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MELDUNG/1265: Vitali Klitschko - Hoffnungsträger einer unheiligen Allianz (SB)




Einbindung in die EU führte in die soziale Katastrophe

Hebt man die ukrainische Opposition in den Himmel, wie das im Trommelfeuer der westlichen Leitmedien, die zur Entscheidungsschlacht trompeten, zweckdienlich geschieht, fällt ein ums andere Mal der Name Vitali Klitschko. Der Boxweltmeister gilt hierzulande als ebenso unbescholtener wie durchsetzungsfähiger Hoffnungsträger, was freilich nicht zuletzt der Absicht geschuldet ist, von seinen derzeitigen Bündnispartnern abzulenken. Klitschkos "Ukrainische demokratische Allianz für Reformen" (UDAR), die Partei "Vaterland" der inhaftierten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko und die Allukrainische Vereinigung "Swoboda" haben ein Dreierbündnis mit dem Namen "Aktionsgruppe des nationalen Widerstand" gebildet. UDAR und "Vaterland" unterhalten enge Beziehungen zu konservativen europäischen Parteien und insbesondere zur deutschen CDU, Swoboda vertritt offen rechtsextreme und antisemitische Positionen. Sie verehrt den Nazi-Kollaborateur Stepan Bandera als Nationalheld und ist Mitglied der Allianz der Europäischen nationalen Bewegungen, an deren Spitze der französische Front-National-Politiker Bruno Gollnisch steht und der auch die ungarische Jobbik und die British National Party angehören. [1]

Unterstützt werden die Demonstrationen der Opposition insbesondere von der Europäischen Union und der NATO, die ihr vordringliches Interesse geltend machen, die Ukraine auf ihre Seite zu ziehen. Sie stellt angesichts ihrer strategischen Lage zwischen Europa und Kaukasus, Rußland und dem Schwarzen Meer, aber auch mit ihrer riesigen fruchtbaren Landfläche, ihren Rohstoffen und den 46 Millionen Einwohnern ein heißbegehrtes Ziel imperialistischer Expansion dar. Die EU verfolgt mit ihrem Assoziierungsabkommen insbesondere das Ziel, einen unterentwickelten Markt mit einem Riesenheer potentieller Konsumenten und qualifizierten Arbeitskräften für westliche Investoren zu öffnen.

Um einen Kampf für Rechtstaatlichkeit und Demokratie, wie ihn europäische und US-amerikanische Medien vorhalten, handelt es sich allenfalls dem Schein nach. Vielmehr tobt ein Machtkampf zwischen Europa und Rußland um die Kontrolle der Ukraine wie auch eine Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Flügeln der einheimischen Oligarchie. Seit Auflösung der Sowjetunion 1991 versucht die EU, das Land aus dem russischen Einflußbereich zu lösen und sich einzuverleiben. 1994 wurde ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen geschlossen, 1996 erklärte der damalige Präsident Leonid Kutschma die Integration in die europäischen und euroatlantischen Strukturen zum strategischen Ziel seines Landes. Unter seinem Nachfolger Viktor Juschtschenko begannen die Verhandlungen über ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen, die dann unter Janukowitsch zum Abschluß geführt wurden, bis er in letzter Minute einen Rückzieher machte.

Im Jahr 2004 unterstützten die USA und die EU massiv die sogenannte Orangene Revolution, die unter Führung von Viktor Juschtschenko und Julia Timoschenko eine Wahlwiederholung erzwang. Obgleich Juschtschenko daraufhin die Wahl gewann und Timoschenko zur Regierungschefin ernannte, blieb die Macht der Oligarchen unangetastet, der Lebensstandard breiter Bevölkerungsschichten sank weiter und Juschtschenko und Timoschenko zerstritten sich innerhalb kürzester Zeit. So kehrte Janukowitsch 2006 ins Amt des Ministerpräsidenten zurück und 2010 wurde er zum Präsidenten gewählt. Er hatte zunächst als Gewährsmann Moskaus gegolten, doch vertritt er andererseits die Interessen der Oligarchen aus dem ostukrainischen Donez-Becken, die sich von einer engeren Zusammenarbeit mit der EU ebenfalls Vorteile versprechen.

Wenngleich der russische Präsident Wladimir Putin massiven Druck ausgeübt und im Falle der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit Wirtschaftssanktionen und dem Ende der Zusammenarbeit mit ukrainischen Rüstungsbetrieben gedroht hat, gibt es noch gewichtigere Gründe für die Regierung in Kiew, vor der sozialen Katastrophe zurückzuschrecken, die die Anbindung an die EU nach sich zöge. Diese möchte das Land in eine Niedriglohnplattform für europäische Konzerne verwandeln und verlangt dafür tiefgreifende Reformen, die den ohnehin niedrigen Lebensstandard noch weiter senken würden. Auf Druck der EU und des Internationalen Währungsfonds beschloß die ukrainische Regierung bereits 2010 ein Reformprogramm, das die Steuer- und Rentengesetzgebung grundlegend ändern, Privatisierungen fördern und zur Deregulierung staatlichen Handelns führen soll.

Wollten die ukrainischen Unternehmen die technischen Standards der EU erfüllen, um einheimische Waren auf dem europäischen Markt verkaufen zu dürfen, müßten sie enorme Investitionen tätigen. Die Regierung hält für die notwendigen technischen Umstellungen in einem Zeitraum von zehn Jahren 100 bis 160 Milliarden Euro für nötig, während die EU lediglich eine Milliarde Hilfsgelder über einen Zeitraum von sieben Jahren in Aussicht gestellt hat. Zwangsläufige Folge wäre ein Verdrängungsprozeß, den die Ukraine mit einem massiven Verlust an Produktionskapazitäten, Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen bezahlen müßte.

Unterdessen hat die EU klargestellt, daß eine Assoziierung der Ukraine und eine gleichzeitige Mitgliedschaft in einer Zollunion mit Rußland ausgeschlossen seien. Das Land müsse sich für das eine oder das andere entscheiden. Folglich würde die Lage durch die Aufhebung der Zollvorteile gegenüber Rußland zusätzlich verschärft. Die überwiegende Mehrheit der Ukrainer scheint zu ahnen, was ihr im Falle einer Westanbindung blüht, und befürwortet die Orientierung an Rußland. Hingegen verspricht sich eine zumeist wohlhabendere Minderheit insbesondere in Großstädten wie Kiew im Verbund mit westukrainischen Nationalisten Vorteile von einer Überantwortung an die EU.

Vitali Klitschko, der schon 2004 die Orangene Revolution unterstützt hat und seit 2012 als Spitzenmann seiner Partei im ukrainischen Parlament sitzt, tritt seit einigen Tagen bei den Massenkundgebungen mit Parolen wie der folgenden auf: "Wir sind ein europäisches Land - mit unserer Mentalität, unserer Geografie - und wollen der Europäischen Union beitreten" [2]. Man müsse jeden im Land mobilisieren, rief er den Demonstranten zu, denn "wir wollen nicht nur irgendwelche Minister auswechseln, sondern das politische System ändern" [3].

Daß letzteres im oben ausgeführten Sinn in der Tat droht, sollte sich die pro-westliche Fraktion in der Ukraine durchsetzen, räumte - wenngleich gewissermaßen unfreiwillig - auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok (CDU), bei einer Tirade gegen Janukowitsch ein, dem er vorwirft, Rußland und Europa gegeneinander ausspielen zu wollen. "Ihm geht es nur darum, wo er das meiste Geld erhält. Der ukrainische Präsident ist unzuverlässig, er hat sein Wort nicht gehalten und betrügt das eigene Volk", so Brok. Daß Janukowitsch als politischer Handlungsgehilfe der ostukrainischen Oligarchie kein Freund des Volkes ist, wird man kaum bestreiten. Wenn es aber zutrifft, daß sich der Präsident von einer Ausrichtung nach Rußland mehr Geld verspricht, geht das über eine persönliche Vorteilsnahme hinaus und betrifft die Mehrheit der Bevölkerung, die eine Anbindung an die EU mit sinkendem Lebensstandard und um sich greifender Verelendung bezahlen müßte.


Fußnoten:

[1] http://www.wsws.org/de/articles/2013/12/03/ukra-d03.html

[2] http://www.stern.de/politik/ausland/protest-in-der-ukraine-vitali-klitschko-der-ohnmaechtige-hoffnungstraeger-2074971.html

[3] http://www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_66825908/ukraine-vitali-klitschko-scheitert-mit-misstrauensantrag-gegen-regierung.html

3. Dezember 2013