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MELDUNG/1803: Kurzarbeit und große Worte (SB)



Julian Williams braucht nur 93 Sekunden für Luciano Cuello

Julian Williams hat seine Ambitionen, den Platzhirschen im Halbmittelgewicht das Revier streitig zu machen, auf eindrucksvolle Weise unterstrichen. Der 25jährige selbsternannte Titelanwärter aus Philadelphia brauchte nur 93 Sekunden, um den für gewöhnlich zähen Argentinier Luciano Cuello zu besiegen. Da der Kampf in Bethlehem, Pennsylvania, ausgetragen wurde, hatte Williams das Publikum auf seiner Seite, dem er zwar keine ausgiebige, doch dafür eine um so spektakulärere Vorstellung gab. Er traf den Gegner mit einer präzise geschlagenen Rechten nahe der Schläfe, worauf Cuello in die Seile taumelte. Dort mußte er weitere heftige Schläge über sich ergehen lassen, die Ringrichter Gary Rosato veranlaßten, den ungleichen Kampf abzubrechen. Laut der Statistik von CompuBox hatte Williams in diesen eineinhalb Minuten nicht weniger als 62 Schläge abgefeuert, von denen 29 ihr Ziel fanden, während für den Argentinier lediglich zwei Treffer bei fünf Versuchen zu Buche standen.

Dank dieses rasanten Erfolgs baute der bislang ungeschlagene Julian Williams seine Bilanz auf 21 Siege und ein Unentschieden aus. Er wird in der aktuellen WBC-Rangliste an Nummer sieben und bei der WBA an zehnter Stelle geführt, hat aber nach seinem jüngsten Auftritt gute Aussichten, einen Sprung nach vorn zu machen. Für Luciano Cuello sind nunmehr 35 gewonnene und vier verlorene Auftritte notiert. Der 31 Jahre alte Argentinier war verpflichtet worden, da er bereits mit den namhaftesten Gegnern im Ring gestanden und sich dabei nicht schlecht gehalten hatte. Gegen Julio Cesar Chavez, den früheren WBC-Weltmeister im Mittelgewicht, mußte er sich 2009 nur knapp nach Punkten geschlagen geben, doch im Duell mit Saul "Canelo" Alvarez war 2010 in der sechsten Runde für ihn Endstation. Im Juni 2013 konnte ihn Willie Nelson nur mit Mühe in die Schranken weisen, worauf Cuello drei Kämpfe in Folge gewann.

Dies alles legte nahe, daß der an Nummer zehn der WBC-Rangliste aufgeführte Argentinier durchaus die Voraussetzungen mitbringen könnte, als echter Prüfstein für Williams zu fungieren. Dazu kam es jedoch nicht, da Cuello nach elf Jahren im Profigeschäft seinem Gegner in jeder Hinsicht unterlegen war. Dieser erwies sich als körperlich robuster, technisch versierter, schneller und von der Schlagwirkung her überlegen, so daß der Argentinier überhaupt nicht zum Zuge kam.

Wie Cuello im anschließenden Interview berichtete, sei nach dem ersten Volltreffer sein linkes Auge zugeschwollen, und er habe sich schwindlig gefühlt. Der Abbruch sei seines Erachtens aber eine voreilige Entscheidung gewesen. Er habe in seiner Karriere gegen einige der herausragendsten Akteure im Halbmittelgewicht gekämpft, vor denen sich Williams nicht verstecken müsse.

Julian Williams stellte sein Licht nicht unter den Scheffel und verkündete selbstbewußt, er sei nicht nur der schnellste Boxer seiner Gewichtsklasse, sondern schlage auch so präzise, daß er seine Gegner nach Belieben treffe. Im Grunde habe er bereits mit der rechten Geraden, die die Augenpartie des Argentiniers sofort anschwellen ließ, bereits alles klargemacht. Durch diesen Sieg sei er endgültig ganz oben angekommen und wünsche sich Austin Trout oder Jermall Charlo zum Gegner, wofür er gern auch in der Heimatstadt des jeweiligen Kontrahenten antrete. Er sei nicht wählerisch und fürchte niemanden, da er schon jetzt der beste Halbmittelgewichtler der Welt sei.

Im Vorfeld des Kampfs hatte Williams in den sozialen Medien ein Wortgefecht mit Austin Trout ausgetragen, als wolle er ein Duell mit ihm herbeireden. Der frühere WBA-Weltmeister war als Kommentator eines Fernsehsenders vor Ort, was den beiden Gelegenheit bot, die Sache vermeintlich voranzutreiben. Der 30jährige Trout hat gegen Saul Alvarez und gleich darauf gegen den Kubaner Erislandy Lara verloren, seither aber vier Auftritte in Folge gewonnen und seine Bilanz auf 30 Siege und zwei Niederlagen ausgebaut. Am 8. September gab er Joey Hernandez mit einem Körpertreffer in der sechsten Runde das Nachsehen. Als sich Williams über das oberste Ringseil lehnte, um den Disput mit ihm fortzusetzen, erwiderte Trout, er respektiere den Hunger dieses jungen Boxers und habe kein Problem damit, als nächstes gegen ihn anzutreten. [1]

Dann gaben sie einander die Hand, als sei damit bereits besiegelt, was in Wirklichkeit erst noch ausgiebiger Erwägungen und zäher Verhandlungen bedarf. Da beide Boxer bei Al Haymon unter Vertrag stehen, ist ihr Aufeinandertreffen zum gegenwärtigen Zeitpunkt eher unwahrscheinlich. Williams und Trout sind derzeit dabei, sich in den Ranglisten voranzukämpfen, um einen Titelkampf zu bekommen. So gesehen würde es wenig Sinn machen, sie untereinander austragen zu lassen, wer von beiden weiter aufsteigt und wer abgehängt wird.

Sollte Williams in absehbarer Zeit auf Jermall Charlo treffen, der jüngst neuer IBF-Weltmeister im Halbmittelgewicht geworden ist, würde sich das wohl als verhängnisvoll für den Aufsteiger erweisen. Mit Charlos gefürchteter Schlagwirkung kann er kaum mithalten, worüber auch der schnelle Sieg gegen Cuello nicht hinwegzutäuschen imstande ist. Der relativ langsame Argentinier bot ein allzu leichtes Ziel, als daß man Julian Williams die vollmundige Einschätzung abnehmen könnte, kein Gegner in dieser Gewichtsklasse sei der Wucht seiner Schläge gewachsen. [2]


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/13721334/julian-j-rock-williams-kos-luciano-cuello-first-round-premier-boxing-champions-main-event

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/09/julian-williams-destroys-luciano-cuello/#more-199404

24. September 2015


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