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MELDUNG/1037: Was wäre der Boxsport ohne persönliche Fehden! (SB)




Julio Cesar Chavez träumt von Revanche mit Sergio Martinez

Am 15. September 2012 kam es in Las Vegas endlich zu jenem Titelkampf im Mittelgewicht, auf den zumindest einer der beteiligten Akteure mit wachsender Ungeduld gewartet hatte. Der amtierende WBC-Weltmeister, Julio Cesar Chavez jun. aus Mexiko, stellte sich endlich dem Argentinier Sergio Martinez, der von Experten als bester Boxer seiner Gewichtsklasse gehandelt wurde. Wie es schien, war Chavez diesem Rivalen solange aus dem Weg gegangen, bis er sich nach einem überzeugenden Sieg gegen den Ranglistenersten Andy Lee aus Irland stark genug fühlte, es mit dem Argentinier aufnehmen zu können. Die eindrucksvolle Bilanz des Mexikaners wies 46 Siege und ein Unentschieden auf, während für seinen Kontrahenten 49 gewonnene, zwei verlorene und zwei unentschieden beendete Auftritte zu Buche standen. Für Martinez rückte damit die langersehnte Gelegenheit näher, sich den Gürtel des WBC wiederzuholen, der ihm am grünen Tisch aberkannt worden war.

Andy Lees Trainer Emanuel Steward, der nur wenige Monate später den Folgen einer schweren Krankheit erlag, warf damals die Frage auf, ob bei der Niederlage seines Schützlings in El Paso alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Chavez, der vor seinen Auftritten immer viel Gewicht abkochen muß, um im Limit des Mittelgewichts zu bleiben, war 2009 positiv auf ein Abführmittel getestet worden, das nach den Statuten verboten ist. Daraufhin wurde sein damaliger Kampf gegen Troy Rowland rückwirkend "ohne Wertung" verbucht. Im Februar 2012 hatte sich der Mexikaner dann beim Kampf gegen seinen Landsmann Marco Antonio Rubio nicht in der Lage gesehen, eine Urinprobe abzugeben. Vor dem Kampf gegen Lee hatte Chavez angeblich wiederum keine Dopingprobe abgegeben, woran Steward nun Anstoß nahm.

Der Einwand Stewards blieb jedoch folgenlos, und so bereiteten sich Chavez und Martinez ungehindert auf ihr Duell vor. Beide erreichten einen Monat vorher das vorgeschriebene Gewicht. Wie man dazu wissen muß, schreibt der Verband WBC bei allen Kämpfen um die Weltmeisterschaft ein erstes Wiegen 30 Tage vor dem Kampftermin vor, bei dem das jeweilige Limit um nicht mehr als 10 Prozent überschritten werden darf. Auf diese Weise soll verhindert werden, daß Boxer durch extreme Gewichtsreduktion in kürzester Frist ihre Gesundheit aufs Spiel setzen. Zudem wird zunehmend neben dem obligatorischen Wiegen am Vortag des Kampfs ein zweiter Gang auf die Waage am nächsten Morgen verlangt. Auch das eine Maßnahme gegen übermäßiges Abkochen, da Boxer andernfalls nach Ende der Entwässerung und des Fastens mitunter am folgenden Abend mit einem Gewicht in den Ring steigen, das weit über dem ihres Gegners und der Gewichtsklasse liegt, in der sie offiziell antreten.

Als Julio Cesar Chavez jun. und Sergio Martinez schließlich in Las Vegas aufeinandertrafen, wurde der Argentinier seinem Ruf gerecht und setzte sich verdient nach Punkten durch. Er bot eine überzeugende Vorstellung und konnte fast alle Runden für sich entscheiden, doch wäre es dem Mexikaner nach einem Glückstreffer in der letzten Runde um ein Haar gelungen, den Kampfverlauf auf den Kopf zu stellen. Wie Martinez hervorhob, habe sich auch sein Gegner ausgezeichnet geschlagen und schließlich sogar einen Niederschlag in der zwölften Runde herbeigeführt. Auf jeden Fall sei dieser Kampf eine Werbung für den Boxsport gewesen, da man den Zuschauern beste Unterhaltung geboten habe. In Anspielung auf seinen legendären Vater, der einst einen Kampf in der letzten Runde gedreht hatte, bedauerte Chavez den mißlungenen Versuch, die Geschichte zu wiederholen. Jedenfalls habe er aller Welt gezeigt, daß er auf dem Level des Argentiniers boxe. Wenngleich der Mexikaner mit seinem Fazit, er sei Martinez ebenbürtig gewesen, dem Kampfverlauf nicht gerecht wurde, hatte er doch auf respektable Weise durchgehalten und bis zuletzt seine Chance gesucht.

Allerdings wurde Chavez nach seinem Kampf gegen Martinez positiv auf Marihuana getestet. Promoter Bob Arum zeigte sich enttäuscht, stand seinem Boxer aber mit der Erklärung zur Seite, seiner persönlichen Meinung nach sollte Marihuana legal erhältlich sein. Chavez habe es konsumiert, weil er im Trainingslager unter Schlafstörungen litt. Wenig später sprach WBC-Präsident José Sulaiman in seiner Eigenschaft als Patenonkel von Julio Cesar Chavez offenbar ein ernstes Wort mit dem mexikanischen Mittelgewichtler. Brach man die sogenannte Affäre auf die Frage herunter, welchen Vorteil sich Chavez durch den Konsum von Marihuana verschafft haben soll, bedarf es keiner Expertise, um eine Benachteiligung seines Gegners zu verneinen. Andererseits hatte der Ruf des entthronten Champions bereits unter den früheren Vorfällen gelitten, so daß nun Sanktionen unvermeidlich schienen. Sulaiman, der zugleich den Vorwurf der Vetternwirtschaft aus dem Feld schlagen mußte, sprach sich für ein Strafmaß aus, das unter den gegebenen Umständen durchaus weise anmutete, zumal es Chavez die Chance zur Rehabilitation eröffnete.

Die letztendlich von der Nevada State Athletic Commission verhängte Sperre von neun Monaten inklusive einer Geldstrafe von 900.000 Dollar fiel dann allerdings doch sehr hart aus, wenn man berücksichtigt, daß andere Boxer, die positiv auf wesentlich härtere Substanzen getestet wurden, häufig viel glimpflicher davongekommen sind. Am 15. Juni läuft die Sperre ab, und just am selben Tag möchte Chavez in den Ring zurückkehren, wobei bereits Matthew Macklin und Brian Vera als mögliche Gegner genannt wurden. Der Mexikaner hofft, daß ihm ein Sieg die Tür zur Revanche mit Sergio Martinez öffnet, die im Spätherbst über die Bühne gehen könnte. Wie Chavez erklärt, habe der Argentinier nach der letzten Runde ihres Kampfs Angst vor ihm gehabt, und so hoffe er nur, das Martinez nicht vor ihm weglaufen werde. Der WBC-Weltmeister dürfte das natürlich ganz anders sehen und hat auf jeden Fall noch viel Zeit zu prüfen, ob Chavez auch in seinen Zukunftsplänen eine Rolle spielt.

5. März 2013