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MELDUNG/1812: In der Höhle des alten Löwen (SB)



James DeGale mißt sich in Quebec City mit Lucian Bute

James DeGale verteidigt den IBF-Titel im Supermittelgewicht am 28. November in Quebec City gegen den in Kanada lebenden Rumänen Lucian Bute. Daß der Brite vor dem heimischen Publikum des Herausforderers antritt, ist zum einen darauf zurückzuführen, daß dieser noch immer eine riesige Fangemeinde mobilisieren kann, die eine große Arena füllt, und der Kampf zudem vom US-Sender Showtime übertragen wird. Da am selben Abend Wladimir Klitschko in Düsseldorf gegen Tyson Fury antritt, wird Sky Box Office wahrscheinlich diese beiden Kämpfe als Gesamtpaket vor allem für die britische Zuschauerschaft im Bezahlfernsehen vermarkten. Zum anderen hat Promoter Eddie Hearn für die freiwillige Titelverteidigung seines Boxers mit dem früheren IBF-Champion Bute einen Gegner ausgesucht, der noch immer einen recht klangvollen Namen, aber in jüngerer Vergangenheit nicht gerade Bäume ausgerissen hat.

Der 29jährige Weltmeister hat 21 Auftritte gewonnen und einen verloren, während für den sechs Jahre älteren Rumänen 32 Siege und zwei Niederlagen zu Buche stehen. James DeGale konnte im Mai den bislang bedeutendsten Erfolg seiner Karriere feiern, als er den favorisierten US-Amerikaner Andre Dirrell im Kampf um den vakanten IBF-Titel nach Punkten besiegte. Der Brite legte zum Auftakt vier ausgezeichnete Runden vor und schlug seinen Gegner zweimal nieder. Später ließ er jedoch konditionell nach und konnte von Glück reden, am Ende knapp die Oberhand zu behalten. [1]

Lucian Butes beste Zeit liegt inzwischen vier Jahre zurück. Er hielt zwischen 2007 und 2012 den IBF-Titel, als die Gewichtsklasse längst nicht so stark wie heute besetzt war. Der gebürtige Rumäne war kein überragender, aber doch ein guter Weltmeister, der schwer zu treffen und vor allem für seine Schläge zum Körper gefürchtet war. Er machte damals mit Fulgencio Zuniga, Librado Andrade, Edison Miranda, Jesse Brinkley, Brian Magee und im Juli 2011 auch mit Jean-Paul Mendy mehr oder minder kurzen Prozeß. Noch im selben Jahr feierte Bute seinen letzten bedeutenden Erfolg, als er Glen Johnson besiegte.

Butes Ära als Champion endete, als er in einem Duell zweier Weltmeister 2012 gegen Carl Froch in dessen Heimatstadt Nottingham antrat und durch K.o. in der fünften Runde verlor. Statt in der Ringmitte zu boxen und dort seine Beweglichkeit auszuspielen, wich Bute an die Seile zurück, wo ihn der Brite festsetzen und treffen konnte. Seit dieser Niederlage ging es mit dem Rumänen bergab, zumal er 2013 aufgrund von Verletzungen keinen Kampf bestreiten konnte. Im Januar 2014 unterlag er Jean Pascal, und bei seinem bislang letzten Auftritt setzte er sich im August 2015 vorzeitig gegen den wenig bekannten Andrea di Luisa durch. Bute hat zwei seiner letzten vier Kämpfe verloren, wird derzeit an Nummer elf der IBF-Rangliste geführt und sollte daher für den Briten eigentlich eine relativ leichte Beute sein.

Natürlich lebt die Bewerbung des Kampfs davon, daß Bute den Titel seinerzeit in England verloren hat und ihn sich nun in Kanada von einem Briten zurückholen will. Wie der Herausforderer geltend macht, habe er in Quebec City noch nie verloren und die Zuschauer auf seiner Seite. Er zolle James DeGale für das Wagnis Respekt, seine erste Titelverteidigung im Ausland zu bestreiten. Es werde schlecht für den Briten ausgehen, der Ende November die Heimreise ohne den Gürtel antreten müsse. [2]

Chancenlos ist Lucian Bute tatsächlich nicht, zumal er noch immer gefährliche Schläge anbringen kann. Um diesen Kampf zu gewinnen, muß er in der Anfangsphase zumindest so viele Runden gewinnen, daß ihm der Brite nicht uneinholbar enteilt. Einmal vorausgesetzt, daß DeGale auch diesmal mit zunehmender Dauer die Luft ausgeht und der Herausforderer diesen Abbau mit Körpertreffern forcieren kann, dürfte der Ausgang über die volle Distanz durchaus offen sein. Andre Dirrell war dem Briten technisch überlegen, handelte sich aber beim Versuch, mit Kombinationen zu glänzen, gefährliche Konter des Gegners ein, die ihn zweimal niederstreckten. Daher wäre Bute wohl gut beraten, auf einzelne Wirkungstreffer zu setzen, die er vorher nicht signalisiert.

Solche Erwägungen sind allerdings graue Theorie, zumal sie natürlich in die beiderseitigen taktischen Konzepte einfließen dürften. Wie gut James DeGale tatsächlich ist, wird sich in diesem Kampf vor fremdem Publikum erweisen. Sein überraschender Erfolg gegen den hoch gehandelten Andre Dirrell bescherte ihm eine deutliche Aufwertung, nachdem sein Werdegang zuvor noch eher skeptisch eingeschätzt worden war, weil in seiner langen Siegesserie keine namhaften Kontrahenten aufgetaucht waren. Ob der Titelgewinn eine Eintagsfliege oder im Gegenteil der Beweis zuvor unterschätzten Könnens war, wird Lucian Bute hoffentlich mit einer respektablen Leistung überprüfen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/10/degale-vs-bute-official-for-november-28th-in-quebec-city/#more-199959

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/10/bute-degales-ibf-title-will-remain-in-quebec/#more-199993

7. Oktober 2015


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