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MELDUNG/2039: Alter Löwe kämpft in seiner Höhle (SB)



Ricky Burns in Glasgow gegen Kiryl Relich

Als ehemaliger Weltmeister im Superfeder- und Leichtgewicht gehört Ricky Burns zu den erfolgreichsten Boxern Schottlands. Nachdem er jedoch 2014 und 2015 drei von vier Kämpfen verloren hatte, schien er sich auf dem absteigenden Ast seiner Karriere zu befinden. Indessen gehörten alle drei Gegner, denen er sich damals geschlagen geben mußte, der höchsten Kategorie an: Terence Crawford ist heute Weltmeister zweier Verbände im Halbweltergewicht, Dejan Zlaticanin wurde später WBC-Champion im Leichtgewicht und Omar Figueroa war ein früherer Titelträger. Seither hat Burns drei Auftritte in Folge gegen schwächere Kontrahenten vorzeitig gewonnen und dabei zuletzt am 28. Mai den Italiener Michele di Rocco im Kampf um den vakanten WBA-Titel im Halbweltergewicht in der achten Runde besiegt.

Er habe sich damals vorgenommen, nicht nur für sich selbst, sondern für die Zukunft des schottischen Boxsports diese unvergleichlichen Nächte in Glasgow wiederauferstehen zu lassen, so Burns. Da ihn alle abgeschrieben hatten, habe es sich großartig angefühlt, sie eines Besseren zu belehren. Zudem gebe es eine Reihe junger schottischer Talente, die ihre Chance bekommen sollten, ihr Können live bei Sky Sports einem breiteren Publikum zu präsentieren. Er könne seinem Trainer Tony Sims nicht genug dafür danken, immer an ihn geglaubt und in gemeinsamer harter Arbeit die Voraussetzungen für einen erneuten Titelgewinn geschaffen zu haben. Als man ihm dann den Kampf gegen Di Rocco angeboten habe, sei er sich des Sieges sicher gewesen und habe mit beiden Händen zugegriffen. [1]

Bei seiner ersten Titelverteidigung im Halbweltergewicht trifft Ricky Burns am 7. Oktober vor heimischem Publikum auf den weißrussischen Pflichtherausforderer Kiryl Relich. Dabei wirkt der 33jährige Schotte mit seiner Bilanz von 40 Siegen, fünf Niederlagen und einem Unentschieden geradezu wie ein Veteran gegen den sieben Jahre jüngeren Kontrahenten, der in 21 Kämpfen ungeschlagen ist. Der Weißrusse hat 19 Gegner vorzeitig besiegt und zuletzt zwölf Auftritte in Folge durch K.o. gewonnen. Trainiert wird er von Ricky Hatton, einem der berühmtesten und populärsten ehemaligen britischen Boxer, der Champion im Halbwelter- und Weltergewicht gewesen ist.

Burns zeigt sich gewarnt vor dem Herausforderer, der angesichts seiner hohen Quote vorzeitiger Siege sehr gefährlich sei. Um diesen Gegner zu bezwingen, müsse er ihm seine ungeteilte Aufmerksamkeit widmen und sein Bestes geben. In dieser Gewichtsklasse lägen künftig etliche bedeutende Kämpfe auf der Strecke, die man jedoch Schritt für Schritt angehen werde.

Ricky Hatton beschreibt seinen Schützling als einen coolen Boxer, den nichts aus der Ruhe bringe. Für ihn spiele es keine Rolle, der Außenseiter zu sein. Kiryl trainiere und kämpfe nun schon seit Jahren fern seiner Heimat, so daß es für ihn keinen Unterschied mache, in Schottland anzutreten. Feuere das Publikum den Lokalmatador an, sei das Wasser auf seine Mühlen. Er schätze Ricky Burns als hochklassigen Kämpfer, der andernfalls nicht Weltmeister in drei Gewichtsklassen geworden wäre. Früher oder später sei jedoch die Wachablösung unvermeidlich, und er gehe davon aus, daß Kiryls Zeit gekommen sei. In ihrer Arbeit im Gym verbessere sich sein Schützling von Tag zu Tag, so daß die Schotten ihr blaues Wunder erleben würden. [1]

Hatton, der natürlich kräftig Werbung für sich und seinen Boxer macht, dürfte mit dessen Charakterisierung nicht ganz falsch liegen. Der talentierte Weißrusse hat seit vier Jahren sämtliche Gegner vorzeitig besiegt, was zwangsläufig Assoziationen mit Gennadi Golowkin auf den Plan ruft, der diese hohe Kunst allerdings schon seit 2008 praktiziert und es sehr viel weiter als Relich gebracht hat, der aber auch zehn Jahre jünger als der Kasache ist. Um in Glasgow zu gewinnen, muß er wohl dafür sorgen, daß der Kampf nicht über volle zwölf Runden geht, was ihm durchaus gelingen könnte.

Bei seinem Titelgewinn im Kampf gegen Michele di Rocco genoß Burns ebenfalls Heimvorteil, was insofern keine wesentliche Rolle spielte, als er den 34jährigen Kontrahenten wohl auch vor dessen Fangemeinde besiegt hätte. Warum die WBA den Italiener im Frühjahr an die Spitze ihrer Rangliste gesetzt hatte, war schleierhaft, wies seine Bilanz doch keinen einzigen namhaften Gegner auf. Ricky Burns profitierte maßgeblich von dem Umstand, einen vergleichsweise moderaten Rivalen vor die Fäuste zu bekommen. Ob er unter anderen Umständen tatsächlich noch einmal Weltmeister geworden wäre, ist zumindest mit einem dicken Fragezeichen zu versehen. Er hat schon bessere Tage gesehen und tritt zudem in einer Gewichtsklasse an, deren Qualität in jüngerer Zeit erheblich gestiegen ist.

Als Burns im Juni 2014 in Glasgow gegen Dejan Zlaticanin antrat, landete er bereits in der ersten Runde auf den Brettern. Am Ende setzte sich der Montenegriner mit 2:1 Wertungen durch, was dem erbosten Publikum gar nicht gefiel. Ausländische Kommentatoren wunderten sich hingegen, wieso Zlaticanin trotz seiner Dominanz nur so knapp gewonnen hatte, und sprachen von einer fragwürdigen Leistung der Punktrichter. Seither steht jedenfalls die Warnung im Raum, daß Ricky Burns vor seinen schottischen Fans schwer nach Punkten zu besiegen sei. Da Kiryl Relich jedoch noch mehr Dampf in den Fäusten als der Montenegriner hat, droht dem Lokalmatador höchste Gefahr.

Man kann Ricky Hatton insofern zustimmen, als bei diesem Titelkampf tatsächlich eine Wachablösung in der Luft liegt. Mit Relich führt die WBA endlich wieder einen Kandidaten an Nummer eins ihrer Rangliste, der auch dort hingehört. Hätte er bereits im Mai anstelle Di Roccos an der Spitze gestanden, wäre er vermutlich längst Weltmeister. Ricky Burns hat es stets sehr gut verstanden, die Taktik des Gegners mit einem Arsenal defensiver Manöver zu stören. Mit Klammern, Blockieren und Wühlen wird es jedoch gegen den gefährlich schlagenden Weißrussen kaum getan sein, so daß sich der Schotte Gedanken über seine eigene Offensive machen muß. Mit Kiryl Relich bekommt er es gleich bei seiner ersten Titelverteidigung mit einem Herausforderer zu, dessen Angriffswucht Gift für seine verbliebenen Qualitäten sein dürfte. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/17396653/ricky-burns-make-first-defense-junior-welterweight-world-title-mandatory-challenger-kiryl-relikh

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/08/ricky-burns-vs-kiryl-relikh/#more-215791

28. August 2016


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