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MELDUNG/1800: Wann endet das goldene Zeitalter? (SB)



Floyd Mayweather gibt seine Gürtel nicht her

Nach dem Triumph über Manny Pacquiao im umsatzstärksten Kampf aller Zeiten widmete Floyd Mayweather etliche Minuten seiner vielbeachteten Pressekonferenz der Erklärung, er werde seine diversen Titel niederlegen. Zum einen habe er Ziele erreicht, denen gegenüber die Gürtel der Verbände bedeutungslos seien. Zum andern sei es an der Zeit, "jungen Löwen" die Chance zu geben, ihre langgehegten Träume zu verwirklichen und Weltmeister zu werden.

Ganz im Gegensatz zu seiner Ankündigung hat Mayweather jedoch seither die Titel der Verbände WBA und WBC im Welter- und Halbmittelgewicht keineswegs zurückgegeben und überdies energisch darum gekämpft, die Trophäe der WBO behalten zu dürfen, die er dem Philippiner abgenommen hatte. Während WBA und WBC in den letzten Jahren immer wieder gegen ihre eigenen Statuten verstoßen und Mayweather freie Hand gelassen haben, zog die WBO Konsequenzen und erkannte ihm den Titel ab, weil er ihren Auflagen nicht entsprach.

Im Gefolge seines Sieges über Andre Berto vor Wochenfrist bekräftigte Floyd Mayweather, daß seine Karriere damit beendet sei. Dies hatte jedoch keineswegs eine automatische Aberkennung der Titel zufolge, die damit weiterhin in seinem Besitz bleiben. Das legt zwangsläufig den Schluß nahe, daß Mayweather eine Fortsetzung seiner Laufbahn nicht restlos ausschließt und die beiden Verbände gleichermaßen darauf spekulieren oder jedenfalls eine vorschnelle Entscheidung scheuen.

Auf diese Weise setzt sich die absurde Situation, daß ein Boxer gleichzeitig Weltmeister in zwei Gewichtsklassen bleiben darf, in Gestalt der noch abwegigeren Konstellation fort, daß ein zurückgetretener Champion seine Gürtel behalten und damit für die Konkurrenz blockieren kann. Die WBA hat sich zum Status Mayweathers bislang nicht geäußert und lediglich vage erklärt, man werde die Titel zu gegebener Zeit für vakant erklären. Der Verband WBC, dessen Gürtel im Halbmittelgewicht der Star aus Las Vegas zwei Jahre nicht mehr verteidigt hat, ohne daß ein Pflichtherausforderer auch nur benannt worden wäre, hat zumindest ankündigt, man werde den Fall auf dem jährlichen Konvent bevorzugt erörtern, der vom 1. bis 6. November im chinesischen Kunming über die Bühne geht. [1]

Darf man aus dieser eigentümlichen Situation schließen, daß der in 49 Profikämpfen ungeschlagene Mayweather 2016 doch in den Ring zurückkehrt, um mit 50 Siegen den bislang gleichauf liegenden Rocky Marciano zu übertreffen, sich allein an die Spitze der ewigen Bestenliste zu setzen und natürlich noch einmal sehr viel Geld zu verdienen? Der Streit mit der WBO steht insofern auf einem anderen Blatt, als sich Mayweather geweigert hat, die verlangte Gebühr an den Verband zu entrichten und wie gefordert die Titel im Halbmittelgewicht niederzulegen. Die entsprechende Summe zu bezahlen, hätte angesichts seiner immensen Einkünfte lediglich eines Griffs in die Portokasse bedurft, ging Mayweather aber gegen das Prinzip, allein zu bestimmen, was immer ihm zu tun beliebt.

Sein Kernargument, er allein sei die große Geldmaschine, an der andere partizipierten und mithin seinen Wünschen entsprechen müßten, folgt derselben kapitalistischen Logik wie Konkurrenten, Sender und Verbände. Die WBO hat zwar lobenswerterweise auf ihre selbstgesetzten Regeln gepocht, jedoch gewiß nicht aus Gerechtigkeitssinn, sondern in Erwartung einer ungewöhnlich hohen Gebühr, die sich an der Gesamtbörse des jeweiligen Titelkampfs bemißt. Da Mayweather und Pacquiao zusammen eine Summe jenseits von 200 Millionen Dollar einstreichen konnten, wäre eine Menge für den Verband abgefallen, der sich offensichtlich verpokert hat.

WBA und WBC fahren bestens damit, lieber Floyd Mayweather als Champion zweier Gewichtsklassen zu behalten, als ihm die Titel abzuerkennen und für andere Boxer freizugeben, die weit weniger Prominenz und Einkünfte in die Waagschale werfen können. Dieses Geschäft auf Gegenseitigkeit möchten sich die beiden Verbände natürlich warmhalten, weshalb sie den Weltmeister nicht einmal andeutungsweise zu einer definitiven Stellungnahme drängen. Man könnte wohl darauf wetten, daß das WBC auf seinem Konvent den Teufel tun und Mayweather die Gürtel wegnehmen wird. Damit bleibt alles auf unabsehbare Zeit in der Schwebe, was sich unter Umständen bis weit ins kommende Jahr hineinziehen kann. Der nächste Kampftermin wäre Anfang Mai 2016 in Las Vegas, wobei sich natürlich entsprechend früher Verhandlungen mit möglichen Gegnern und die Wiederaufnahme einer intensiven Vorbereitung abzeichnen würden.

Unterdessen scharren Kandidaten wie Amir Khan, Danny Garcia, Jermell Charlo oder Vanes Martirosian mit den Hufen, die gerne jene Titel haben möchten, die Mayweather nicht herausrückt. Sie haben allesamt gute Namen, fallen aber weit hinter den Superstar zurück, was ihre Popularität und die zu erwartenden Umsätze betrifft. [2] Daher würden sich die Verbände ins eigene Fleisch schneiden, nähmen sie ihre Statuten ernst und Floyd Mayweather die Titel ab. Schließlich steht er für ein goldenes Zeitalter des Boxsports - oder besser gesagt eines nicht allzu großen Kreises von Profiteuren - das niemand für beendet zu erklären wagt, solange Mayweather die Handschuhe nicht definitiv an den Nagel gehängt hat.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/blog/dan-rafael/post/_/id/14016/mayweather-allowed-to-hold-titles-despite-retirement

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/09/sanctioning-bodies-let-mayweather-keep-his-titles/#more-199312

21. September 2015


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