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MELDUNG/1940: Den Abschied vor Augen (SB)



Tomasz Adamek muß sich auch Eric Molina geschlagen geben

Der mexikanische Schwergewichtler Eric Molina hat sich in Krakau durch einen Sieg in der zehnten Runde gegen den Polen Tomasz Adamek den vakanten Interkontinentaltitel der IBF gesichert. Der 33jährige Molina warf seine körperliche Überlegenheit in die Waagschale und verbesserte sich auf 25 Siege sowie drei Niederlagen, während der sechs Jahre ältere frühere Weltmeister im Halbschwer- und Cruisergewicht, für den nun 50 gewonnenen Auftritten fünf Niederlagen gegenüberstehen, das Ende seiner Karriere vor Augen haben dürfte.

Molina ging offenbar mit einer ähnlichen Taktik in den Kampf wie gegen den WBC-Weltmeister Deontay Wilder im vergangenen Jahr. Er agierte in den Anfangsrunden eher zurückhaltend, als habe er großen Respekt vor Adamek, obgleich ihm dieser körperlich unterlegen war und nicht annähernd die Schlagwirkung des US-Amerikaners ins Feld führen konnte. Dadurch machte es sich der Mexikaner selber schwer und ließ dem beweglichen Polen zu lange freie Hand, der fleißig Punkte sammeln konnte und nach der neunten Runde deutlich in Führung lag.

In Molinas Ecke schien man sich klar darüber geworden zu sein, daß auf diese Weise eine Niederlage drohte. Der Mexikaner wirkte jedenfalls im zehnten Durchgang wie verwandelt, denn er griff nun rückhaltlos an und traktierte Adamek mit wuchtigen Schlägen. Der Pole wußte, was die Stunde geschlagen hatte, und wich angesichts dieses Drucks zurück, doch diesmal gelang es ihm nicht mehr, sich unbeschadet aus der Affäre zu ziehen. Offenbar wähnte er sich außer Reichweite Molinas, als ihn dieser dank seiner langen Arme mit einer Rechten am Kopf traf und zu Boden schickte. Wenngleich sich der bis neun angezählte Lokalmatador rechtzeitig wieder erhob, erklärte der Ringrichter den Kampf für beendet, weil Adamek immer noch schwer angeschlagen war.

Das war eine angemessene Entscheidung des Referees, da Molina nun eindeutig die Oberhand hatte und seinen Gegner sofort wieder auf die Bretter geschickt hätte, wäre der Kampf noch einmal freigegeben worden. Der Mexikaner hatte offensichtlich erkannt, daß nur ein vorzeitiger Sieg das Blatt wenden konnte, da ihm Adamek mit seiner Mobilität und den flüssig geschlagenen Kombinationen auf den Zetteln der Punktrichter enteilen würde. Neun Runden lang hatte Molina keinen rechten Gebrauch von seinem Größenvorteil und der Wucht seiner Schläge gemacht, so daß ihn der erfahrene Pole ausboxen konnte.

Dabei hatten schon Adameks verlorene Kämpfe gegen seinen Landsmann Artur Szpilka und den Ukrainer Wjatscheslaw Hlaskow gezeigt, daß ihm mit frontalen Angriffen und schweren Schlägen am besten beizukommen ist. Der Pole ist zwar ein erstklassiger Boxer, doch schlichtweg zu klein und zu leicht für das Schwergewicht, sobald er auf riesige Kontrahenten mit entsprechendem Dampf in den Fäusten trifft. Molina hatte gerade noch rechtzeitig erkannt, auf welche Weise sich der Erfolg erzwingen ließe, zumal ein Scheitern an dem 39jährigen Veteranen seiner Karriere äußerst abträglich gewesen wäre.

Für den in New Jersey lebenden Tomasz Adamek ist es nach der dritten Niederlage in seinen letzten vier Kämpfen an der Zeit, ernsthaft über einen Abschied vom aktiven Boxsport nachzudenken. Daß er einem Gegner wie Eric Molina den Vortritt lassen muß, der nicht einmal unter den Top 15 der vier maßgeblichen Verbände geführt wird, kann man als deutliches Zeichen interpretieren, daß er hinter die Weltspitze zurückgefallen ist. Er kämpft natürlich immer noch gut genug, um sich für eine gewisse Frist mit Siegen über relativ schwache Gegner insbesondere in Polen über Wasser zu halten. Da er jedoch ungeachtet seiner körperlichen Unterlegenheit im Schwergewicht stets gegen die Besten kämpfen und einen Titel gewinnen wollte, was ihm inzwischen dauerhaft verwehrt ist, liegt ein Schlußstrich nahe. [1]

Theoretisch könnte er andererseits auch eine späte Kehrtwende vollziehen und ins Cruisergewicht zurückkehren, von dem ihn nur wenige Kilo Gewicht trennen. Da er jedoch seit Jahren versucht, körperlich zuzulegen, dürfte sich der umgekehrte Weg als Strapaze erweisen, die angesichts seines Alters schwer zu bewältigen sein könnte und im Erfolgsfall kontraproduktive Nebenwirkungen zu zeitigen drohte. Sich in der Vorbereitung auf einen Kampf um jede hundert Gramm weniger zu quälen und am Ende massiv zu dehydrieren, ist häufig mit einer physischen Schwächung und insbesondere Konditionsproblemen bei höherer Rundenzahl verbunden. Davon abgesehen ist das Cruisergewicht heute mit relativ jungen und hochklassigen Akteuren so stark besetzt, daß selbst ein versierter Techniker wie Tomasz Adamek auf Granit beißen könnte. Aus den genannten Gründen dürfte eine Rückkehr des Polen ins niedrigere Limit lediglich eine hypothetische Option bleiben.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/04/eric-molina-stops-tomasz-adamek/#more-207570

5. April 2016


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