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MELDUNG/2099: Ein Ausfall als Glücksfall (SB)



Deontay Wilder verteidigt seinen Titel gegen Gerald Washington

Deontay Wilder hat für seinen nächsten Kampf am 25. Februar in Birmingham, Alabama, einen neuen Gegner gefunden. Als Herausforderer des WBC-Weltmeisters im Schwergewicht war ursprünglich Andrzej Wawrzyk verpflichtet worden. Nachdem der Pole jedoch bei unangekündigten Kontrollen der Anti-Doping-Agentur (VADA) an zwei aufeinanderfolgenden Tagen positiv auf eine verbotene Substanz getestet worden war, kam er als Kontrahent nicht mehr in Frage und mußte ersetzt werden, um die Veranstaltung zu retten. Der in 37 Kämpfen ungeschlagene Wilder trifft nun auf seinen Landsmann Gerald Washington, der mit einer Bilanz von 18 Siegen und einem Unentschieden an Nummer zehn der WBC-Rangliste geführt wird.

Mithin ist es Wilders Promoter Lou DiBella und dem Berater Al Haymon erstaunlich schnell gelungen, eine so namhafte Alternative wie den 34jährigen Washington ausfindig zu machen. Für beide Boxer ist damit natürlich ein beträchtliches Risiko verbunden, da ihnen nicht mehr allzu viel Zeit bleibt, sich auf den Gegner vorzubereiten. Der 2,01 m große Weltmeister hat es schon in der Vergangenheit mit hochgewachsenen Kontrahenten wie Kelvin Price (2,01 m), Nicolai Firtha (1,98 m) oder Johan Duhaupas (1,95 m) zu tun gehabt. Washington dürfte ihn daher mit seinen 1,98 m kaum vor ungeahnte Probleme stellen, zumal der Herausforderer nicht wesentlich besser als die drei genannten Akteure einzuschätzen ist, die der WBC-Champion vorzeitig besiegt hat.

Allerdings versteht es Washington durchaus, von seiner Größe und Reichweite Gebrauch zu machen, zumal er über einen guten Jab verfügt, mit dem er bislang kleinere Gegner dominiert hat. So hatte er beispielsweise im vergangenen Jahr keine Probleme, den früheren Titelaspiranten Eddie Chambers in einem Kampf über acht Runden einstimmig nach Punkten zu besiegen. Da der nur 1,85 m große Chambers mit seinen Schlägen schlichtweg nicht an Washingtons Kinn herankam, war es größtenteils eine recht einseitige Angelegenheit.

Nun trifft Gerald Washington zum ersten Mal in seiner fünf Jahre währenden Profikarriere auf einen Kontrahenten, der sogar noch einige Zentimeter größer als er selber ist und zudem mit einer geringfügig überlegenen Reichweite aufwarten kann. Das wird nicht einfach für den Herausforderer, der sich umgehend Sparringspartner suchen muß, die Wilder zumindest halbwegs simulieren können. Umgekehrt wird der Champion in diesem Kampf nicht mit seinem Jab auskommen, sondern muß auch mit der Rechten voll zuschlagen, die er erstmals nach der letzten Operation wieder einsetzt. Er hatte sich bei seinem Sieg über Chris Arreola im Juli 2016 die rechte Hand gebrochen und einen Muskelriß am Bizeps zugezogen.

Da Deontay Wilder seit geraumer Zeit wieder im Training steht, hat er natürlich längst überprüft, ob er den rechten Arm und die Hand wieder beschwerdefrei einsetzen kann. Allerdings kann man daraus nicht bedenkenlos schließen, daß der Weltmeister auch beim Auftritt selbst keine Probleme mit der alten Verletzung bekommen wird, zumal mit leichteren Handschuhen als während der Vorbereitung gekämpft wird. Washington könnte also unter Umständen davon profitieren, daß sich der Titelverteidiger etwas zurückhält, um sich nicht gleich wieder zu verletzen.

Wilder neigt bekanntlich dazu, in der Hitze des Gefechts mit wilden Schlägen auf den Gegner loszugehen, um ihn mit aller Macht auf die Bretter zu schicken. In solchen Phasen wie der vierten Runde des Kampfs gegen Chris Arreola ist die Verletzungsgefahr am größten, da der Champion die Übersicht verliert und sich nicht mehr kompakt bewegt. Das kann sich Wilder im Grunde nicht mehr erlauben, da er sich in seiner Profilaufbahn schon dreimal die rechte Hand gebrochen hat.

Gerald Washington hätte den Kampfvertrag sicher nicht unterzeichnet, wenn er nicht eine angemessene Börse bekäme und sich Chancen ausrechnen würde, die Oberhand zu behalten und neuer Weltmeister zu werden. Daß er in Alabama vor dem heimischen Publikum des aus Tuscaloosa stammenden Champions antreten muß, macht den Kampf nach Angaben des Herausforderers nur noch spannender für ihn. Er werde in den tiefen Süden reisen und wie schon bei seinem letzten Auftritt in Alabama den Ring als Sieger verlassen. Im Juli 2016 hatte sich Washington, der damals in der Legacy Arena im Vorprogramm Deontay Wilders aufgetreten war, in der vierten Runde gegen Ray Austin durchgesetzt.

Washington, der in Vallejo, Kalifornien, lebt, ist ein Veteran der U.S. Navy und ehemaliger Football-Spieler der University of Southern California. Er kam relativ spät zum Boxen, wo er sich dank seiner imposanten Statur durchsetzen konnte und so namhafte Gegner wie Eddie Chambers, Jason Gavern, Ray Austin, Travis Walker und Nagy Aguilera besiegte. Im Kampf mit Amir Mansour konnte er 2015 allerdings von Glück reden, mit einem umstrittenen Unentschieden davongekommen zu sein. Als ihn der wesentlich kleinere Kontrahent mit wuchtigen Schlägen traktierte, kam Washington sichtlich aus dem Konzept und mußte sich hinterher ein Pfeifkonzert des Publikums gefallen lassen, das mit dem Ergebnis ganz und gar nicht einverstanden war. [1]

Washingtons Promoter Tom Brown begrüßt die unverhoffte Gelegenheit, um den Titel zu kämpfen, wenngleich er sich natürlich eine längere Vorbereitungszeit gewünscht hätte. Gegen einen überragenden Champion wie Deontay Wilder anzutreten, sei der Traum jedes Boxers. Gerald Washington werde seinen Teil zu einer großartigen Nacht des Schwergewichts beitragen und in den Ring steigen, um ihn als Sieger zu verlassen. Wenn Wilders Promoter Lou DiBella vom Glück im Unglück spricht, da der Ausfall des ursprünglich vorgesehenen Gegners zu einem qualitativ höherwertigen Kampf mit Washington geführt habe, ist diese Einschätzung nicht von der Hand zu weisen.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/01/deontay-wilder-vs-gerald-washington/#more-226147

31. Januar 2017


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