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MELDUNG/1855: Lautes Pfeifen im finsteren Wald (SB)



Adonis Stevenson will sich Sergej Kowaljow stellen

Gehen die Pläne Sergej Kowaljows für das kommende Jahr auf, so gehört der Halbschwergewichtler Ende 2016 wohl unbestritten dem Kreis der drei besten Boxer aller Gewichtsklassen an. Derzeit ist der Russe Superchampion der WBA sowie Weltmeister der WBO und IBF. Er möchte zuerst die Revanche gegen den Kanadier Jean Pascal gewinnen, dann dessen Landsmann Adonis Stevenson den WBC-Gürtel abnehmen und schließlich in einem weiteren Prestigeduell den aus dem Supermittelgewicht aufgestiegenen Andre Ward entzaubern.

Am 30. Januar treffen Kowaljow und Pascal erneut im Bell Centre in Montreal aufeinander, wo sich der Russe bei ihrem ersten Aufeinandertreffen am 14. März 2015 nach einem turbulenten Kampf in der achten Runde durchgesetzt hatte. Wie seine Promoterin Kathy Duva auf einer Pressekonferenz am Veranstaltungsort dazu anmerkte, trete der Weltmeister gern am Wohnsitz seines Gegners an, weil es ihm große Freude bereite, die Fans des Herausforderers zu enttäuschen. Da der Russe kein Freund großer Worte ist und lediglich erklärte, daß er kein Redner, sondern ein Boxer sei, der seinem Gegner das Maul stopfen werde, sprang neben Kathy Duva auch sein Manager Egis Klimas verbal in die Bresche. Er sprach Pascal hohes Lob für dessen Mut aus, ein zweites Mal mit Kowaljow in den Ring zu steigen, was die wenigsten wagten. Wenngleich er mit dem Gerede des Herausforderers größtenteils nicht übereinstimme, respektiere er ihn doch als wahren Krieger.

Jean Pascal, der früher Weltmeister war und nach wie vor zu den stärksten Akteuren im Halbschwergewicht gehört, wenn man einmal von Kowaljow und Stevenson absieht, hatte im letztjährigen Kampf gegen den Russen keine schlechte Figur gemacht. Allerdings zeichnete sich damals doch recht deutlich ab, daß der Kanadier zwar für eine gewisse Frist mithalten, aber keinesfalls gewinnen konnte. Dessen ungeachtet verkündete der Herausforderer nun vor versammelter Presse, er habe Kowaljow damals in der achten Runde auf die Bretter geschickt, was der Ringrichter fälschlich als Ausrutschen eingestuft habe. Bei der Revanche werde der Champion die volle Kanonade abbekommen. Sein neuer Trainer Freddie Roach habe vieles verändert und auf eine Weise verbessert, die sich Russe nicht einmal vorstellen könne. Deshalb sehe er sich in der Lage, im zweiten Anlauf den Spieß umzudrehen und Kowaljow Respekt vor dem Gegner und den kanadischen Fans zu lehren.

Dem fügte Pascals kanadischer Co-Promoter Jean Bedard von InterBox hinzu, daß Sergej Kowaljow schon bei ihrem ersten Kampf in mehreren Runden große Probleme mit dem Herausforderer gehabt habe. Er sei davon überzeugt, daß Pascal diesmal noch besser abschneiden werde. Da ein herausragendes Ereignis zu erwarten sei, habe der Sender HBO nicht lange gezögert, die Revanche zu übertragen.

Wenngleich das erste Duell der beiden Halbschwergewichtler unterhaltsam war und für sich gesehen eine Revanche attraktiv erscheinen ließe, war Pascals nächster Auftritt nicht gerade dazu angetan, das Publikum gleichermaßen zu begeistern. Da sich Sergej Kowaljow endlich mit dem Pflichtherausforderer Nadjib Mohammedi befassen mußte, nahm er sich den Franzosen am 25. Juli in Las Vegas vor und schickte den überforderten Gegner bereits in der dritten Runde in die Kabine zurück. Damit blieb der 32jährige Russe unangefochten Weltmeister dreier Verbände und baute seine Bilanz auf 28 Siege sowie ein Unentschieden aus.

Im Rahmen derselben Veranstaltung trat der ein Jahr ältere Jean Pascal gegen Yunieski Gonzalez an, der ihm wesentlich größere Probleme als erwartet bereitete. Der Kanadier gewann zwar einstimmig nach Punkten, doch hatten buchstäblich alle Medienvertreter am Ring den Kubaner in Führung gesehen oder ihm wenigstens ein Unentschieden attestiert. Der renommierte Experte Harold Lederman vom Sender HBO, der die Kämpfe inoffiziell mitzubewerten pflegt, hatte ebenfalls einen Vorsprung für Gonzalez notiert.

Pascal, der dank dieses umstrittenen Erfolgs seine Bilanz auf 30 Siege, drei Niederlagen sowie ein Unentschieden verbesserte, wollte auf der aktuellen Pressekonferenz von seinen Juliproblemen nichts mehr wissen. Er habe ausschließlich seine Wiedergutmachung im Sinn, da Kowaljow am 14. März überlegen gewesen sei. Anhand der Videoaufzeichnung habe er herausgearbeitet, was verbessert werden müsse. Vor allem gelte es Kowaljow daran zu hindern, seine Kombinationen zu schlagen. Das sei der Schlüssel und ein zentrales Moment seiner eigenen taktischen Marschroute. Seine Vorstellung am 30. Januar werde für sich selbst sprechen. Es sei schon ein Opfer, Weihnachten und den Neujahrstag getrennt von seiner Familie zu verbringen, doch werde ihn das Resultat dafür entschädigen, wenn er das neue Jahr am 1. Februar stilvoll feiern könne.

Freddie Roach gilt zurecht als Meister seines Fachs und wird nichts unversucht lassen, die Kampfesweise Kowaljows zu durchkreuzen. Auch er kann jedoch aus Pascal keinen anderen Boxer machen und in der Kürze der Zeit höchstwahrscheinlich nicht mehr als einige geringfügige Umstellungen mit ihm erproben. Zumindest aber kann er seinen neuen Schützling in der Überzeugung bestärken, im zweiten Anlauf besser gerüstet auf den Russen zu treffen.

Kowaljow, der in Los Angeles lebt, hat unterdessen seinen Vertrag mit Main Events verlängert, so daß Promoter und Sender mit voller Kraft an der Planung des kommenden Jahres arbeiten können. Ein Erfolg gegen Pascal vorausgesetzt, soll der Russe im Juni endlich auf Adonis Stevenson treffen, um eines der bedeutendsten Duelle über die Bühne zu bringen, das seit Jahren gefordert wird. Der Sieger wird alle vier maßgeblichen Gürtel im Halbschwergewicht vereinen und höchstwahrscheinlich Kowaljow heißen, auch wenn sein kanadischer Erzrivale das natürlich ganz anders sieht. Zum krönenden Abschluß soll es schließlich im Herbst zum Kampf gegen Andre Ward kommen, der kürzlich einen Vertrag mit HBO unterschrieben hat. Das Duell zwischen Kowaljow und Ward ist beschlossene Sache, sofern keiner von beiden vorher eine Niederlage einstecken muß.

Da Stevenson in der Vergangenheit keine Neigung erkennen ließ, sich mit Kowaljow zu messen, und sein Berater Al Haymon nicht mit HBO zusammenarbeitet, verliefen bislang alle Versuche im Sande, das Duell tatsächlich in Angriff zu nehmen. Wie Kathy Duva berichtet, habe sie sich mit Stevensons Promoter Yvon Michel auf den Rahmenplan geeinigt, den Kampf im Juni zusammen mit HBO entweder als kostenfreie Übertragung oder im Bezahlfernsehen zu veranstalten und die Einkünfte zur Hälfte zu teilen. Allerdings hätten Stevenson selbst und Al Haymon dem Vorschlag noch nicht zugestimmt.

Adonis Stevenson hat eigenen Angaben zufolge nichts dagegen einzuwenden. Er sah sich genau wie Kowaljow am 29. November den Kampf zwischen Lucian Bute und James DeGale in Montreal an, wo er im Rahmen der Übertragung nach seinen Zukunftsplänen gefragt wurde. Wie er dabei erklärte, wolle er das Duell unbedingt austragen und sei mit einem Termin im Juni einverstanden. Was die Übertragung betreffe, habe er Kathy Duva geraten, dieses Problem den Sendern zu überlassen, die sich schon einigen würden. Der Kampf gegen Kowaljow sei für ihn die optimale Gelegenheit, sich alle Titel zu sichern, und so werde es auch geschehen, da er Furcht in den Augen des Russen gesehen habe, pfeift der Kanadier laut im finsteren Wald. [1]


Fußnote:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/14295027/sergey-kovalev-face-jean-pascal-light-heavyweight-title-rematch

7. Dezember 2015


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