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MELDUNG/1923: Moskau ist die Reise wert (SB)



Deontay Wilder tritt in Rußland gegen Alexander Powetkin an

Deontay Wilder verteidigt den WBC-Titel im Schwergewicht in Rußland gegen den Pflichtherausforderer Alexander Powetkin. Das gab dessen Promoter Andrej Riabinskij nun bekannt, der sich bei der Versteigerung der Austragungsrechte mit einem Gebot von 7,15 Millionen Dollar gegen die 5,1 Millionen Dollar seines US-amerikanischen Konkurrenten Lou DiBella durchgesetzt hatte. Nachdem der russische Immobilienmagnat und Milliardär aus dem vollen geschöpft hatte, stand außer Frage, daß Powetkin bei diesem Kampf zumindest den Heimvorteil auf seiner Seite haben würde. Dessen ungeachtet gilt der in 36 Auftritten ungeschlagene Wilder als Favorit im Duell mit dem erfahrenen Kontrahenten, für den 30 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen.

Wenngleich Riabinskij den Austragungsort noch nicht genannt hat, kann man doch davon ausgehen, daß die Wahl auf Moskau fallen wird, zumal der Herausforderer im nahegelegenen Tschechow zu Hause ist. In der russischen Hauptstadt hatte Powetkin schon 2013 gegen Wladimir Klitschko gekämpft, der ihm damals seine bislang einzige Niederlage beibrachte. Während der Altersunterschied zwischen dem 30jährigen Champion und seinem sechs Jahre älteren Gegner keine entscheidende Rolle spielen dürfte, sprechen die körperlichen Voraussetzungen doch für den US-Amerikaner. Wilder ist zwar etwas leichter als der knapp über 100 kg wiegende Russe, mit seinen 2,01 m aber dreizehn Zentimeter größer, so daß er von seiner überlegenen Reichweite profitieren wird.

Powetkin ist ein erfahrener, technisch versierter und kampffreudiger Boxer, der nach wie vor zu den besten Schwergewichtlern gehört. Da die Spitze der Gewichtsklasse jedoch von immer mehr Akteuren bevölkert wird, die ihn überragen, wachsen die Probleme des Russen, die Kontrahenten in Reichweite seiner Schläge zu bringen. Dieser Nachteil ließe sich kompensieren, hätte der Herausforderer einen Gegner vor den Fäusten, der relativ stationär boxt, langsam schlägt und ein schwaches Kinn hat. All das trifft für Wilder jedoch nicht zu, der ausgesprochen mobil agiert, über einen hervorragenden Jab und linken Haken verfügt, vor allem aber mit der Rechten schneller und wirksamer als der Rest der Szene zuschlägt.

Natürlich kann Powetkin mit einer lautstarken Unterstützung seitens des Publikums rechnen, zumal es angesicht einer politisch angespannten Weltlage gegen einen US-Amerikaner geht. Wie weit diese Rückendeckung trägt, wird sich erweisen, sobald Wilder die Oberhand gewinnt und der Lokalmatador in Bedrängnis gerät. Manchmal halten die Zuschauer ihrem Favoriten auch im Untergang bis zur letzten Sekunde die Treue, nicht selten wechselt eine wankelmütige Menge aber auch das Lager und feiert den überlegenen Boxer, wobei es oftmals schwerfällt, zwischen Fairneß und Opportunismus zu unterscheiden.

Muß Wilder im unwahrscheinlichen Fall eines Gangs über volle zwölf Runden mit einer Tendenz zugunsten des Lokalmatadors in der Punktwertung rechnen? Ausschließen kann man das kaum, was aber in Moskau nicht eher als irgendwo sonst auf der Welt zu befürchten wäre. Wenngleich sich die führenden US-amerikanischen Kommentatoren nicht zu der direkten Bezichtigung versteigen, der WBC-Champion könne in Rußland unmöglich nach Punkten gewinnen, schwingt doch in ihrer Einschätzung stets die Sorge vor einer zu erwartenden Benachteiligung mit.

Diese Voreingenommenheit mündet nicht selten in den gebetsmühlenartigen Rat, Wilder wäre besser beraten, den Titel niederzulegen, um sich gar nicht erst einem Fehlurteil in Rußland auszusetzen. Auch ohne den Gürtel bekäme er alsbald die Gelegenheit, sich einen anderen zu sichern, sei es nun in einem Kampf gegen Tyson Fury oder Wladimir Klitschko, Charles Martin oder Anthony Joshua, womit die beiden in Kürze anstehenden Duelle genannt sind. Ganz davon abgesehen, daß der WBC-Champion ausdrücklich versichert hat, er denke nicht im Traum daran, seinen Gürtel freiwillig zurückzugeben, und ihm als Börse 5 Millionen Dollar winken, macht der angeblich wohlmeinende Ratschlag die Rechnung ohne den Wirt. Es trifft zwar zu, daß Wilder in der Lage sein sollte, jeden der vier genannten Rivalen in die Schranken zu weisen. Gerade das könnte jedoch aus Sicht der potentiellen Gegner der entscheidende Hinderungsgrund sein.

Wenden wir uns nach solchen fruchtlosen Debatten wieder den beiden Akteuren zu. Alexander Powetkin hat sich seit der Niederlage im Kampf mit Klitschko gegen Manuel Charr, Carlos Takam und Mike Perez durchgesetzt. Diese Siege bahnten ihm den Weg an die Spitze der WBC-Rangliste, worauf er zuletzt den riesigen, aber unbeweglichen Polen Mariusz Wach bezwang. Takam, der unter diesen vier Gegnern der gefährlichste war, stellte den Russen vor einige Probleme, der seine Kampfesweise umstellen und aus der Defensive boxen mußte.

Wilder hat den WBC-Titel im Januar 2015 gewonnen, als er den in Las Vegas lebenden Kanadier Bermane Stiverne besiegte. Er mußte dabei zum ersten und einzigen Mal in seiner Profikarriere über volle zwölf Runden boxen, weil er sich frühzeitig einen Bruch an der rechten Hand zugezogen hatte und sein Kontrahent ohnehin für eine robuste Widerstandsfähigkeit bekannt ist. Der Weltmeister konnte seinen Gürtel bislang dreimal erfolgreich verteidigen, wobei er gegen seinen Landsmann Eric Molina, den Franzosen Johann Duhaupas und den Polen Artur Szpilka jeweils vorzeitig gewann. Beim Kampf gegen Szpilka, der im Januar in New York über die Bühne ging, blieb der Herausforderer ständig in Bewegung, um der gefürchteten Rechten Wilders zu entgehen. Als dieser schließlich in der neunten Runde entscheidend zum Zuge kam, war der Volltreffer so heftig, daß der Pole den Ring auf einer Trage verlassen mußte. Da Wladimir Klitschko seinerzeit Alexander Powetkin nicht weniger als viermal niedergeschlagen hatte, steht zu erwarten, daß der Russe auch im Kampf mit Deontay Wilder auf den Brettern landen wird. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/03/deontay-wilder-vs-alexander-povetkin-take-place-russia/#more-206445

11. März 2016


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