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MELDUNG/2106: Aus der Puste, aus dem Rennen (SB)



Christian Hammer besiegt David Price in Runde sieben

Christian Hammer dürfte die Karriere von David Price zu Grabe getragen haben. Der beim Hamburger Promoter Erol Ceylan unter Vertrag stehende 29jährige gebürtige Rumäne setzte sich in einem Kampf des Schwergewichts im Londoner Olympia in der siebten Runde gegen den vier Jahre älteren Liverpooler aus dem Team Sauerland durch. Während der als Außenseiter angetretene Hammer Europameister der WBO blieb und seine Bilanz auf 21 Siege sowie vier Niederlagen ausbaute, stehen für den ehemaligen Britischen und Commonwealth-Champion nun ebenfalls 21 gewonnene und vier verlorene Auftritte zu Buche.

Price, der zuvor noch einen möglichen Titelkampf gegen IBF-Weltmeister Anthony Joshua aus England oder den neuseeländischen WBO-Champion Joseph Parker im Munde geführt hatte, präsentierte sich mit einem offiziellen Gewicht von knapp 125 kg in schlechter körperlicher Verfassung. Wenngleich Hammer mit einer Größe von 1,88 m wesentlich kleiner als der stolze 2,03 m messende Brite ist und mit fast 120 kg seinerseits ein schwerer Brocken war, schien er doch seine physischen Voraussetzungen besser als der Favorit umsetzen zu können. Der hatte in seinen besten Zeiten um die 108 kg auf die Waage gebracht, was die Frage aufwirft, ob er nicht mehr in der Lage ist, dieses Gewicht zu erreichen, oder sich aus kaum nachvollziehbaren Gründen Vorteile davon verspricht, wesentlich schwerer in den Ring zu steigen.

In den ersten vier Runden verlief der Kampf aus Perspektive des Liverpoolers ganz nach Plan, wenngleich ihn Hammer im dritten Durchgang mit einem rechten Uppercut kurzfristig zu erschüttern schien. Price machte sich seine Größe und überlegene Reichweite zunutze, wobei an seiner beachtlichen Schlagwirkung nichts auszusetzen war. Als er jedoch in der fünften Runde einen Niederschlag erzwingen wollte und den Hamburger tatsächlich mit einem Volltreffer seiner Rechten auf die Bretter schickte, läutete diese Aktion die überraschende Wende ein.

Hammer stellte einmal mehr seine robuste Konstitution unter Beweis, denn er kam rasch wieder auf die Beine und hielt weiter mit. Zugleich hatte sich Price in seinem Drang derart erschöpft, daß er konditionell einbrach und fortan zusehends an Fahrt verlor. Gegen Ende der sechsten Runde war der Brite derart erschöpft, daß er sich über die Seile beugte und einen schweren Treffer einstecken mußte, ohne sich zu wehren. Nach dem Pausengong landete Hammer einen weiteren Schlag, wofür sich Price seinerseits mit einem regelwidrigen Treffer revanchierte. Er wirkte dabei aber wie ein Boxer, der weniger den Gegner zurechtweisen will, als vielmehr mit seiner eigenen Schwäche hadert. In der siebten Runde war es dann soweit: Der Hamburger setzte dem wehrlosen Riesen derart zu, daß Ringrichter Phil Edwards dazwischenging und Price nach 1:22 Minuten stehend aus dem Kampf nahm.

Auch Hammer war inzwischen müde geworden, blieb aber weiter auf Kurs, während sein Gegner nicht mehr in der Lage war, irgend etwas auf die Beine zu stellen, um sich aus der Affäre zu ziehen. Man darf wohl annehmen, daß der Liverpooler den Ring als Sieger verlassen hätte, wäre ihm nicht die Luft ausgegangen. Da Konditionsstärke aber eine oftmals unterschätzte essentielle Voraussetzung eines guten Boxers ist, ließ Price einen eklatanten Mangel erkennen, der zum Sargnagel seiner Laufbahn werden könnte.

Seit der Niederlage gegen Erkan Teper, der ihn 2015 im Kampf um die vakante Europameisterschaft von Beginn an dominierte und bereits in der zweiten Runde besiegte, hat Price bei seinen Auftritten stets über 120 kg gewogen. Das half ihm zwar dabei, schwache Aufbaugegner frühzeitig auf die Bretter zu schicken, die jedoch sein Durchhaltevermögen nicht auf die Probe stellten. Hammers beachtliche Nehmerqualitäten legten die Schwäche des Briten offen, der einer längeren Distanz offensichtlich in dieser Verfassung nicht mehr gewachsen ist.

Bedenklich stimmt insbesondere, daß David Price seit 2013 nunmehr vier vorzeitige Niederlagen bezogen hat. Damals schickte ihn Tony Thompson bei zwei Kämpfen in Folge jedesmal auf die Bretter, 2015 ging Erkan Teper noch rascher zu Werke, nun hat Christian Hammer dasselbe Kunststück fertiggebracht, den riesigen Briten auf halbem Wege zu bezwingen. Dafür bedurfte es im Falle des Hamburgers keiner besonders ausgeprägten Schlagwirkung, sondern eher einer robusten Zähigkeit, nicht klein beizugeben, bis der Gegner am Ende seiner Kräfte war. Sollten Price und Sauerland zu dem Schluß kommen, daß der Liverpooler mit seinen 33 Jahren und 25 Kämpfen noch eine Zukunft im Ring haben könnte, wäre er sicher gut beraten, sein früheres Kampfgewicht anzustreben. Ohne Kondition für volle zwölf Runden ist eine Fortsetzung der Karriere kaum zu vertreten. [1]

An einen Kampf des Liverpoolers gegen Anthony Joshua, Deontay Wilder oder Joseph Parker ist nach diesem neuerlichen Debakel nicht mehr zu denken. Alle drei können gehörig zuschlagen und würden ihm kaum eine Chance lassen, über die Anfangsrunden hinauszukommen. Die Gelegenheit, als möglicher Herausforderer eines Weltmeisters in die engere Wahl zu kommen, dürfte endgültig vom Tisch sein. Zum einen wird Price, der bislang in der WBO-Rangliste an Nummer fünf geführt wurde, nach dieser Niederlage zurückgestuft werden. Zum anderen ist er selbst für seinen Landsmann Anthony Joshua nicht mehr attraktiv, da er sich dem Publikum kaum noch als anspruchsvoller Herausforderer verkaufen läßt. Damit ist auch die Chance, zum Ausklang der Karriere zumindest noch einmal viel Geld zu verdienen, in unerreichbare Ferne gerückt.

Für Christian Hammer, der als Außenseiter nach London gereist war, ist der vorzeitige Sieg über David Price ein beachtlicher Erfolg, der ihm weitere Türen zu anspruchsvollen Kämpfen und ansehnlichen Börsen öffnen sollte. Schon bei seinem knappen Punktsieg gegen Erkan Teper im vergangenen Jahr hatte er für eine Überraschung gesorgt. Wenngleich Teper damals nicht in der allerbesten körperlichen Verfassung war und das nun um so mehr für Price galt, hat der Hamburger das Beste aus diesen Chancen gemacht, bei denen er aus Sicht des gegnerischen Lagers lediglich ein passables Kanonenfutter abgeben sollte. Hammer zu unterschätzen hat sich wiederum als gravierender Fehler erwiesen, und dies bot ihm Gelegenheit, Erfahrungen zu sammeln und seinen Namen ins Gespräch zu bringen.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/02/christian-hammer-vs-david-price-results/#more-226528

7. Februar 2017


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