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MELDUNG/1744: Sag mir, wo die Gegner sind ... (SB)



Alles flieht vor Golowkin

Gennadi Golowkin findet aller Voraussicht nach auch für seine nächste Titelverteidigung keinen Gegner der allerhöchsten Kategorie. Der in 33 Kämpfen ungeschlagene Superchampion der WBA im Mittelgewicht wird weder Floyd Mayweather, Miguel Cotto oder Saul "Canelo" Alvarez noch David Lemieux, Andy Lee, Andre Ward, Daniel Jacobs, Timothy Bradley oder Carl Froch vor die Fäuste bekommen. Niemand hat Lust, sich von dem Kasachen auf die Bretter schicken zu lassen, am allerwenigsten die namhaftesten Akteure dieser Gewichtsregion. Nachdem der Verband IBF einen Ausscheidungskampf zwischen Tureano Johnson und Eamonn O'Kane angeordnet hat, dessen Sieger Pflichtherausforderer des neuen Weltmeisters David Lemieux aus Kanada wird, kommt auch Johnson als nächster Gegner für Golowkin nicht in Betracht.

Damit bleibt vorerst kein Kandidat übrig, an dem das US-Publikum sonderlich großes Interesse hätte. Der Kasache müßte schon ins Supermittelgewicht aufsteigen, wo er theoretisch gegen Kontrahenten wie James DeGale oder Gilberto Ramirez antreten könnte. Daß diese keine Probleme damit hätten, sich Golowkin im Ring zu stellen, ist jedoch eine bloße Annahme, die von der Realität leicht aus dem Feld geschlagen werden könnte. Er wird daher weiter im Mittelgewicht bleiben, wo er unter anderem auch Pflichtherausforderer beim Verband WBC ist. Dessen amtierender Weltmeister Miguel Cotto hätte seinen Titel eigentlich gegen Golowkin verteidigen müssen, zieht aber einen leichteren und lukrativeren Kampf gegen Saul "Canelo" Alvarez im November vor.

Der Kasache erhielt eine größere Summe als Entschädigung dafür, sein Vorrecht zurückzustellen. Er würde natürlich gern im nächsten Jahr gegen den Sieger antreten, doch könnte sich dieser der Auflage des Verbands entziehen, indem er den Titel niederlegt. "Canelos" Promoter Oscar de la Hoya hat bereits klargestellt, daß der Mexikaner frühestens in zwei Jahren gegen Golowkin antreten wird. Auch Cotto würde sich höchstwahrscheinlich aus dem Staub machne, zumal sich sein von Trainer Freddie Roach proklamierter zweiter Frühling nicht zuletzt dem Umstand verdankt, daß er seine letzten drei Kämpfe gegen vergleichsweise leichte Gegner bestritten hat.

Eine inoffizielle Liste möglicher Herausforderer Gennadi Golowkins umfaßt Jermall Charlo, Jorge Sebastian Heiland, Dominic Wade, Antoine Douglas, Tony Jeter, Ryota Murata, Dimitri Tschudinow, Arif Magomedow und Caleb Truax. Einige dieser Kandidaten kämen wohl aus terminlichen Gründen nicht in Frage, und die übrigen werden sich zweifellos dreimal überlegen, ob ihnen die mutmaßliche Börse eine vorzeitige Niederlage wert ist. Die stärksten Kontrahenten in dieser Aufzählung wären Heiland und Charlo, die jedoch gerade deswegen dazu neigen dürften, ihren Aufstieg nicht von Golowkin durchkreuzen zu lassen.

Jermall Charlo wird in der WBO-Rangliste an Nummer drei geführt und zieht es deshalb sicher vor, auf dieser Schiene zu einer Titelchance gegen Andy Lee zu bleiben. Der Ire ist zwar ein harter Brocken, jedoch längst nicht so gefährlich wie Golowkin. Jorge Sebastian Heiland führt die WBC-Rangliste an und kann sich daher gewisse Hoffnungen machen, womöglich gegen Alvarez oder Cotto anzutreten. Deshalb würde es für ihn keinen Sinn machen, diese günstige Ausgangsposition durch eine Herausforderung des Kasachen aufs Spiel zu setzen.

Bliebe noch Dominic Wade, der sich jüngst dank einer katastrophalen Leistung des Referees und eines der drei Punktrichter höchst umstritten gegen den ehemaligen Weltmeister Sam Soliman durchgesetzt hat. Der Australier wurde in diesem Kampf so massiv benachteiligt, daß sich der Verdacht aufdrängte, es habe sich um gezielte Parteinahme zugunsten des US-Amerikaners gehandelt. Wade wäre für Golowkin ein noch leichterer Gegner als Willie Monroe und brächte dem Kasachen neben einem durchschnittlichen Zahltag allenfalls die Genugtuung ein, dem Herausforderer die erste offizielle Niederlage in dessen Karriere zu verpassen. [1]

Da Golowkin von allen prominenten Rivalen geschnitten wird, bleibt ihm kaum etwas anderes übrig, als seine Lage in aller Offenheit zu thematisieren und die Verweigerung seitens der Konkurrenten explizit aufs Korn zu nehmen. Wie der Kasache sicher zu Recht vermutet, ließen diverse Akteure seinen Namen nur aus dem einen Grund fallen, die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen. Von echtem Interesse, gegen ihn anzutreten, könne hingegen keine Rede sein. So habe es Andre Ward dreimal gegenüber dem Sender HBO abgelehnt, sich mit ihm zu messen. Der Kalifornier habe seinerzeit bei den Olympischen Spielen sogar die Gewichtsklasse gewechselt, um ihm aus dem Weg zu gehen, weiß der Kasache zu berichten.

Floyd Mayweather und Carl Froch wären derzeit wohl die besten Gegner, meint Golowkin. Beide mieden ihn jedoch unter allerlei Ausflüchten. Dabei sei Froch ein beherzter Kontrahent und würde ihm einen spektakulären Kampf liefern, der keinesfalls über die Runden ginge. Der Brite zögert jedoch bereits seit über einem Jahr, noch einmal in den Ring zurückzukehren. Daß er sich zum Abschluß seiner Karriere lange auf Julio Cesar Chavez als Wunschgegner versteifte, sprach Bände. Der Mexikaner hatte durch die Niederlage gegen Sergio Martinez 2012 und den umstrittenen Punktsieg im ersten Kampf gegen Brian Vera 2013 an Reputation eingebüßt. Frochs Wahl war also auf einen Kandidaten gefallen, der nicht mehr der allerersten Garnitur angehört. Als Chavez dann Andrzej Fonfara unterlag, war er für den Briten kein Thema mehr.

Daß Golowkin wiederholt sein Interesse bekundet hatte, liebend gern gegen ihn anzutreten und dafür auch nach England zu reisen, dürfte Froch in Bedrängnis gebracht haben. Sollte er davon ausgegangen sein, daß der selbst für das Mittelgewicht eher leichte Kasache keinesfalls zu ihm ins Supermittelgewicht kommen würde, sah er sich nun eines Besseren belehrt. Golowkin hatte seine Witterung aufgenommen und sich auf die Jagd nach ihm gemacht. Carl Froch war früher ein mutiger Boxer, der keinen Gegner scheute. Es steht jedoch zu befürchten, daß sich das insofern geändert hat, als der Brite beim mutmaßlich letzten Auftritt seiner Karriere kein Risiko mehr eingehen will. [2]

Um sich aus der Affäre zu ziehen, erklärt er nun in den sozialen Netzwerken, er sei schlichtweg zu groß und zu stark für Golowkin. Dazu postet er eine Aufnahme, die ihn in bester körperlicher Verfassung vor allerlei Hanteln und anderen Trainingsgeräten zeigt. Da der Brite auf dem undatierten Foto deutlich jünger und schlanker als auf aktuellen Videos und Aufnahmen aussieht, setzte zwangsläufig ein allgemeines Rätselraten ein, wie alt das Bild wohl sein mag. Daß Froch sich einer offenbar mehrere Jahre alten Aufnahme bedient, um zu untermalen, daß er allein schon in körperlicher Hinsicht eine Nummer zu groß für Golowkin sei, dürfte sich als ein peinliches Eigentor des Briten erweisen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/07/golovkin-with-few-options-for-next-fight/#more-195627

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/07/golovkin-mayweather-and-froch-are-making-excuses-not-to-fight-me/#more-195628

6. Juli 2015


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