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MELDUNG/1816: Kondition ist die halbe Miete (SB)



Andy Lee gegen Billy Joe Saunders zum dritten Mal neu angesetzt

Andy Lee verteidigt den WBO-Titel im Mittelgewicht am 19. Dezember in Manchester gegen den Ranglistenersten Billy Joe Saunders. Der Kampf stand bislang unter keinem guten Stern, mußte er doch wegen einer Erkrankung des Weltmeisters und einer Trainingsverletzung des Herausforderers bereits zweimal verschoben werden. Während der Ire 34 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden vorzuweisen hat, ist sein britischer Gegner in 22 Auftritten ungeschlagen. Für den 26 Jahre alten Saunders dürfte die Vertagung von Vorteil sein, da er bei seinem letzten Kampf gegen Yoann Bloyer im Juli in körperlicher Hinsicht nicht den besten Eindruck machte. Damals schien er nach dem offiziellen Wiegen durch das Rehydrieren derart an Gewicht zugelegt zu haben, daß er den Rahmen des Mittelgewichts sprengte. Fehlende Zeit, sich in eine angemessene Form zu bringen, kann diesmal jedenfalls kein Hinderungsgrund sein.

Der Weltmeister läßt sich eigenen Angaben zufolge durch die Verzögerung nicht irritieren und versichert, die widrigen Umstände machten ihn nur um so entschlossener, die bevorstehende Aufgabe zu bewältigen und danach eine Zusammenführung der Titel ins Auge zu fassen. Seine Aussichten, diesen Worten entsprechende Taten folgen zu lassen, stehen nicht schlecht, da seine Kondition besser als die des Briten sein dürfte. Im November 2014 setzte sich Saunders zwar knapp gegen den bis dahin ungeschlagenen britischen Rivalen Chris Eubank durch, doch ging ihm in der zweiten Hälfte des Kampfs zunehmend die Luft aus, so daß er gerade noch einen knappen Punktsieg einfahren konnte.

Da man wohl davon ausgehen kann, daß Saunders diesen wegweisenden Kampf nicht auf die leichte Schulter genommen hatte, dürfte dies seine bestmögliche Vorbereitung gewesen sein. Zumindest liegt die Vermutung nahe, daß er sich auch gegen Lee nicht gerade als Konditionswunder hervortun wird. Und da der Brite ein Boxer ist, der auf schnelle Treffer und Beweglichkeit setzt, nicht aber sonderlich wirkungsvoll zuschlagen kann, wird es ihm kaum gelingen, den zähen Iren frühzeitig zu besiegen. Dessen Stunde könnte daher schlagen, wenn sich der Kampf in die Länge zieht und Saunders nicht mehr so schnell weglaufen kann.

Lee dankt seiner Fangemeinde für ihre Geduld und verspricht ihr zur Entschädigung ein veritables Weihnachtsgeschenk, indem er Saunders besiegt und Weltmeister bleibt. Sein Stolz gebiete ihm, den Gürtel mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Darauf erwidert Saunders, in diesem Duell zweier Kämpfer werde einer von beiden zuletzt auf dem Boden liegen, und zwar gewiß nicht er selbst.

Bei seinen letzten Auftritten lag Lee stets im Rückstand, konnte aber das Blatt in der zweiten Hälfte des Kampfes wenden. John Jackson und Matt Korobow schickte er mit seinem fast ansatzlos geschlagenen rechten Haken auf die Bretter, der als seine beste Waffe gilt. Auch das Duell gegen den früheren WBO-Weltmeister Peter Quillin im April glich einer Aufholjagd, bei der Lee allerdings davon profitierte, daß sein Gegner ein Jahr nicht mehr im Ring gestanden und das geforderte Gewicht nicht auf die Waage gebracht hatte. Wenngleich man mutmaßen kann, daß ein Quillin in Bestform die Oberhand behalten hätte, schmälert das weder die kämpferischen Qualitäten des Iren, noch kann es Saunders zuversichtlich stimmen, da er sich mit ähnlichen Problemen wie Lees letzter Gegner herumschlagen muß. [1]

Sollte Billy Joe Saunders wider Erwarten Luft für zwölf Runden haben und über die gesamte Distanz ein hohes Tempo gehen können, sähe es schlecht für Lee aus, der kein überragender Techniker ist, sondern den Schlagabtausch Fuß an Fuß bevorzugt. Ein konditionsstarker Herausforderer ist jedoch kaum zu erwarten, zumal der Brite nicht sparsam und effizient auszuweichen pflegt, sondern zu überflüssigen Tänzen neigt, bei denen er sich über Gebühr verausgabt. Daß er diese aufwendige Kampfesweise ad acta legt und sich stilistisch neu erfindet, bedürfte schon eines längeren Umstellungsprozesses und wohl auch eines neuen Trainers. Wahrscheinlich wird Saunders daher auch gegen Andy Lee auf jene Mittel setzen, mit denen er bislang erfolgreich war, die aber kaum ausreichen dürften, um den Ring als neuer Weltmeister zu verlassen.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/10/andy-lee-billy-joe-saunders-fight-rescheduled-for-1219/#more-200225

12. Oktober 2015


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