Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/2048: Starke Worte, schwache Gegner (SB)



Billy Joe Saunders dreht die alte Leier

Der britische WBO-Weltmeister im Mittelgewicht, Billy Joe Saunders, gibt vor nicht zu merken, daß ihm kaum noch jemand Glauben schenkt. Er gewann im Dezember 2015 den Titel durch einen Punktsieg über den Iren Andy Lee und hat ihn seither nicht ein einziges Mal verteidigt. An höchst attraktiven Gelegenheiten fehlte es nicht. Anfang des Jahres bot ihm Golowkins Team dem Vernehmen nach 2,2 Millionen Pfund für einen Kampf zur Vereinigung ihrer Titel. Nach diversen Windungen und Wendungen lehnte der Brite ab, indem er eine offenbar absurde Gagenforderung stellte. Ein nicht minder reizvolles Angebot, im Vorprogramm des Kampfs zwischen Saul "Canelo" Alvarez und Liam Smith aufzutreten, um dann im Dezember auf den populären Mexikaner selbst zu treffen, schlug Saunders aus: Keiner der Kandidaten, die ihm die Golden Boy Promotions anboten, fanden seine Gnade.

Da der Brite ein ums andere Mal behauptet, er wolle gegen die besten Gegner antreten und fordere Golowkin heraus, aber jedesmal einen Rückzieher macht, sobald es ernst zu werden droht, nimmt ihm seine fadenscheinigen Ausflüchte niemand mehr ab. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß - nach diesem Motto möchte er Weltmeister bleiben und viel Geld verdienen, doch zugleich gefährlichen Gegnern wie Golowkin oder "Canelo" aus dem Weg gehen. Wenngleich natürlich nicht ganz auszuschließen ist, daß er selber glaubt, was er so daherredet, fällt doch schwer anzunehmen, daß er tatsächlich an einer derartigen Selbstüberschätzung leiden könnte, wie sie in seinen Worten zum Ausdruck kommt.

Sein Promoter Frank Warren bereitet derzeit den nächsten Auftritt des 27jährigen WBO-Weltmeisters vor, der endlich am 29. Oktober in Manchester über die Bühne gehen soll. Saunders tritt nach aktuellem Stand der Planungen im Vorprogramm der Revanche zwischen Tyson Fury und Wladimir Klitschko entweder gegen den Russen Artur Akawow oder Rob Brant aus den USA an. Brant ist in 21 Kämpfen ungeschlagen und taucht in der WBO-Rangliste an Nummer sieben auf. Akawow hat 16 Auftritte gewonnen, einen verloren und wird auf Platz elf geführt. Gemessen an der Bilanz des Champions, der sich gegen 23 Kontrahenten durchgesetzt hat, mögen diese Kandidaten auf den ersten Blick angemessen erscheinen. Berücksichtigt man jedoch, daß Saunders zuvor Golowkin und Alvarez sowie Gabriel Rosado und Willie Monroe einen Korb gegeben hat, unterstreicht sein Rückgriff auf namenlose Herausforderer, woher der Wind weht. [1]

Dessen ungeachtet behauptet Saunders derzeit wieder einmal, er sei jederzeit bereit, gegen Golowkin zu kämpfen, egal ob "in England, Amerika oder auf einem irgendeinem Feld". Nichts könne das verhindern, da er keine überzogenen Forderungen stelle und keinen Gegner fürchte. Er müsse nur am 29. Oktober den Rost abschütteln und sei bereit, sich schon eine Woche später mit dem Kasachen zu messen, setzt der Brite seine absurden Behauptungen fort. Was er beim Kampf zwischen Golowkin und Kell Brook gesehen habe, bestärke ihn in der Überzeugung, daß der gefürchtete Kasache überbewertet werde. Obgleich Brook aus dem Weltergewicht komme, habe er zum Zeitpunkt des Abbruchs nach Punkten geführt und furios gekämpft. Sein Landsmann habe sich hervorragend geschlagen, wofür er ihm höchsten Respekt zolle.

Golowkin hingegen habe zwar alles Erforderliche getan, aber dabei Schwächen erkennen lassen, die sich gegen ihn wenden ließen. Die meisten Gegner des Kasachen hätten schon verloren, bevor sie mit ihm in den Ring stiegen, was für ihn selbst definitiv nicht gelte, so Saunders. Golowkin schlage kräftig zu und habe ein gutes Kinn, doch sei er auch nur ein Mensch und mit Sicherheit nicht unbesiegbar. Daß sich der Brite in solchen Allgemeinplätzen ergeht und gar nicht erst den Versuch unternimmt, angebliche Mängel Golowkins konkret zu benennen, entlarvt sein Gerede als bloßen Versuch, sich wichtig zu machen und ins Gespräch zu bringen.

Frank Warren führt derzeit wieder einmal Verhandlungen mit Golowkins Promoter Tom Loeffler und möchte den Kampf nach England holen. Beim letzten Mal habe das Geld nicht gestimmt, doch da der Kasache nun beim britischen Publikum gut eingeführt sei, sollte die angemessene Größenordnung kein Problem mehr sein, hängt Warren die finanzielle Latte schon im Vorfeld sehr hoch. Da der Verband WBA eine Titelverteidigung Gennadi Golowkins gegen den regulären Weltmeister Daniel Jacobs angeordnet hat, ist Saunders aber ohnehin erst im nächsten Jahr ein Thema. [2]

Gabriel Rosado trägt Saunders verständlicherweise immer noch nach, daß ihn der Brite als möglichen Herausforderer abgelehnt hat. Der 30jährige trifft nun im Vorprogramm "Canelos" auf Willie Monroe und macht sich Hoffnungen, im Falle eines Sieges eine Chance gegen Alvarez zu bekommen. Saunders sei in seinen Augen ein Weltmeister, der nicht gegen die Besten antreten, sondern nur hohe Börsen einstreichen wolle. Wäre er ein wahrer Champion, käme er wie einst Joe Calzaghe und Ricky Hatton in die USA, um seinen Titel auch dort zu verteidigen. Der Brite ziehe es jedoch vor, den Gürtel als Geisel zu nehmen und dem Geld nachzujagen. [3]

Viele Kommentatoren sind inzwischen der Überzeugung, daß Billy Joe Saunders nie im Leben gegen Golowkin antreten wird, solange er den WBO-Titel innehat. Auch ein Kampf gegen den Sieger des Duells zwischen Rosado und Monroe dürfte für den Briten kein Thema sein, da ihn dies seinen Titel kosten könnte. Vermutlich wird er sich weiterhin relativ schwache Herausforderer aussuchen, an denen es in der WBO-Rangliste nicht mangelt, und hoffen, das Interesse "Canelos" zu wecken. Das einzige, was Saunders in den Augen namhafter Rivalen auszeichnet, ist sein Gürtel, ohne den er weder in boxerischer noch finanzieller Hinsicht für die führenden Akteure im Mittelgewicht von Interesse wäre. Die Aussicht, in heimische Gefilde zurückzukehren und beispielsweise Chris Eubank jun. eine Revanche zu geben, die sich in England recht gut vermarkten ließe, dürfte für ihn jeglichen Reiz verloren haben. Als Weltmeister kann er zumindest vorhalten, eine höhere Ebene erklommen zu haben und am Tisch der führenden Mittelgewichtler zu sitzen, auch wenn er beim Essen immer fehlt.


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/blog/dan-rafael/post/_/id/16720/notes-saunders-to-defend-on-fury-klitschko-ii-card

[2] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/17536913/money-not-issue-fight-gennady-golovkin-field-says-billy-joe-saunders

[3] http://www.boxingnews24.com/2016/09/rosado-slams-billy-joe-saunders/#more-217261

15. September 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang