Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

MELDUNG/1593: Gottes Stellvertreter auf Erden in Sachen Boxsport (SB)




Floyd Mayweathers Hände - beten, boxen, Geld zählen

Wie Floyd Mayweather jüngst die Welt wissen ließ, stehe Gott in seinem Leben an erster Stelle. Und das geht so: Per Instagram setzte er den mit ihm befreundeten Popstar Justin Bieber über die Neuigkeit in Kenntnis, daß er sich gerade einen 14sitzigen Passagierjet angeschafft habe. Das liefere den Neidern einen weiteren Grund, ihn zu hassen, und dabei wolle er doch nur all jene motivieren, die Ambitionen hätten und Gewinner im Leben sein wollten. Er bekenne sich schuldig, materialistisch und von Geld motiviert zu sein - doch Gott komme für ihn vor allem andern. Gott gebe einem nichts, was man nicht bewältigen könne. Deswegen habe ihn Gott mit den besten Händen der Branche ausgestattet, um zu beten, zu boxen und Geld zu zählen. [1]

Diese zeitgenössisch verkürzte Variante calvinistischer Ideologie, weltlichen Wohlstand mit dem offenkundigen Erweis göttlicher Gnade und bereits im Diesseits ausgezahltem Himmelslohn gleichzusetzen, könnte dummdreister nicht sein. Als bestverdienender Sportler weltweit sieht sich Mayweather genötigt, die Herkunft seiner millionenschweren Einkünfte zu verschleiern. Indem er seinen Wohlstand zum Produkt eines außergewöhnlichen Talents erklärt, das ihm von Gott gegeben sei, fällt der Umstand unter den Tisch, daß Reichtum nur auf Grundlage von Armut, also unter deren Herbeiführung generiert werden kann.

Vollends unerträglich sind die sozialrassistischen Tiraden des Superstars, er wolle doch nur ambitionierte Gewinner motivieren, wenn er vorlebe, wie schön Luxus sein kann. Vor dem Hintergrund der rasant verarmenden US-Gesellschaft bezichtigt Mayweather Millionen Menschen mangelnden Antriebs, Herr ihrer Geschicke zu werden, weshalb sie zu Recht als Verlierer bezeichnet würden. Was soll falsch daran sein, sich mit anderen Reichen und Schönen zu umgeben, mit ihnen im Privatjet zu fliegen, wohin immer es einem beliebt, komfortable Villen zu bewohnen, schicke Autos zu fahren, sich mit protzigen Juwelen zu behängen und das Bankkonto mit größeren Summen zu füllen, als man ungeachtet eines verschwenderischen Lebensstils ausgeben kann?

Die rhetorische Frage des erfolgreichsten Boxers der Gegenwart bedient die zirkelschlüssige Behauptung, jeder sei seines Glückes Schmied, auf das Verlierer zwangsläufig keinen Anspruch hätten. Insoweit eine gewisse Rechtfertigungsnot darin anklingt, mag diese dem Restzweifel des weithin ungeliebten, wenn nicht gar bestgehaßten Sportstars geschuldet sein, der es nie im Leben zum verehrten Idol der Massen oder gar Volkshelden bringen wird.

Als sich selbst perfektionierender Gegenentwurf zu einem partiellen Kritiker der herrschenden Verhältnisse wie dem jungen Muhammad Ali oder dem tragischen Scheitern des ausgebeuteten Mike Tyson sattelt Floyd Mayweather auf die dominante Verwertungslogik auf und verdient nicht nur sagenhaft viel Geld, sondern strebt als Boxer, Selbstdarsteller und Geschäftsmann in Personalunion größtmögliche Verfügung über alle Prozesse an, die seine Vormachtstellung sichern. Wenngleich es so erscheinen mag, als begehre er gegen das traditionelle Ausplünderungsregime des Preiskämpfertums auf, erschöpft sich sein Erfolg doch darin, selbst eine Führungsposition in diesem System einzunehmen und zu Lasten anderer Boxer zu behaupten.

In einem beispiellosen Konzentrationsprozeß, der dem Niedergang des Boxgeschäfts eine unerhörte Eskalation der Spitzenverdienste abgewinnt, hat er sich mit jeweils nur zwei Auftritten pro Jahr zum Krösus und Maß aller Dinge aufgeschwungen. Nirgendwo sonst in der Branche kann man sich eine Niederlage mit einer vergleichbaren Riesenbörse versüßen lassen und zugleich hoffen, weiter zu einem hohen Kurs gehandelt zu werden. Mayweathers Auftritten gehen folglich monatelange Spekulationen voraus, wen er erhören und eines Kampfes für würdig befinden wird. So paart er unbestrittenes Können im Ring mit der nicht minder notwendigen Befähigung, die toten Zwischenzeiten mit zahllosen Vor- und Rückschauen überbrücken zu lassen, die er mit eingestreuten Andeutungen seiner Pläne katalysiert.

Als neoreligiöses Orakel in einer Endzeitstimmung von immer weniger Brot und desto aufgeblaseneren Spielen bedient Mayweather die an seinen Lippen hängende Schar der Propheten mit einer Verkündigung vager Absichten, die eilends kolportiert und interpretiert werden, so daß die Auslegung in den obligatorischen Expertenstreit mündet. In einem Gespinst rivalisierender Sender und Promoter, ewiger Feindschaften und inszenierter Fehden, thront wie Gottes Stellvertreter auf Erden in Sachen Boxsport Floyd Mayweather, von dem alles ausgeht und zu dem alles zurückkehrt - zumindest solange seine begnadeten Hände noch beten, boxen und Geld zählen.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/12/mayweather-god-comes-first-in-my-life/#more-186064

31. Dezember 2014


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang