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MELDUNG/2135: Ein Kanadier wälzt kühne Zukunftspläne (SB)



David Lemieux will sich mit "Canelo" oder Golowkin messen

Der kanadische Mittelgewichtler David Lemieux kehrt am Samstag mit einem Kampf gegen Marcos Reyes in den Ring zurück. In der T-Mobile Arena in Las Vegas tritt er im Vorprogramm des mit Spannung erwarteten Kräftemessens der beiden Mexikaner Saul "Canelo" Alvarez und Julio Cesar Chavez jun. an, was ihm einen Platz in der Übertragung des Senders HBO im Pay-TV beschert. Für Lemieux ist dieser Auftritt eine Durchgangsstation auf dem Weg zu einem erhofften Duell mit "Canelo" oder einer Revanche gegen Gennadi Golowkin. Wenngleich der 28jährige Kanadier, für den 37 Siege und drei Niederlagen zu Buche stehen, als Favorit gehandelt wird, darf er den ein Jahr älteren Reyes nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Der für gewöhnlich im Supermittelgewicht boxende Mexikaner hat 35 Kämpfe gewonnen und vier verloren. Im Jahr 2015 bereitete er Julio Cesar Chavez beträchtliche Probleme und mußte sich ihm am Ende nur recht knapp nach Punkten geschlagen geben. Reyes brachte diverse ansehnliche Treffer ins Ziel, war seinem Landsmann jedoch körperlich unterlegen, so daß er ihn nicht ernsthaft in Gefahr bringen konnte. Bei seinem letzten Auftritt unterlag er im November 2016 Elvin Ayala durch K.o. in der siebten Runde. Da er jedoch gehörig zuschlagen kann, sollte Lemieux auf der Hut und nicht in Gedanken bei künftigen Großtaten sein.

Wie der ehemalige IBF-Weltmeister im Mittelgewicht versichert, wolle er sich definitiv mit den allerbesten Rivalen messen. Wenn der Zeitpunkt gekommen sei, gegen "Canelo" anzutreten, werde er diese Chance mit offenen Armen begrüßen. Er lehne kein hochkarätiges Angebot ab, da er jeden schlagen könne und niemanden fürchte. Inzwischen sei es soweit, daß selbst die namhaftesten Kontrahenten Anlaß hätten, Angst vor ihm zu haben. Mit einem Seitenblick auf den Hauptkampf des Abends würdigt der Kanadier den Außenseiter Chavez als großartigen Kämpfer, der über eine enorme physische Stärke verfüge und sich in diesem Prestigeduell beweisen möchte.

Auf die Frage, ob er an Gennadi Golowkin Revanche nehmen wolle, bestätigt Lemieux diesen Wunsch mit Nachdruck. Der Kasache sei ein hervorragender Boxer, aber ein menschliches Wesen wie alle anderen auch. Jeder habe Stärken und Schwächen, und ohne Golowkin im geringsten zu unterschätzen, wisse er doch inzwischen, wie er die eigene Kampfesweise so verändern könne, daß er diesem Gegner gewachsen wäre, so der Kanadier. Zudem sei er sich sicher, daß die Fans diesen Kampf mit ganzem Herzen begrüßen würden. Welche Veränderungen ihm mit Blick auf einen erneuten Ringauftritt gegen den herausragenden Akteur im Mittelgewicht im einzelnen vorschweben, führte Lemieux freilich nicht aus. [1]

Als er 2015 seinen frisch gewonnenen IBF-Titel gegen Golowkin aufs Spiel setzte, war dies ein mutiger Schritt. Das allein half ihm jedoch nicht weiter, da er im Kampf wird paralysiert wirkte und viel zu wenig angriff, um auch nur die geringste Chance herbeizuführen. Er kam schlichtweg nicht an dem gefährlich Jab des überlegenen Gegners vorbei, der ihn durchweg klar dominierte und schließlich in der achten Runde geschlagen auf die Bretter schickte. Der Kanadier wirkte eingeschüchtert und fand kein Mittel, wie in seinen früheren Auftritten in die Offensive zu gehen und den Schlagabtausch zu suchen. Deshalb ist nicht abzusehen, wie er im Falle einer Revanche wesentlich besser als bei ihrer ersten Begegnung abschneiden sollte. Indessen wird es dazu ohnehin so schnell nicht kommen, da seine Co-Promoter Eye of the Tiger und Golden Boy offenbar andere Pläne für ihn schmieden.

Kursierenden Gerüchten zufolge wäre ein Kampf des Kanadiers gegen Billy Joe Saunders um dessen WBO-Gürtel nicht ausgeschlossen, was allerdings die Zustimmung des Verbands zu einer freiwilligen Titelverteidigung des Briten voraussetzen würde. Saunders muß am 8. Juni in London gegen den gefährlichen Pflichtherausforderer Avantandil Khurtsidze antreten. Sollte er dabei die Oberhand behalten, was nicht einfach sein dürfte, stünde laut aktuellem Stand eine weitere Pflichtverteidigung an. Natürlich ist nicht auszuschließen, daß die Führung der WBO ihre Meinung ändert, was attraktiv für Lemieux, doch um so ärgerlicher für Gennadi Golowkin wäre. Der Kasache hat einem möglichen Kampf gegen Saunders im Juni eine Absage erteilt, um die Chance zu wahren, Saul Alvarez im September vor die Fäuste zu bekommen, der nun schon seit zwei Jahren vor ihm wegläuft. Sollte der Mexikaner auch diesmal passen und Lemieux im Herbst einen Kampf gegen Saunders bekommen, hätte Golowkin in doppelter Hinsicht das Nachsehen.

Das letzte Wort hat jedoch ohnehin Oscar de la Hoya, der als Promoter "Canelos" und Co-Promoter des Kanadiers die maßgeblichen Weichen stellt. Wie man vermuten kann, wird "Canelo" je nach Ausgang des Kampfs gegen Chavez im Herbst entweder eine sofortige Revanche bestreiten oder eventuell gegen Lemieux antreten. Für einen Auftritt des Mexikaners im November oder Dezember ist der populäre Puertoricaner Miguel Cotto im Gespräch, der schon einmal gegen Alvarez verloren hat und seine Karriere Ende des Jahres beenden will.

Wollte man unter diesen turbulenten Umständen mit vielen offenen Fragen ein Prognose wagen, müßte sie wohl folgendermaßen lauten: Der von Publikum und Experten seit langem geforderte Kampf zwischen "Canelo" und Golowkin findet auch in diesem Jahr nicht statt. David Lemieux wird von seinen Promotern für einen möglichen Kampf gegen Saul Alvarez solange in Stellung gehalten, bis dieses Duell entweder stattfindet oder aus welchen Gründen auch immer kein Thema mehr ist. Ob Lemieux im Falle einer Niederlage gegen "Canelo" für Golowkin überhaupt noch ein Thema wäre, darf bezweifelt werden.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/05/lemieux-know-adjustments-beat-ggg/#more-233811

5. Mai 2017


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