister im Amateurboxen, Erislandy Lara, unterschrieben bei dem Unternehmen Arena TV. Arena TV ist die Gesellschaft, mit der weitere drei kubanische Boxer der ersten Linie, die im Dezember desertierten, Verträge unterzeichnet hatten. `Damit kämpfen jetzt die besten Nachwuchs-Profis der Welt für Arena', erklärte Unternehmenschef Ahmet Öner."

"Seit den Olympischen Spielen 2004 verlor der kubanische Boxsport mehrere seiner wichtigsten Figuren, die jetzt als Profis in den Vereinigten Staaten und Europa kämpfen."

"Arena möchte ihre Anteile in der Welt der Sportübertragungen erhöhen und schätzt ein, dass die Kubaner eine große Investition darstellen."

"Rio de Janeiro 26. Juli (EFE): Der deutsche Unternehmer Ahmet Öner, Promoter von vier kubanischen Boxern, die schon als Flüchtlinge in Deutschland aufgenommen wurden, gab in Erklärungen an eine brasilianische Tageszeitung zu, die Flucht der zwei Boxer aus Kuba organisiert zu haben, die während der Panamerikanischen Spiele von Rio de Janeiro flüchteten. `Ich war es, der alles organisiert hat', versicherte der Eigentümer des Unternehmens Arena Box Promotion während heute von der Tageszeitung Folha de Sao Paulo veröffentlichten Erklärungen, bei denen er zugab, circa eine halbe Million Dollar für die Operation bezahlt zu haben.

`Eine Gruppe hier in Deutschland, die Kontakte in Südamerika hat, brachte mir im Dezember Barthelemy, Gamboa und Solís. Ich habe gutes Geld bezahlt. Sie haben mir schließlich Rigondeaux und Lara gebracht', versicherte der Vertreter der Boxer. `Ich habe mich gut um Solís, Gamboa und Barthelemy gesorgt, die Freunde von Rigondeaux und Lara sind. Ich glaube, das hat geholfen', fügte der Unternehmer hinzu, als er sich darauf bezog, dass die Freundschaft zwischen den Boxern Einfluss darauf gehabt hat, dass die anderen Olympiasieger sich ebenfalls zu desertieren entschieden haben, um als Profi in Deutschland Karriere zu machen."

"Der deutsche Promoter sagte, dass ihn die Operation im vergangenen Dezember, um die Desertion der drei Boxer und ihre Beförderung nach Deutschland zu organisieren, circa 1,5 Millionen Dollar gekostet hat."

"`Die fünf werden Weltmeister werden (im Profiboxen). Ich bin heute der jüngste europäische Box-Promoter. Durch sie werde ich der größte sein', versicherte er."

Und Castro fährt fort:

Seht, wie sie mit der gegen das Land begangenen Missetat prahlen. Es war bestens bekannt, dass Kuba im Boxen fast alle Goldmedaillen gewinnen würde. Ihm musste ein Schlag versetzt werden, und so haben sie nicht nur zwei der Athleten gekauft, die die Goldmedaille sicher hatten, sondern der ausgezeichneten Moral der anderen Athleten einen Schlag versetzt, die mit Mut ihre Goldmedaillen verteidigt haben. Sogar die Richter wurden von dem Tiefschlag beeinflußt. Mit dem gesamten Geld der Welt hätten sie niemals solche Menschen wie Stevenson, Savón oder den verstorbenen Roberto Balado kaufen können, die dem Ruhm des kubanischen Boxsports solch eine wunderbare Tradition hinterlassen haben.

*

Wie die Geschichte weitergegangen ist, kann man dann und wann aktuellen Meldungen entnehmen. So hat Promoter Ahmet Öner soeben Gerüchte zurückgewiesen, wonach der Schwergewichtler Odlanier Solís einen Berater engagiert haben soll, um aus dem Vertrag mit Arena auszusteigen. "Solís hat einen Vertrag. Ich bin und bleibe sein Promoter", unterstrich Öner gegenüber BoxingScene. Gaby Penagaricano, den er schon lange kenne, sei nur der Berater des Kubaners. Er selbst rede jeden Tag mit Gaby und wisse, daß dieser seit dem ersten Tag mit Solís zusammenarbeite. [1]

Der Olympiasieger von 2004 hat seit seiner bislang einzigen Niederlage gegen Vitali Klitschko im März 2011 erst einmal im Ring gestanden. Eigentlich sollte er im Dezember gegen den Polen Tomasz Adamek antreten, doch kam es trotz fortgeschrittener Verhandlungen zu keiner Einigung. Aus Öners Sicht stellt sich das folgendermaßen dar: Solís habe einige angebotene Kämpfe nicht angenommen. Für den Kampf gegen Adamek wollte der Kubaner eine höhere Börse herausholen - er habe gepokert und verloren. Adameks Promoterin Kathy Duva sei an einer raschen Einigung gelegen gewesen, weshalb sie ersatzweise Steve Cunningham verpflichtet habe. "Wir hatten auch andere Fights in Amerika und Europa für ihn", fährt der Öner fort. "Ich habe meine Verpflichtungen erfüllt. Und Gaby arbeitet nicht gegen, sondern mit mir." Gemeinsam werde man Solís zu alter Stärke zurückführen und einen weiteren Titelkampf bekommen. Allerdings müsse sich der Kubaner auf den Sport und das Training fokussieren und wieder in den Ring zurückkehren.

Spekulationen, er drohe die Kontrolle über Odlanier Solís zu verlieren, weist Ahmet Öner ebenso zurück wie mögliche Ähnlichkeiten zu dem Fall Yuriorkis Gamboa. Mit Gamboa habe es sich ganz anders verhalten. Er habe Gamboa zu einem Star aufgebaut, ihn ins US-Fernsehen gebracht und zum Weltmeister gemacht. Er habe ihn zu Top Rank gebracht, einem der besten und größten Promoter der Welt: "Dann habe ich ein gutes Angebot bekommen und seinen Vertrag für gutes Geld verkauft. Was hat er seitdem gemacht? Er hatte seit über einem Jahr keinen Kampf mehr." Gamboa sei inzwischen aus allen Ranglisten gefallen, und die Leute fingen an, ihn zu vergessen: "Schaut euch an, wo er war, als ich ihn aufgebaut habe und wo er jetzt ist. Für mich war das ein gutes Geschäft. Für ihn nicht. Es war aber seine Entscheidung", so Öner, der sich unverhohlen zugute hält, die Verwertung exilkubanischer Boxer zum eigenen Vorteil erfolgreicher als die Konkurrenz zu praktizieren.


Fußnote:

[1] http://www.boxen.de/news/ahmet-oener-ich-bin-und-bleibe-solis-promoter-22493

31. Oktober 2012